
Einfach erklärt: Warum (zur Hölle) zahlen wir Kirchensteuer?
Dass lizensierter Glauben Geld kostet, gibt jedes Jahr für Hunderttausende den Ausschlag, aus der Kirche auszutreten. Fragt sich: Warum gibt es die Kirchensteuer überhaupt?
Das Interesse für den Stellvertreter Christi auf Erden ist vermutlich am größten, solange es ihn nicht gibt. Das soll sich bald ändern. Nach dem Ableben von Papst Franziskus lassen sich die Kardinäle am Mittwoch in die Sixtinische Kapelle einschließen, um dessen Nachfolger zu wählen.
Und obwohl deutsche Katholiken mit ihrer Monatsabgabe dieses Konklave nicht direkt finanzieren, stellt sich dieser Tage vermehrt die Frage: Warum kostet Kirche überhaupt Geld? Ein Überblick.
Wie kam es überhaupt zur Kirchensteuer?
Die Kirche verlangt seit Jahrhunderten unfreiwillige Spenden von ihren Anhängern. Im Mittelalter hieß der Beitrag allerdings nicht Kirchensteuer, sondern „Zehnt„. Den Anteil an ihren Erträgen zahlten Grundbesitzer zunächst vor allem in Naturalien – also in so ziemlich allem, was Haus und Hof hergaben: Fleisch, Gemüse, Getreide und so weiter. Dieser zehnte Teil war allerdings keineswegs wörtlich gemeint: Manchmal gaben Bauern lediglich ein Prozent, manchmal sogar ein Drittel ihrer Ernte an die lokalen Kirchenoberhäupter ab.
Das ging Jahrhunderte so. Und dann warf ein (übrigens nur für heutige Verhältnisse) recht kleiner Korse das System über den Haufen. In Frankreich hatten sie den Zehnt zwar schon mit der Revolution von 1789 abgeschafft und andere Staaten zum selbigen inspiriert. Doch nachdem Napoleon Bonaparte das preußisch-österreichische Bündnis besiegt hatte, annektierte er die linksrheinischen Gebiete, auch das damals noch hübsche(re) Köln. Die deutschen Fürsten wollten für ihren weltlichen Verlust entschädigt werden. Nur: Woher Land nehmen, wenn nicht stehlen? Ganz einfach: Sie enteigneten das Land der Kirche. Mit dem „Reichsdeputationshauptschluss“ von 1803 verschwanden so ziemlich alle geistlichen Besitztümer von der Karte – Stichwort Säkularisierung.
Im Gegensatz zum geistlichen Eigentum hatte sich der Glauben aber nicht in Luft aufgelöst. Weil die Kirchen nun ihr Personal nicht mehr selbst bezahlen konnten, musste eine Lösung her. Die rückwärtsgewandte Idee: Nicht der Staat, sondern die Gläubigen selbst sollten die Kirchen finanzieren – mit einer Kirchensteuer. Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 war die schließlich einigermaßen, nach dem Ersten Weltkrieg dann auch landesweit einheitlich. In der Verfassung der Weimarer Republik wurden Staat und Kirche dann erstmals strikt getrennt – keiner sollte sich in die Angelegenheiten des anderen einmischen. Kirchen durften fortan als sogenannte „Körperschaften des öffentlichen Rechts“ von ihren Mitgliedern Steuern verlangen. Die Behörden müssen bis heute lediglich beim Eintreiben unterstützen, „Amtshilfe“ nennt sich das.
Welche Kirchen erheben in Deutschland eine Steuer?
Nicht nur evangelische und katholische Christen finanzieren mit ihren Beiträgen ihre Religionsgemeinschaften, sondern alle „Körperschaften des öffentlichen Rechts“. Auch anerkannte Freikirchen, die eigenständige Alt-Katholische Kirche und (in einigen Bundesländern) jüdische Gemeinden erheben Steuern.
Wie hoch ist die Kirchensteuer?
Die Kirchensteuer bemisst sich an der Einkommenssteuer. Es kommt also in erster Linie auf das Gehalt, eventuelle Abfindungen und Kapitalerträge an. In 14 Bundesländern beträgt der Satz neun Prozent. In Baden-Württemberg und ausgerechnet im erzkatholischen Bayern sind es achtProzent.
