Risikoentschärfung: Geothermie: Schneller bohren mit Versicherung

  • Juli 20, 2025

Geothermie soll eine wichtige Rolle in der Energieversorgung spielen. Doch für viele Kommunen sind die Bohrungen zu riskant – ein Flop kostet Millionen. Helfen soll eine Versicherung gegen Misserfolg.

Die Bundesregierung will Deutschlands Gemeinden mit einer staatlich geförderten Versicherung die Angst vor dem Risiko teurer Geothermie-Bohrungen nehmen. Die „Fündigkeitsversicherung“ in Kooperation der bundeseigenen Förderbank KfW und des Rückversicherers Munich Re soll finanziellen Schutz bieten. Derzeit ist der Bundeshaushalt im Bundestag in Beratung. „Davon abhängig ist der Start“, sagt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. 

Ehrgeizige Ziele

Die Tiefengeothermie – heißes Wasser aus kilometerweit unter der Erdoberfläche gelegenen Schichten – soll künftig eine größere Rolle in der deutschen Energieversorgung spielen als bisher. Bis 2030 soll ein geothermisches Potenzial von 10 Terawattstunden erschlossen und die Einspeisung in Wärmenetze aus dieser Quelle verzehnfacht werden, wie es in der Begründung des ebenfalls geplanten Geothermie-Beschleunigungsgesetzes heißt. Fündigkeitsversicherung und Gesetzesplan sind Erbstücke der verflossenen Ampel-Koalition, die die jetzige Bundesregierung weiter verfolgt. 

Für die Stromerzeugung per Geothermie sind 80 bis 90 Liter Fließmenge pro Sekunde mit einer Wassertemperatur von 110 Grad notwendig, wie Geologe Matthias Tönnis erläutert, der Geothermie-Fachmann der Munich Re. Für die Wärmenutzung genügen niedrigere Fließmengen und 60 bis 70 Grad Wassertemperatur. Vorzugsgebiete sind nach geologischen Untersuchungen das im Voralpenland gelegene bayerische Molassebecken, der Oberrheingraben und das norddeutsche Becken. 

Hemmschuhe Kosten und Bürokratie 

Doch Aufwand, Bürokratie und Kosten sind hoch: „Bis ein Projekt überhaupt erst mal anfängt zu bohren, vergehen manchmal fünf Jahre“, sagt Tönnis. „Jeder Bohrtag – und da reden wir nicht von Arbeits-, sondern von Kalendertagen – kostet etwa 80. 000 Euro.“ Bis die erste Bohrung unten ist, können einer Kommune nach Tönnis‘ Worten Vorlaufkosten von 20 bis 30 Millionen Euro entstehen. „Wenn die Bohrung nicht bringt, was sie erwartet hat, ist das Geld weg.“ Unter Umständen gibt es dann noch ein offenes Bohrloch, das wieder geschlossen werden muss. „Das kostet nochmal eineinhalb Millionen Euro.“

Kommunen sind keine Bergbau- oder Energieunternehmen, die bewusst Risiken eingehen. Und anders als Unternehmen können Bürgermeister auch nicht andernorts bohren lassen, wenn der erste Versuch erfolglos war. „Bei Öl und Gas genügt es vollkommen, wenn jede zehnte Bohrung ein Treffer ist“, sagt Tönnis. „Eine Kommune kann sich keinen einzigen Flop leisten.“

An dieser Stelle soll die Versicherung einspringen, die dann zahlt, wenn die Bohrung „trocken“ bleibt. „Wir decken einen Teil des Risikos, den Rest übernimmt die KfW“, sagt Tönnis. Das Pilotprojekt soll nach dem Start zunächst drei Jahre laufen.

 Wie teuer wird die Versicherung?

Im aktuellen Haushaltsentwurf des Bundes für 2025 sind laut Bundesverband Geothermie Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von knapp 50 Millionen Euro für die nächsten vier Jahre vorgesehen. Das soll für die Absicherung von 65 Projekten mit einem Investitionsvolumen von zwei bis drei Milliarden Euro genügen. „Das geplante Modell der Fündigkeitsabsicherung erscheint aus unserer Sicht grundsätzlich vielversprechend“, sagt Gregor Dilger, der Hauptgeschäftsführer des Geothermie-Verbands. 

In diplomatischen Worten mahnt Dilger jedoch an, dass die Fündigkeitsversicherung nicht zu teuer werden dürfe: „Wie jedes neue System wird sich auch dieses in der praktischen Umsetzung bewähren müssen. Entscheidend wird sein, wie die konkreten Vertragsverhandlungen zwischen Munich Re und den Versicherungsnehmern verlaufen und welche Prämien vereinbart werden.“ Ebenso wichtig ist dem Bundesverband, dass Projekte aus dem gesamten Bundesgebiet abgesichert werden können. 

Hemmschuh Bürokratie – Genehmigungsverfahren dauern Jahre

Die Versicherung ist ein Teil des Plans zur Beschleunigung der Geothermie. Das finanzielle Risiko ist nicht das einzige Hemmnis. „Derzeit sind die Genehmigungsverfahren teilweise von mehrjähriger Dauer und mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden“, heißt es in der Begründung des geplanten Geothermie-Beschleunigungsgesetzes. 

Für die tiefen Bohrungen ist eine Bergbaukonzession erforderlich. Das behördliche Prozedere soll in Zukunft wesentlich beschleunigt werden. „So soll es eine Einführung von Höchstfristen für Genehmigungsverfahren im Bergrecht geben, zum Beispiel muss die Behörde innerhalb eines Jahres über die Genehmigung entscheiden“, sagt die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.

 „Alle reden immer über Strom“, sagt Tönnis bei der Munich Re. „Aber Strom macht im Endenergieverbrauch insgesamt nur ein Viertel aus. Der allergrößte Teil – 52 Prozent – ist Wärme, aber Wind und Sonne helfen da im Grunde genommen nicht weiter.“

Denn die Umwandlung von Strom in Wärme ist ineffizient, wie der Energiefachmann sagt. „Ein Heizlüfter braucht eine Kilowattstunde Strom, um 0,3 Kilowattstunden Wärme zu erzeugen.“ Schon eine Wärmepumpe für Häuslebauer könne mit einer Kilowattstunde Strom vier bis sechs Kilowattstunden Wärme erzeugen. „Die Tiefengeothermie ist noch viel effizienter.“

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