Bahn: Zugchaos in Rheinland-Pfalz: „Jeden Tag ein neues Abenteuer“

  • Mai 12, 2025

Ausfälle, Verspätungen, Schienenersatzverkehr: Das hört kein Bahnfahrer gern. Zurzeit ist es in Rheinland-Pfalz besonders schwierig, mit dem Zug von A nach B zu kommen. Geduld haben nicht mehr alle.

„Der Zug ist nicht gekommen“, galt lange als schlechte Entschuldigung für unpünktliche Arbeitnehmer, Schüler und Studierende. Inzwischen ist Bahnfahren jedoch immer häufiger für viele Pendler unberechenbar, für manche sogar eine tägliche Odyssee – besonders in dieser Woche. Fahrgäste in Mainz-Kastel und Koblenz berichten: 

Sein Bus in Oberwesel um 5.52 Uhr sei gar nicht gekommen, erzählt Franco. Dieser Bus hätte ihn anstelle des Regionalzugs nach Mainz bringen sollen. Durchgehende Züge gibt es wegen Bauarbeiten zwischen Koblenz und der Landeshauptstadt in dieser Woche nicht. Glücklicherweise sei ein Bekannter mit dem Auto vorbeigekommen und habe ihn in die Landeshauptstadt mitgenommen. „Der nächste Bus wäre zwar eine Stunde später gefahren, aber wer weiß, ob der dann kommt?“ 

Vom Mainzer Hauptbahnhof ging es mit dem Bus zum Bahnhof Mainz-Kastel und von dort weiter nach Frankfurt. Alles in allem 2,5 Stunden für den Hinweg zu seiner Arbeit bei Nestlé. „Mal gucken, was heute Abend fährt“, sagt der 59-Jährige lakonisch. Er arbeite zwar Gleitzeit. „Aber ich mache dann eben Minusstunden.“ Er hoffe sehr, dass sich mal was ändere, sagt Franco. „Ich habe mich ein paar Mal aufgeregt und beschwert, aber das nutzt ja nichts.“

„Ich lasse mich überraschen, ob der Zug kommt“

Alina will von Mainz-Kastel nur in die Wiesbadener Innenstadt zum Deutschunterricht. „Ich lasse mich überraschen, ob der Zug kommt.“ So sei es jeden Tag, erzählt die 50-Jährige aus Polen. Manchmal werde eine Verspätung angesagt und dann sei der Zug doch pünktlich, manchmal müsse sie gucken, zu welcher Haltestelle sie laufen müsse, um den nächsten Bus zu bekommen. „Die fallen aber auch manchmal aus.“ Ihre Lehrer sagten, sie solle pünktlich sein und kritisierten, wenn sie zu spät komme. Das Thema werde inzwischen auch im Unterricht behandelt. 

„Das Schlimmste ist die mangelnde Kommunikation“

„Es ist wahnsinnig zermürbend mit der Bahn zu pendeln, weil man keinerlei Sicherheit hat“, sagt ein 47 Jahre alter Koblenzer, der beim Landtag in Mainz arbeitet und seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will. An einem Tag habe er eine Stunde und 20 Minuten gebraucht, am nächsten für dieselbe Strecke zwei Stunden und 50 Minuten. „Es ist jeden Tag ein neues Abenteuer.“ 

Er könne in seinem Job schon im Zug auf dem Handy arbeiten und auch mal später bei der Arbeitsstelle ankommen. „Neulich war aber ein Mann im Zug, der nach langer Arbeitslosigkeit seinen ersten Arbeitstag hatte und nicht noch früher loskonnte, weil er die Kinder nicht schon um 6.00 Uhr in die Kita bringen kann.“ 

Nicht ausgeschilderte Schienenersatzfahrzeuge, Fehler in der App und unangekündigte Baustellen: „Das Schlimmste ist die mangelnde Kommunikation und die fehlende Koordination.“ Das Auto sei auf der Strecke Koblenz-Mainz keine Alternative, nicht nur wegen der Baustellen auf der Autobahn. „Wenn man nach Mainz reinfährt, steht man im Stau.“ 

Zum Wochenbeginn hat er es trotzdem genommen, weil diese Woche gar kein durchgehender Zug fährt. Dass diese Nachricht erst am Freitag gekommen sei „und man heute noch nicht sagen kann, wie es die kommenden drei Wochen weitergeht“, findet er bezeichnend. „So treibt man die Menschen aktiv ins Auto. Ich muss mich ja mittlerweile fürs Bahnpendeln belächeln lassen.“ 

