
Laut Europol werben Banden immer häufiger Minderjährige für Verbrechen an. Aus weiten Teilen Europas schließen sich nun Ermittler zusammen, um diesen Trend zu bekämpfen.
Die europäische Polizeibehörde Europol gründet nach Informationen des stern eine neue Arbeitsgruppe, um gegen Auftragsmorde durch Kinder und Jugendliche im Bereich der Organisierten Kriminalität vorzugehen. In der Task Force namens „Grimm“ sollen demnach Ermittler aus insgesamt acht europäischen Ländern dem Trend entgegenwirken, dass Banden europaweit immer häufiger Minderjährige über soziale Medien für Verbrechen rekrutierten.
„Kinder und Jugendliche handeln für Banden mit Drogen. Sie entführen, foltern, töten“, sagte Europol-Chefermittler Andy Kraag dem stern. „Da kommt ein großes Problem auf uns zu, es breitet sich gerade wie ein Lauffeuer über Europa aus.“
Kraag leitet das Zentrum für Organisierte Kriminalität bei Europol. Er sagte, Banden setzten Kinder und Jugendliche als Waffen ein. Dies sei kein Zufall, sondern eine bewusste Taktik. „In ihren Augen sind junge Menschen besonders manipulierbar“, sagte Kraag. „Sie wollen sie ausnutzen, sie sollen ihre Drecksarbeit machen.“ Die kriminellen Gruppen hofften, so der Strafverfolgung zu entgehen.
„Und irgendwann liegt ein Maschinengewehr im Kinderzimmer“
Die Banden lockten die Kinder und Jugendlichen mit schnellem Geld, Status und dem Versprechen von Zugehörigkeit. Um sie zu erreichen, nutzten sie die sozialen Medien. Dort schalteten sie oft eine Art Stellenanzeige, die harmlos wirke. Wer darauf eingehe, gerate ins Netz der Kriminellen.
„Manchmal braucht es nur ein paar Tage und einige Chat-Nachrichten, um aus Kindern Mörder zu machen“, sagte Kraag dem stern. Die Banden wüssten um die Codes und Sprache der Jugend. Sie sprächen nicht von Morden, sondern von Missionen. Die Kinder und Jugendlichen sollten sich in einer Art echtem Computerspiel wähnen. „Sie sollen Aufträge lösen, hier einen Verbindungsmann besuchen, da etwas vom Zwischenhändler abholen, ein Level nach dem anderen“, sagte Kraag. „Und irgendwann liegt ein Maschinengewehr im Kinderzimmer.“
Mit der neuen Arbeitsgruppe wolle Europol diesem Phänomen nun etwas entgegensetzen. Die nationalen Strafverfolgungsbehörden sollten unter der Leitung von Schweden, wo der Trend schon länger bekannt sei, länderübergreifend zusammenarbeiten. Auch Deutschland beteilige sich, dazu Dänemark, Finnland, Frankreich, Belgien, Norwegen und die Niederlande.
Neue Europol-Arbeitsgruppe als langfristiges Projekt
Die Ermittler würden Informationen austauschen, gemeinsam wollten sie die Banden und jene Männer ausfindig machen, die Kinder und Jugendliche rekrutierten. Sie würden sich auch dafür einsetzen, dass die Betreiber der sozialen Medien die Beiträge der kriminellen Gruppen schneller löschen. Und sie wollten ein Bewusstsein für das Thema schaffen.
„Allen muss klar werden, was für eine gefährliche Entwicklung wir hier gerade erleben“, so Kraag. Die Arbeitsgruppe sei zwar als langfristiges Projekt ausgelegt. „Aber wir können es uns nicht leisten, die ersten Ergebnisse ewig auf sich warten zu lassen“, sagte Kraag. „Die Organisierte Kriminalität muss spüren, dass sie mit diesem Vorgehen nicht länger durchkommt.“