„Tatort: Rapunzel“: Der „Scheitel“ ist religiöser Haarersatz

  • Juni 15, 2025

Im „Tatort: Rapunzel“ geht es unter anderem um „Scheitel“ und „Haarbilder“. Was steckt dahinter?

Im neuen Schweiz-Krimi „Tatort: Rapunzel“ (15. Juni, 20:15 Uhr, das Erste) taucht irgendwann der Begriff „Scheitel“ auf. Was erstmal alltäglich klingt, hat in diesem Kontext eine besondere Bedeutung: Ein Scheitel bezeichnet eine koschere Perücke aus Echthaar, die verheiratete orthodoxe jüdische Frauen tragen.

Die „Jüdische Allgemeine“ beschreibt einen Wandel, der sich seit dem 18. Jahrhundert vollzog: Bis Ende des 17. Jahrhunderts bedeckten verheiratete jüdische Frauen ihre Haare hauptsächlich mit Tüchern. Als Perücken in Frankreich modern wurden, eroberten sie auch die jüdischen Gemeinden. Laut dem „Jüdischen Museum Berlin“ bedecken orthodoxe Frauen ihre Haare heute mit Scheitel, Tuch, Barett (einer Baskenmütze) oder Haarnetz.

Eine nicht ganz unumstrittene Tradition

Die „Jüdische Allgemeine“ berichtet über jahrhundertealte rabbinische Diskussionen zu diesem Thema Scheitel. Während manche Gelehrte das Tragen von Perücken befürworteten, äußerten andere Bedenken – sie fürchteten, künstliches Haar sei von echtem kaum zu unterscheiden und verfehle somit den eigentlichen Zweck.

Umstritten ist die Haarbedeckung aber auch, weil sie nicht nur als freiwilliger Ausdruck religiöser Identität und Verbundenheit mit der jüdischen Kultur interpretiert werden kann, sondern je nach Perspektive auch als Einschränkung der weiblichen Autonomie und Freiheit bis hin zur Unterdrückung der Frau. Denn „bei den Kopfbedeckungen geht es immer um den Blick der Männer“, die durch das Haar nicht „gereizt“ werden sollen, wie „Deutschlandfunk Kultur“ in einem Beitrag über „Kopfbedeckungen religiöser Frauen“ – orthodoxe Jüdinnen und Muslimas – zusammenfasst.

Kunst aus Menschenhaar

Im „Tatort: Rapunzel“ geht es außerdem um Kunst aus Menschenhaar, auch Totenbilder oder Haarbilder genannt. Das „Nidwaldner Museum“ am Vierwaldstättersee erklärt zu einer Haarbild-Ausstellung, die Kastenbilder mit Elementen aus Menschenhaar zeigt: Haarbilder waren im 19. und 20. Jahrhundert Teil des alltäglichen Lebens und „die bedeutendsten Symbole der Sepulkralkultur“. Letzterer Begriff bezeichnet die Kultur des Todes, des Sterbens, des Bestattens sowie des Trauerns.

Weiter heißt es zu der Ausstellung: Haarbilder seien „ein europäisches Kulturerbe zwischen Handwerk, Zauberei und Erinnerung“. Fachkundige Handwerker wie Haarflechter sowie Nonnen und Mönche fertigten Haarschmuck und Haarbilder an.

Viktorianischer Fashion-Trend

Das Anfertigen von Erinnerungsstücken aus dem Haar Verstorbener stammt laut „National Geographic“ aus dem viktorianischen Zeitalter, das unter Königin Victoria (1819-1901) eine ausgeprägte Erinnerungskultur entwickelte. Nach dem Tod ihres geliebten Ehemannes Prinz Albert (1819-1861) erschien sie bis zu ihrem Lebensende 40 Jahre später ausschließlich in schwarzer Witwentracht in der Öffentlichkeit.

Nach der viktorianischen Epoche kam die Tradition der Haararbeiten langsam wieder aus der Mode. Ein Grund könnte dem Magazin zufolge das Aufkommen der Bestattungsinstitute sein. Damit wurden „die Toten in den meisten Teilen Nordeuropas und der USA aus der heimischen Sphäre entfernt“. Aber auch neue Mode- und Einrichtungsstile sowie neue Hygienetheorien könnten weitere Gründe sein.

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