„Es dauert aber auch doppelt so lange“

Die Strecke in die umgekehrte Richtung – Mainz-Koblenz – ist Patrick Kloster am Sonntag erst gefahren. „Da ist auch viel Schienenersatzverkehr. Auf der anderen Seite war dann sehr viel Verkehr“, sagt er zu der Möglichkeit, auf der anderen Rheinseite bis nach Koblenz zu kommen. Weil sie das gewusst hätten, seien sie mit dem Bus gefahren. „Das hat dann auch deutlich länger gedauert.“

Nun wartet er am Koblenzer Hauptbahnhof auf den Bus. Er will mit seiner Begleitung in die Therme nach Bad Ems. „Wir hatten das schon geguckt, vor ein paar Wochen und da stand noch, dass Züge fahren“, sagt er. „Und jetzt doch nicht mehr. Das ist natürlich ein bisschen ärgerlich.“ Stattdessen müssen sie Bus fahren. „Es dauert aber auch doppelt so lange.“

„Im Bus werde ich nicht arbeiten können“

Anna Gräter wartet ebenfalls am Bussteig. Eigentlich wollte sie auf dem Weg zur Tagung in München im Zug etwas arbeiten – eigentlich. Denn nun muss sie statt mit dem Zug mit dem Bus vom Koblenzer Hauptbahnhof nach Frankfurt, um von dort weiterzufahren. „Es nervt, weil ich wollte eigentlich arbeiten jetzt im Zug“, sagt sie. „Im Bus werde ich nicht arbeiten können. Mir fehlt jetzt eine Stunde.“

Auch die Fahrt dauert mit dem Bus deutlich länger als mit dem eigentlich gebuchten Zug. „Es ist nervig, weil es jetzt schon zum zweiten Mal passiert.“ Bereits vor zwei Wochen habe sie Probleme bei der Reise gehabt. „Aber ich hoffe, dass es an Sanierungsarbeiten liegt und es dann okay ist. Dass es jetzt nur noch gestört ist, weil es besser wird.“

Ob nach Frankfurt, Köln oder Limburg – von Koblenz aus geht es für viele an diesem Morgen nur mit dem Bus weiter. Vom Bahnhofsgebäude kommen immer wieder Menschen zu den Bushaltestellen gelaufen, schauen sich mit fragenden Blicken um. Ein Mitarbeiter spricht sie an, fragt, ob sie Hilfe brauchen und zeigt den richtigen Bussteig.

Mehrere Verbindungen eingeschränkt

Auf ausgedruckten Fahrplänen hängen die Informationen zum Schienenersatzverkehr. Zwei junge Frauen sind verwirrt, wollen nach Boppard, stehen aber vor dem Bus nach Köln. Die digitale Anzeige hilft nicht. Kurz vor der angegebenen Zeit kommt der Bus mit der richtigen Aufschrift doch.

Zurzeit sind in Rheinland-Pfalz mehrere Bahnverbindungen eingeschränkt oder fahren gar nicht – etwa die für die Rhein-Main-Region wichtigen S-Bahn-Linien 8 und 9 oder auch die Züge zwischen Koblenz und Mainz. Der Schienenersatzverkehr nach Limburg wurde erst am Wochenende verlängert.

„Wie eine Lotterie“

Ein Offenbacher, der in Mainz arbeitet, schaut vor jeder Bahnfahrt mehrfach in die App von Bahn und RMV, ob die Verbindung noch steht. Letztlich werde er aber dennoch immer wieder kurzfristig am Bahnsteig ausgebremst, weil ein kurz vorher noch angekündigter Zug doch ausfalle, berichtet der 47 Jahre alte Angestellte. Bei wichtigen Terminen setzt er deshalb notgedrungen auf dasAuto. „Das ist zwischen Offenbach und Mainz aber auch wie eine Lotterie.“ Die Fahrzeit für die knapp 50 Kilometer lange Strecke variiere sehr stark, könne bei 40 Minuten liegen, aber auch mal bei mehr als anderthalb Stunden einfach.

„Das ist in letzter Zeit alles erratisch“, sagt ein Archäologe, der von Mainz-Kastel nach Frankfurt zur Universität unterwegs ist. Er brauche durchaus mal eine halbe Stunde oder noch mehr zusätzlich, um zur Arbeit zu kommen. Neulich habe er wegen eines wichtigen Termins ein Taxi für die Strecke Mainz-Frankfurt nehmen müssen. Besonders schwierig sei in der Regel aber der Rückweg, da falle noch mehr aus. Während der Fahrt gebe es auch oft unterschiedliche Ansagen, bis wohin der Zug fahre. Manchmal stünden einige Hundert Menschen auf dem Gleis und hätten keinerlei Information, wie sie weiter kämen.

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