Thorsten Frei: Warum Merz‘ Schattenmann die Regierung schrumpfen will

  • Mai 8, 2025

Thorsten Frei soll als Kanzleramtschef Streit verhindern. Er will aber kein „politischer Eunuch“ werden, sagt er im Gespräch. Im Kanzleramt will er Mitarbeiter einsparen.

Herr Frei, hat Friedrich Merz eigentlich ein Talkshow-Verbot für Sie ausgesprochen?
Nein, das hat er nicht. Es ist wie immer im Leben: Es kommt auf das richtige Maß an.

Viele ihrer Vorgänger haben in ihrer Zeit als Kanzleramtschef sehr zurückgezogen gearbeitet. Thomas de Maizére oder Ronald Pofalla waren nur selten in der Öffentlichkeit zu sehen. Werden Sie ähnlich diskret sein?
Ich bin ein CDU-Bundesminister und kein politischer Eunuch. Aber ich sehe meine Rolle als ehrlichen Makler dieser Bundesregierung. Das bedeutet, dass die SPD genauso vertrauensvoll mit mir arbeitet wie die Union. Das werde ich sicherlich nicht durch politische Vorstöße gefährden.

Sie sorgten im Sommer 2023 mit dem Vorschlag nach einer Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl selbst in Teilen ihrer Partei für Empörung. Streben Sie das weiter an?
Natürlich werde ich mich mit Zuspitzungen zurückhalten. Es geht jetzt um den Erfolg dieser Regierung. Ich kenne die Prioritäten.

Thorsten Frei hätte sich auch andere Aufgaben vorstellen können

Sie haben in der Fraktion eng mit Friedrich Merz zusammengearbeitet, folgen ihm jetzt ins Kanzleramt. Was sehen Sie als Ihre zentrale Aufgabe?
Wir müssen als Regierung sehr schnell arbeitsfähig werden und die Menschen überzeugen. Wir haben ein neues Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung und einige Änderungen in anderen Ressorts. Da müssen wir rasch reinfinden. Wir wollen noch vor der parlamentarischen Sommerpause zeigen, dass die neue Regierung anders ist als die alte. Meine Aufgabe sehe ich darin, dafür zu sorgen, dass das schnell, effizient und geschmeidig geschieht. Nur dann werden Union und SPD gemeinsam erfolgreich sein.

Viele in der Unionsfraktion wollten Sie als Fraktionschef. Sind Sie eher ein Mann für die zweite Reihe, für den Hintergrund?
Nein. Ich sehe mich nicht als Mann des Hintergrunds. Aber ich kann das eben auch. Wissen Sie, im Zweifel gibt es immer mehr als eine reizvolle Aufgabe in der Politik und es steigert die Lebenszufriedenheit ungemein, wenn man das, was man gerade tut, gerne tut. Es gibt viele Wege, die nach Rom führen.

Und was ist Rom für Sie?
(Lacht) Die Frage möchte ich jetzt nicht beantworten.

Bringt Sie eigentlich auch mal was aus der Fassung?
Das wäre auszuprobieren. Jeder Mensch ist irgendwann an dem Punkt, wo er aus der Haut fährt. Bei mir dauert das recht lang.

Man hat das Eindruck, Sie könnten mit der Seelenruhe eines Pfarrers selbst einen 24-stündigen Blackout im Land erklären.
Ich ärgere mich nicht über Dinge, die ich nicht ändern kann. Das habe ich über die Jahre in unterschiedlichsten Funktionen gelernt. Im Übrigen glaube ich, dass das jeder Mensch trainieren kann.

Fast jeder Tag beginnt mit einer Laufrunde

Der Vorgängerregierung fehlte ein strategisches Zentrum, heißt es. Was wollen Sie anders machen als ihr Vorgänger?
Auch die alte Koalition ist mit viel gutem Willen gestartet. Man darf nicht vergessen, dass das die erste Dreierkoalition war. Wir haben es zu zweit einfacher, haben in der Vergangenheit schon zusammengearbeitet – auch wenn wir jetzt sehr nüchtern in diese Koalition starten.

Der Zeitpunkt, wo man vernünftig über einen Baustopp hätte entscheiden können, der ist längst vorüber. Wir werden jetzt eine möglichst kostengünstige Lösung für den Weiterbau finden.

Friedrich Merz hat es gesagt: keine Euphorie.
Das muss auch gar nicht sein. Wir brauchen einen guten Arbeitsmodus und müssen uns auf das Verbindende konzentrieren. Dann werden beide Seiten ihre Punkte machen.

Alt-Kanzler Gerhard Schröder hatte vor dem Einzug über die Größe genörgelt: „Ein bisschen kleiner tät’s auch.“ Stoppen Sie den Ausbau des Kanzleramtes?
Auf den Ausbau hatte ich einen sehr kritischen Blick. Aber dort wächst inzwischen etwas aus dem Boden. Der Zeitpunkt, wo man vernünftig über einen Baustopp hätte entscheiden können, der ist längst vorüber. Wir werden jetzt eine möglichst kostengünstige Lösung für den Weiterbau finden.

