
Bea Ernman will mehr sein als die kleine Schwester von Greta Thunberg. Freizügig singt sie von Grenzen, Freiheit – und dem Wunsch, gesehen zu werden.
Bea Ernman steht auf einer kleinen Bühne in Stockholm. Sie trägt lange Glitzerohrringe, ein hautenges Leopardenkleid, ihre Stimme schmettert durch den Raum. Sie singt französische Chansons, eigene Songs – Texte, die davon handeln, wie Mädchen ihre Grenzen schützen müssen. Bea ist 19, Sängerin. Und sie ist die Schwester von Greta Thunberg. Eine Identität, die sie nicht betont, sondern loswerden will.
Thunberg. Der Name mobilisiert und polarisiert. Beata Thunberg hat ihn abgelegt wie ein zu eng gewordenes Kleid. Heute nennt sie sich Bea Ernman – nach ihrer Mutter, der Opernsängerin Malena Ernman. Doch es ist mehr als ein neuer Name. Es ist ein Versuch, sich zu befreien.
Bea Ernman sucht ihren eigenen Weg
Während Greta zuletzt auf einem Segelboot vor Gaza Schlagzeilen machte, schlägt Bea einen anderen Ton an: greller, doller, persönlicher.
Greta Thunberg: das Symbol der Entbehrung, die Zöpfe streng, der Blick ernst, die Worte wie Mahnungen an die Welt. Bea Ernman: platinblond gefärbte Haare, Netzstrümpfe, „Queen“-Brilli-Ohrringe. Ihre selbstgewählte Bühne: nicht für das Klima, sondern für das Ich.
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Bekannt wurde Bea schon als Kind. Mit 13 sang sie in einer schwedischen TV-Show, später stand sie mit ihrer Mutter im Musical „Forever Piaf“ auf der Bühne, verkörperte die junge Édith Piaf. Die Presse nannte sie damals ein „Riesentalent“.
Doch mit jedem Artikel und jedem Bericht, der Greta populärer machte, wurde Bea weiter reduziert auf die kleine Schwester. Die, die im Schatten stand, die Mobbing erlebte, ADHS hatte, die, von der wohl implizit erwartet wurde, dass sie mitzieht beim Kampf gegen die Klimakrise. Die Nachteile hatte sie sowieso mitzutragen: „Diejenige, die darunter leidet, ist meine Schwester“, sagte Greta einmal „The Sun“. Hassnachrichten, Drohungen – das bekam auch Bea ab. Einfach nur, weil sie Thunberg hieß.
„Meine Stimme entstand aus Schmerz“
Heute macht Bea klar: Das ist nicht ihr Kampf. Ihre Bühne ist die Musik, ihre Botschaft eine andere. Ihre Songs – teils auf Schwedisch, teils auf Französisch – handeln von Mädchen, die zu früh lernen müssen, was es heißt, sich zu wehren. Von Männern, die Grenzen überschreiten. Von einer Unterhaltungswelt, die Potenziale feiert, bis sie unbequem werden. Ihre Texte sind keine Parolen, sie sind Schreie. „Meine Stimme entstand aus Schmerz“, schrieb sie mal.
Ein Auftritt, der zeigen soll: Ich bin nicht die zweite Greta
Auf Instagram inszeniert sie sich selbstbewusst, mit pinkem Lippenstift und noch pinkerem Strass-Bikini. Ein Auftritt, der zeigen soll: Ich bin nicht angepasst, ich bin nicht leise. Hinweise auf Greta oder ihre politischen Aktionen sucht man vergebens. Bea konzentriert sich ganz auf ihre Musik und den Versuch, gesehen zu werden. Sie will sie sein, keine zweite Greta.
Greta Thunberg verkörpert Verzicht in Gummistiefeln, den Kampf gegen die große Katastrophe und zuletzt fragwürdige Palästina-Positionen. Bea Ernman propagiert Selbstbehauptung in Stilettos, die Abkehr vom Patriarchat. Während Greta längst zur globalen Projektionsfläche wurde, tritt Bea in kleinen Clubs ans Mikro, um von der Freiheit zu singen, die ihr Nachname ihr nie ließ.