Fußball und Herz: Fußball-EM: Wie große Momente den Puls gefährlich nach oben treiben

  • Juli 19, 2025

Spannende Szenen wie derzeit bei der Fußball-EM zu erleben, treiben den Adrenalinspiegel hoch. Studien zeigen: Bei großen Turnieren steigt das Risiko für Herzattacken.

Wird die deutsche Torhüterin Ann-Katrin Berger am Samstag im Viertelfinale gegen Frankreich wieder gegnerische Stürmerinnen ausdribbeln oder gar mit Fehlpässen bedienen? Ihr Trainer Christian Wück klagte, wenn Berger solche riskanten Spielzüge wiederhole, würde er nicht alt werden.  

Ein Witz, natürlich, und doch ist etwas dran, an dem, was Wück sagte: Hochdramatische Momente im Fußball bedeuten für die Zuschauer Stress pur und können gesundheitliche Folgen haben. Gerade wenn es in die Verlängerung oder gar ins Elfmeterschießen geht, steigt der Puls bisweilen schneller als bei den Spielerinnen auf dem Platz. Wer mit seiner Mannschaft mitfiebert, weiß, wie emotional aufreibend das sein kann – und genau das macht für viele den Zauber des Spiels aus. Aber: Die Anspannung bleibt nicht immer ohne körperliche Folgen.

Herzattacken während großer Fußball-Turniere

Schon bei der Männer-WM 2006 in Deutschland beobachteten Forscher einen auffälligen Anstieg von Notfällen mit Herzbeschwerden. In einer Studie, veröffentlicht im „New England Journal of Medicine“, werteten sie Daten von fast 4300 Patienten und Patientinnen aus. Das Ergebnis: Während der Spiele der deutschen Nationalmannschaft lag die Zahl der Herzattacken um das 2,7-fache höher als in Vergleichszeiträumen. Besonders betroffen waren Männer, bei ihnen war das Risiko sogar um das 3,3-fache erhöht, bei Frauen um das 1,8-fache.

Bei der WM 2014 in Brasilien zeigte sich ein ähnliches Bild. Forscher aus Mainz und Heidelberg analysierten die Krankenhausstatistiken und verglichen sie mit den Vor- und Folgejahren. Ihr Fazit, veröffentlicht in dem Magazin „Scientific Reports“: Während der WM 2014 gab es im Vergleich zu 2013 rund 2,1 Prozent mehr Krankenhauseinweisungen wegen Herzinfarkten, verglichen mit 2015 sogar 3,7 Prozent mehr.

Fußball-EM: Wenn Emotionen den Blutdruck nach oben treiben

Aber warum reagiert das Herz so empfindlich auf Fußballspiele? Professor David M. Leistner, Direktor des Herz- und Gefäßzentrums der Uniklinik Frankfurt und einer der Autoren der Studie zur Fußball-WM 2006, nennt zwei Hauptgründe: Zum einen die körperliche Stressreaktion. Bei spannenden Spielen werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet – vor allem Cortisol. Eine Studie aus Oxford, durchgeführt zur WM 2014, zeigte: Bei brasilianischen Fans war der Cortisolspiegel im Speichel während der Spiele erhöht – und stieg besonders stark, wenn die eigene Mannschaft verlor. Bei der legendären 1:7-Niederlage Brasiliens gegen Deutschland erreichte der Stresshormonspiegel seinen Höhepunkt.

Stress aktiviert das sympathische Nervensystem – Puls und Blutdruck steigen, der Körper schaltet auf Alarmmodus. Wer dann noch fettiges Essen, Salz und Alkohol zu sich nimmt – typische Begleiter eines Fußballabends –, treibt den Blutdruck zusätzlich in die Höhe.

Zum anderen wird laut Leistner bei Großereignissen oft die gewohnte Medikamenteneinnahme vernachlässigt – etwa Blutverdünner oder Blutdrucksenker. „Das erscheint erst einmal abwegig, wer würde wegen eines Fußballspiels seine Medikamente vergessen? Aber es kommt tatsächlich immer wieder vor –für Menschen mit bekannten Herzerkrankungen kann das schnell riskant werden“, sagt Leistner.

Wie gefährlich – oder ungefährlich – ist Fußballfieber wirklich?

Doch all das ist lange kein Grund, die K.-o.-Runde der Frauenfußball-EM zu boykottieren. Denn das Risiko ist – in absoluten Zahlen betrachtet – nicht besonders stark erhöht. Ein Rechenbeispiel: Wenn in einer Region normalerweise 1000 Menschen pro Monat mit Herzbeschwerden eingeliefert werden, sind es während einer Fußball-WM laut den Daten von 2014 rund 1037 – also ein Anstieg, aber kein dramatischer. Zudem sind nicht alle Menschen gleich gefährdet. „Vor allem Patienten mit koronarer Herzerkrankung sollten wachsam sein“, sagt Leistner. Wer hingegen herzgesund ist, muss sich in der Regel keine Sorgen machen.

Beruhigend auch: Die Sterberate in den Kliniken war im WM-Zeitraum 2014 im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2013 und 2015 nicht erhöht – mit einer Ausnahme: Beim Finale gab es einen leichten Anstieg der Sterberate bei den Herzinfarktpatienten. Warum? Vermutlich warteten einige Zuschauer mit Herz-Beschwerden zu lange, weil sie erst sehen wollten, wie das Spiel ausgeht. Ein gefährlicher Fehler. „Bei Brustschmerzen zählt jede Minute“, sagt der Kardiologe Professor Karsten Keller vom Zentrum für Kardiologie an der Universitätsmedizin Mainz. „Dann heißt es: Notruf wählen und ins Krankenhaus – und nicht erst bis zum Schlusspfiff durchhalten!“

Und wie sieht es mit dem Ort des Fußballschauens aus – zu Hause oder beim Public Viewing? Dazu gibt es bislang keine eindeutigen Studiendaten. Aber es spricht einiges dafür, dass das heimische Sofa schonender fürs Herz ist: weniger Lärm, mehr Sitzplätze, keine pralle Sonne und oft ein ruhigeres Umfeld. Beim Public Viewing kann der Stresspegel schnell steigen – gerade wenn man stundenlang steht, eng gedrängt ist oder mitreißend mitgrölt.

Gemeinsam schauen hat auch große Vorteile

Ob zu Hause oder im Public Viewing – das gemeinsame Schauen hat auch große Vorteile: „Es fördert soziale Bindung. Und viele lassen sich vom Turnier sogar dazu motivieren, selbst wieder mehr Sport zu treiben – was wiederum das Herz stärkt“, sagt Keller.

Wer also eine bekannte Herzerkrankung hat, sollte gut vorbereitet ins nächste Spiel gehen – Medikamente einnehmen, auf Alkohol und fettiges Essen eher verzichten und vielleicht das Spiel lieber daheim anschauen. Und wenn es dann trotzdem spannend wird: ruhig durchatmen, nicht alles zu ernst nehmen – und sich daran erinnern, dass man am Ende vielleicht nicht nur für den Fußball, sondern auch fürs Leben mitfiebert.

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