Erschossener Lorenz: Migranten-Initiative sieht Rassismus in tödlichen Schüssen

  • April 27, 2025

In Oldenburg stirbt ein junger schwarzer Mann durch Kugeln aus einer Polizeiwaffe. Aus Sicht der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland ist das Folge rassistischer Denkweisen bei der Polizei.

Die tödlichen Schüsse eines Polizisten auf einen jungen schwarzen Mann in Oldenburg sind aus Sicht einer Initiative von Menschen mit Migrationshintergrund Beleg eines systemimmanenten Rassismus in der Polizei. „Ich frage mich tatsächlich, wie viele Leute eigentlich noch sterben müssen, dass man nicht nur von Einzelfällen spricht, sondern dass wir wirklich mal das System umfassend in den Blick nehmen, um solche Dinge zu verhindern“, sagte Tahir Della aus dem Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) der Deutschen Presse-Agentur dpa.

In Oldenburg wurde am frühen Ostersonntag der 21 Jahre alte Lorenz von einem Polizeibeamten tödlich verletzt. Drei Schüsse trafen ihn von hinten. Ermittlerangaben zufolge hatte der Deutsche zuvor in einer Diskothek Reizgas versprüht und mehrere Menschen leicht verletzt. Dann flüchtete er. Als die Polizeibeamten ihn stellen wollten, soll er bedrohlich auf sie losgegangen sein und Reizgas in ihre Richtung gesprüht haben.

Opfer zu Täter gemacht

Er halte es für unfassbar, dass nach wie vor eine solche Tat geschehen könne, sagte Della. Immer noch würden nach solchen tödlichen Polizeieinsätzen von Medien und der Polizei nach Rechtfertigungen gesucht. „Dann werden die Opfer von Polizeigewalt zu Tätern stigmatisiert“, kritisierte Della. 

Es sei falsch, nur dann von rassistischen Handlungen zu sprechen, wenn man jemanden eine rassistische Haltung nachweisen könne oder ein Mensch eine rassistische Motivation offen zugebe. „Entscheidend ist die Wirkung, und die Wirkung ist in dem Fall, dass jemand gestorben oder erschossen worden ist“, sagte Della

Vorwurf: Systemischer Rassismus in Polizeibehörden

Er räumte ein, dass in jüngster Vergangenheit das Problem eines systemimmanenten Rassismus bei der Polizei zum Teil erkannt worden sei. „Ich glaube schon, dass es inzwischen an den Polizeihochschulen oder bei der Polizei auf Landes- als auch auf Bundesebene Akteure gibt, die das Problem allmählich erkennen“, sagte Della. Aber immer noch befasse man sich mit diesem Thema nur als Reaktion nach Vorfällen wie in Oldenburg.

Die Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund in den Polizeidienst werde seiner Einschätzung nach den systemischen Rassismus innerhalb der Polizei nicht beenden. „Ich glaube nicht daran“, sagte Della. In Berlin sei der Anteil der Polizisten mit migrantischem Hintergrund derzeit bei rund 20 Prozent. „Und trotzdem gibt es auch hier nach wie vor Kritik an der Polizeiarbeit in Berlin.“ 

Bei NSU-Ermittlungen zuerst Angehörige der Opfer verdächtigt

Mit der Aufklärung der rechtsextremistischen NSU-Mordserie sei klar geworden, dass Ermittlungsbehörden bundesweit und unabhängig voneinander nicht gegen rechte Täter ermittelt hätten, sondern gegen Familienangehörige und Freunde der Opfer. Darin habe sich der Rassismus der Ermittlungsbehörden gezeigt. 

„Das macht deutlich, dass es nicht darum geht, dass alle in diesen Strukturen rassistisch eingestellt sind, sondern sie haben eingeschriebene rassistische Vorstellungen und Haltungen, und diese manifestieren sich eben in polizeilicher Arbeit.“ Das könnten Polizisten mit migrantischem Hintergrund nicht verhindern. „Im Gegenteil, sie müssen selbst diese Sachen ausführen, die ihnen von der Polizeiführung zugetragen werden – da frage ich mich, wie sollen die irgendwas verändern?“, sagte Della.

Handfeste Bestrafung gefordert

Notwendig sei, dass ein Verhalten wie das des Schützen in Oldenburg für die Polizeibeamten wirkliche Konsequenzen habe. Es sei nicht damit getan, sie in den Innendienst zu versetzen oder sie für ein paar Wochen vom Dienst zu suspendieren. „Es muss wirklich eine handfeste Bestrafung und eine handfeste Verfolgung von solchen Fällen geben“, sagte Della. Aber auch allein das werde das Problem nicht lösen.

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