Zugvögel tun es, Meeresschildkröten und Lachse auch: Sie kehren Jahr für Jahr an den Ort ihrer Geburt zurück, um sich fortzupflanzen. Wie hält es der Hering damit?
Der Atlantische Hering kehrt regelmäßig zum Laichen an den Ort seiner Geburt zurück. Eine aktuelle Studie des Thünen-Instituts für Ostseefischerei belegt, dass auch der Clupea harengus, wie sein lateinischer Name lautet, eine sogenannte Brutort-Treue besitzt. Deshalb kommen die meisten Heringe der westlichen Ostsee zum Laichen an den Ort ihrer Geburt zurück, etwa in den Greifswalder Bodden. Die Erkenntnis sei ein wichtiges Argument für den Schutz von Küstenlebensräumen, teilte das Institut mit. Die Studie wurde im Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht.
„Das ist der erste Nachweis für eine ausgeprägte Brutort-Treue beim Hering“, sagt Dorothee Moll, Erstautorin der Studie und Wissenschaftlerin am Rostocker Institut. Sie hatte bei den Arbeiten des internationalen Forschungsteams die Federführung. Bisher sei die Wissenschaft davon ausgegangen, dass jüngere und unerfahrene Heringe sich einfach den Schwärmen älterer Fische anschlössen, wenn es Zeit für die Fortpflanzung sei und so die Wanderrouten zu etablierten Laichgebieten erlernten. „Unsere Ergebnisse zeigen dagegen, dass die verschiedenen Laichgebiete entlang der Küste nicht beliebig austauschbar oder ersetzbar sind“, betonte Moll.
„Geburtsurkunde des Fisches“
Das unterstreiche, wie wichtig ein gezieltes Küstenzonenmanagement sei, um die Produktivität und Widerstandsfähigkeit mariner Ökosysteme langfristig zu sichern. Für die Studie erstellten die Forscherinnen und Forscher eine Art chemischen Fingerabdruck aus den Gehörsteinen (Otolithen) der Fische. Zudem seien genetische Analysen durchgeführt worden, um Herkunft und Fortpflanzungswanderungen der Tiere bestimmen zu können. Die Ergebnisse zeigten, dass 56 bis 73 Prozent der Heringe zur Fortpflanzung in ihr Geburtsgebiet zurückkehrten, unabhängig von der Größe des jeweiligen Laichgebiets.
Die Daten über den Geburtsort der Fische sind in den Gehörsteinchen der Tiere enthalten. Dort lagern sich bei den Jungfischen Informationen der Wasserchemie ab, die aufgrund der Böden der Region, des Salzgehaltes oder etwaiger Industrieansiedlungen unterschiedlich ausfallen können und damit identifizierbar sind. „Das ist sozusagen die Geburtsurkunde jedes Fisches“, sagte die Wissenschaftlerin Moll. Das gehe auch mit anderen Fischarten, sofern sie in bestimmten Gebieten heimisch seien oder vorkommen, wo die Wasserchemie unterschiedlich sei.
Die Laichzeit der Heringe in der westlichen Ostsee liegt in den Monaten von März bis spätestens Juni. In der Nordsee laichen die Heringe teils im Herbst und in tieferen Gewässern. Moll vermutet, dass die Aussagen für die Ostsee auch dort zutreffen. Doch müsse dies erst wissenschaftlich validiert werden.
Bestand unter Druck
Der Hering galt traditionell neben dem Dorsch als einer der Brotfische der deutschen Ostseefischer und war wichtig für deren Auskommen. Überfischung, Nährstoffeinträge vor allem aus der Landwirtschaft und der Klimawandel machen dem Bestand zu schaffen. Derzeit darf Hering der westlichen Ostsee abgesehen von Ausnahmen und marginalen Höchstmengen kaum noch von Fischern angelandet werden.
Dabei dürfen deutsche Ostseefischer auch nach der jüngsten EU-Quotenregelung weiter mit kleinen Booten und passivem Fanggerät wie Stellnetzen gezielt Heringe fangen. Außerdem darf eine gewisse Menge als Beifang beim Fischen nach anderen Arten mitgefangen werden. Auch eine Beifangregelung für westliche Ostsee-Heringe wird beibehalten.