Übrigens: Einmal im Jahr gehen die Einnahmen aus der Sonntagskollekte in katholischen Messen direkt an den Heiligen Stuhl. „Peterspfennig“ heißt das. Deutsche Katholiken spendeten 2023 rund 1,3 Millionen Euro, weltweit waren es 52 Millionen Euro. Das reicht dem Vatikan freilich nicht. Auch kann der Kirchenstaat seine Kosten nicht allein mit seinen tausenden Immobilien, Museen oder der hauseigenen Vatikanbank decken. Der Zwergstaat ist weiterhin auf Großspenden aus der Weltkirche angewiesen.
Wie viel Geld nehmen die Kirchen ein?
Letztes Jahr gehörten immerhin noch knapp 39 Millionen Deutsche einer Kirche an. Bei in der Regel neun Prozent Kirchensteuer muss man kein Mathegenie sein, um zu attestieren: Es läppert sich. Aber eben immer weniger.
Nach Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln nahmen die Kirchen 2024 rund 12,7 Milliarden Euro ein. 6,7 Milliarden die katholischen, sechs Milliarden die evangelischen Kirchen. Dass das stolze 100 Millionen Euro mehr sind als im Vorjahr, stimmt – täuscht aber. Inflationsbereinigt sankendie Einnahmenseit 2019 nämlich um fast ein Fünftel.
Im Schnitt zahlte vergangenes Jahr jedes Mitglied um die 350 Euro. Tatsächlich gaben 2023 laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov 43 Prozent der befragten Christen an, die Kirchensteuer könnte für sie ein Grund zum Austritt sein – nur ein Viertel nannte schwindenden Glauben als Austrittskriterium. An der Stelle beginnt die Schaden-Nutzen-Rechnung. Zumal die Kirchen nicht nur abhängig von der Anzahl ihrer Mitglieder sind, sondern auch von deren Einkommen.
Was machen die Kirchen mit dem Geld?
Eine Menge. Der größte Teil wird für die eigentliche geistliche Arbeit der Kirchen verwendet. Also für den Unterhalt der Geistlichen, für die Gottesdienste und für die Gemeindearbeit, vor allem mit Kindern, Jugendlichen und Senioren. Außerdem finanzieren die evangelische und die katholische Kirche insgesamt an die 2000Schulen mit mehr als einer halben Million Schülern. Hinzu kommen Kosten für die Verwaltung, die Instandhaltung der Gebäude (nicht nur Kirchen), für Hunderte Krankenhäuser, Entwicklungshilfen und viele weitere Posten.
Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Das Prinzip Kirchensteuer hat sich auch in anderen europäischen Ländern durchgesetzt – wenn auch mit teils enormen Abweichungen. Nur ein paar Beispiele aus Europa:
Italiener und Spanier zahlen 0,8 und 0,7 Prozent der Einkommenssteuer, entscheiden aber jedes Jahr selbst darüber, an welche Religionsgemeinschaft ihr Geld geht. Deswegen wirbt hier die katholische Kirche sogar per Fernsehspot um Steuergunst.
In Österreich sind die Kirchen selbst für die Erhebung ihrer Beitragszahlungen verantwortlich – eine Steuer ist das per Definition also nicht. In der Schweiz übernehmen wiederum die Kantone die Verwaltung, auch in Dänemark erhält die lutherische Volkskirche staatliche Mittel.
Das Vereinigte Königreich ist wie üblich ein Sonderfall. Weil hier die (anglikanischen) Kirchen nie enteignet wurden, können sie sich also größtenteils selbst finanzieren und erhalten obendrauf massive Steuererleichterungen. Ähnlich handhabt es die katholische Kirche in Portugal.
In Polen müssen die Kirchen sehen, wo sie bleiben. Sie dürfen weder Steuern erheben noch Staatshilfen kassieren. Sie sind ausschließlich auf Spenden angewiesen. Das funktioniert aber nur deswegen, weil die Menschen hier zu den gläubigsten weltweit zählen.
Unsere Nachbarn in Frankreich halten Staat und Kirche bis heute napoleonmäßig getrennt. Die Kirchen arbeiten auf (steuerlich absetzbarer) Spendenbasis, bekommen aber vereinzelt Unterstützung bei der Instandhaltung von Denkmälern und Gebäuden.