Das Kanzleramt soll wieder kleiner werden

Sie haben das Kanzleramt noch 2022 als unnötigen „Prachtbau“ bezeichnet.
Es sieht doch jeder: Es ist ein wirklich großer, schöner Bau. Aber die Fakten sind geschaffen. Es bringt nichts, über vergossene Milch zu sprechen.

Unter Olaf Scholz ist das Kanzleramt von 775 auf 852 Mitarbeiter gewachsen . Die neue Regierung will jede 12. Stelle in den nächsten vier Jahren einsparen. Müssen auch im Bundeskanzleramt Menschen gehen?
Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir zwei Prozent Personal pro Jahr abbauen. Das betrifft alle Ministerien, und selbstverständlich gilt das auch für das Kanzleramt. Es wäre keine glaubwürdige Politik, wenn ich die unangenehmen Dinge nur von anderen verlangen würde. Die Bundesregierung ist in den vergangenen Jahrzehnten, bis auf wenige Ausnahmen, gewachsen. Diesen Trend müssen wir dringend umkehren.

Sie wollen die Zahl der Beauftragten halbieren. Wen trifft es alles?
Bei einigen Posten musste ich schauen, ob die wirklich existieren – oder ob das ein Witz ist. Wir werden dieses Beauftragten-Unwesen beenden und die Zahl der Beauftragten in etwa halbieren. Das ist nicht in erster Linie eine Sparmaßnahme, sondern eine Frage der effizienten Staatsorganisation. 

Natürlich wird diese Koalition vier Jahre lang halten. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen gesehen, dass der Fundus an Gemeinsamkeiten so groß ist, dass wir die Herausforderungen gemeinsam bewältigen können.

Die Ampel hat eisern an ihrem Koalitionspapier festgehalten. Gilt der neue Koalitionsvertrag als unverrückbar oder muss man im Krisenfall nochmal ran? 
Dieser Koalitionsvertrag gilt auf Basis heutiger Erkenntnisse. Wir haben eine klare Vereinbarung miteinander: Wenn es Ereignisse gibt, die zu einer grundstürzenden Veränderung führen, werden wir den Koalitionsvertrag zur Seite legen – und neue Lösungen entwickeln.

Die Umfragewerte sind für Friedrich Merz mies, die AfD liegt auf Platz 1. Kann diese Koalition 4 Jahre lang halten?
Natürlich wird diese Koalition vier Jahre lang halten. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen gesehen, dass der Fundus an Gemeinsamkeiten und das Verantwortungsgefühl für das Land so groß ist, dass wir die Herausforderungen gemeinsam bewältigen können.

Was haben Sie falsch gemacht, wenn das nicht gelingt?
Darüber muss dann die Geschichtsschreibung urteilen. Ich habe sehr viel Respekt vor dieser Aufgabe, aber ich setze darauf, so wenig Fehler zu machen, dass wir erfolgreich sind.

  • Ähnliche Beiträge

    • Mai 8, 2025
    Nach EU-Abstimmung: Ministerin und Jäger befürworten einfachere Wolf-Abschüsse

    Eine Mehrheit der Abgeordneten des EU-Parlaments stimmte im Eilverfahren dafür, den Status des Wolfs von „streng geschützt“ auf „geschützt“ abzusenken. Aus Brandenburg kommt dafür Zustimmung.

    • Mai 8, 2025
    Fußball-Bundesliga: Torwarttalent bekommt Profivertrag in Augsburg

    Der FCA gibt einem weiteren jungen Spieler eine Perspektive bei den Profis. Der Sportdirektor erklärt den Plan.

    Du hast verpasst

    Nach EU-Abstimmung: Ministerin und Jäger befürworten einfachere Wolf-Abschüsse

    • Mai 8, 2025
    Nach EU-Abstimmung: Ministerin und Jäger befürworten einfachere Wolf-Abschüsse

    2. Fußball-Bundesliga: Rückkehr in Bundesliga naht: Der HSV und der letzte Schritt

    • Mai 8, 2025
    2. Fußball-Bundesliga: Rückkehr in Bundesliga naht: Der HSV und der letzte Schritt

    Polizeieinsatz: 67-Jähriger nach Elektroschock in Lebensgefahr

    • Mai 8, 2025
    Polizeieinsatz: 67-Jähriger nach Elektroschock in Lebensgefahr

    Fußball-Bundesliga: Torwarttalent bekommt Profivertrag in Augsburg

    • Mai 8, 2025
    Fußball-Bundesliga: Torwarttalent bekommt Profivertrag in Augsburg

    Isla Fisher: Emotionale Botschaft deutet Herzschmerz an

    • Mai 8, 2025
    Isla Fisher: Emotionale Botschaft deutet Herzschmerz an

    Smartphone in der Schule: Lehrer wünschen sich Rechtssicherheit in der Handy-Frage

    • Mai 8, 2025
    Smartphone in der Schule: Lehrer wünschen sich Rechtssicherheit in der Handy-Frage