Schwierige Lage für Musiker: Masse statt Klasse? Was KI für die Musikbranche bedeutet

  • Juni 13, 2025

Mit KI-Tools lassen sich schon heute ganze Songs per Knopfdruck erzeugen. Als Vorlage dienen echte Musikerinnen und Musiker – die dabei aber oft leer ausgehen. Welche Folgen hat das für die Künstler?

Songtext, Instrumente, Gesang: Musik, die auf Knopfdruck komplett vom Computer generiert wird, machen spezialisierte Anbieter bereits heute möglich. Das Problem: Den KI-Modellen dienen die Werke menschlicher Künstlerinnen und Künstler als Vorlage – ohne, dass diese dafür je ihr Einverständnis gegeben haben.

Beim Streamingdienst Deezer werden bereits jetzt 20.000 vollständig KI-generierte Songs am Tag eingereicht, wie der französische Anbieter im April mitteilte. Qualitativ könnten diese zwar nicht mit Menschen mithalten, sagt die deutsche Sängerin Levina der dpa. Das Problem ist laut der deutschen ESC-Teilnehmerin von 2007 jedoch die ganze Masse an Musik, aus der man auf Streamingdiensten hervorstechen muss. „Und wenn dann so viel davon noch mit KI überflutet ist, macht es das schwieriger“, sagt die Musikerin, die sich in ihrer Wahlheimat Großbritannien als Vorsitzende eines Rates von Musikerinnen und Musikern für deren Rechte einsetzt.

Keine Bezahlung für KI-Training – „Das ist einfach nicht gerecht“

Dabei würden die wenigsten Musikerinnen und Musiker den Einsatz grundsätzlich „verteufeln“, sagt Christopher Annen vom Musikerverband Pro Musik. KI könne etwa kreative Ansätze geben, die man später selbst nachspielen könne. Für Unbehagen sorge jedoch, dass ihre Songs von den Anbietern „genommen wurden, wo viel Herzblut reingesteckt wurde, wo persönliche Geschichten reingeflossen sind“, sagt der AnnenMayKantereit-Gitarrist. „Und damit hat eine Firma dann eine App entwickelt, mit der die Millionen und Milliarden Umsätze machen – das ist einfach nicht gerecht.“

Dass die Einnahmen ungleich verteilt sind, ist für die Musikerinnen und Musiker kein neues Problem. KI sei dabei nur ein „Brandbeschleuniger für ein längst loderndes Feuer“, sagt Matthias Hornschuh von der „Initiative Urheberrecht“. Auf den heute dominierenden Streamingdiensten würden der großen Mehrheit schon seit langer Zeit viele Einnahmen entgehen. Eine von der Bundesregierung geförderte Studie fasst dies auch in Zahlen: 75 Prozent aller Umsätze von Streamingdiensten entfielen demnach im Jahr 2023 auf nur 0,1 Prozent der Künstlerinnen und Künstler.

Die Verwertungsgesellschaft Gema befürchtet, dass KI das Problem noch weiter verschärften könnte. Sie vertritt nach eigenen Angaben die Urheberrechte von rund 95.000 Mitgliedern in der deutschen Musikbranche. Laut einer Studie der Gema und ihrem französischen Gegenstück Sacem vom Januar 2024 sind 27 Prozent der Einnahmen von Urhebern gefährdet – bis 2028 drohen in Deutschland und Frankreich damit Einbußen von mehr als 2,7 Milliarden Euro.

KI-Plagiate von Helene Fischer und „Mambo No. 5“?

Diese Einnahmen will die Gema nun auch vor Gericht erstreiten. Seit dem vergangenen Jahr geht die Gesellschaft bereits gegen den ChatGPT-Anbieter OpenAI vor. Im Januar reichte sie zudem eine Klage gegen das US-amerikanische Unternehmen Suno ein, mit dessen KI-Programm man echte Lieder fast originalgetreu nachgebaut habe. Das sei der Gema etwa mit bekannten Liedern wie „Atemlos durch die Nacht“ von Helene Fischer oder „Mambo No. 5“ von Lou Bega gelungen – aus Sicht der Gesellschaft ein klarer Beweis dafür, dass der Anbieter seine KI mit den Songs trainiert habe und damit gegen die Rechte der Urheber verstoße.

Gerade Songtexter und Komponisten seien stark auf die Gelder angewiesen, die die Gema ihnen auszahle, sagt Hornschuh. Die KI-Anbieter müssten daher ihrer Pflicht nachkommen und sie dafür bezahlen – was auch im Interesse der Unternehmen sei. Schließlich bräuchten diese ständig neue, von Menschen produzierte Musik, mit der sie ihre KI-Modelle füttern könnten, „weil sie nämlich längst alles leertrainiert haben, was da war“.

KI-Kennzeichnung gefordert

Einig sind sich die Musiker zudem darüber, dass es mehr Transparenz brauche. Auf Streamingdiensten müsse etwa angezeigt werden, welche Musik von einer KI stamme, fordert Levina. Generell bräuchten die Künstlerinnen und Künstler dazu mehr Offenheit bei der Bezahlung. „Niemand weiß genau, was da im Hintergrund alles passiert, und wie viel Geld an wen genau abgeht“, sagt sie. Daher sei es auch wichtig, dass Musikerinnen und Musiker sich weiter für ihre Rechte einsetzen – denn wenn man sich nur zurücklehne, „dann kann die Musikindustrie noch weiter in den Keller gehen“, sagt Levina.

Bei einer Sache könne KI aber auf jeden Fall nicht mithalten, findet Annen: Gefühle. Das Hören von Musik könne etwa dazu führen, „dass ich mich vielleicht weniger allein fühle, weil diese Emotion ein anderer Mensch auch durchgemacht hat“. Ein Lied, das komplett aus der Maschine kommt, könne diese Gefühle nicht erwecken, sagt Annen. „Die KI hatte keinen Liebeskummer.“

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