
Es geht um den klimagestressten Wald, den Umgang mit Wildtieren – auch mit dem Wolf – und um die Rolle der Jäger. Kaum ein politisches Vorhaben wird in Rheinland-Pfalz so kontrovers diskutiert.
Eine ganze Reihe an Bundesländern bastelt an der Jagdgesetzgebung. Überall zeigt sich, dass das viel Gegenwind bringt. In Bayern etwa rumort es deswegen in der dortigen Koalition, in Brandenburg scheiterte eine Novelle nach langen Querelen. In Rheinland-Pfalz möchte das grün geführte Umweltministerium mit einem solchen Vorhaben bald ins Ziel kommen, zumindest was die Verabschiedung eines neuen Gesetzes angeht. In Kraft treten wird es frühestens zum Beginn des Jagdjahres 2027.
Worum geht es genau?
Der Gesetzentwurf für Rheinland-Pfalz, an dem seit mittlerweile rund vier Jahren gearbeitet wird und der mehrfach überarbeitet wurde, hat den Schutz des unter dem Klimawandel leidenden Waldes als Ziel. Das Umweltministerium umschreibt es so: „Er soll den Baumnachwuchs und die Artenvielfalt des Waldes sichern und damit gute Bedingungen für Wald und Wild schaffen.“
Es geht also auch darum, wie mit Wild umgegangen wird. Rot-, Dam- oder Muffelwild kann junge Bäume verbeißen. Weil natürliche Feinde fehlen, vermehren sich Bestände in manchen Regionen stark – zu stark, wie manche sagen. Dann stellt sich die Frage, wie viele Wildtiere in der Regel von Jägerinnen und Jägern in dem jeweiligen Gebiet geschossen werden, wie Vorgaben dafür gemacht und wie sie gegebenenfalls durchgesetzt werden können.
Das betrifft Rechte und Pflichten von Grundstückseigentümern oder Jagdpächtern sowie Eingriffsrechte für Behörden, die an mehreren Stellen neu justiert werden sollen. Das Umweltministerium will gemeinsam mit dem neuen Jagdgesetz die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht voranbringen. Auch das ist ein emotional diskutiertes Thema. Hier kommen Weidetierhalter ins Spiel, die Risse durch Wölfe fürchten. Es ist eine komplizierte Gemengelage, die erklärt, warum sich das Vorhaben so hinzieht.
Wie sehen Naturschützer die Novelle?
Sie sehen diese grundsätzlich positiv. Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes (Nabu) Deutschland, sagte im Umweltausschuss des Landtages in Mainz, es brauche viel Naturverjüngung, weil der Wald unter den Folgen des Klimawandels leide. Hier gehe der Entwurf einen guten Weg.
„Es geht nicht um die Ausrottung des Wildes“, betonte Krüger. Vielmehr brauche es eine angemessene Steuerung von Populationen, zeitweise müsse der Jagddruck erhöht werden. Dass bei Problemen Waldbesitzer Pachtverträge mit Jägern künftig außerordentlich fristlos kündigen könnten, sei positiv.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnte im Vorfeld der Ausschusssitzung davor, den Gesetzentwurf nicht weiter zu verwässern. „Ein überhöhter Schalenwildbestand verhindert in vielen Regionen die natürliche Waldverjüngung und erschwert die Entwicklung naturnaher Mischwälder erheblich“, betonte die Landesvorsitzende Sabine Yacoub.
Und was sagen die Jäger?
Der Landesjagdverband Rheinland-Pfalz lehnt die Novelle ab, fordert eine erneute fachliche und juristische Prüfung. Auf der Internetseite des Verbandes, der für den 25. Juni zu einer Demonstration in Mainz aufgerufen hat, wird etwa vor einer „Abschusserhöhung durch Behördenwillkür und Verwaltungszwang“ gewarnt. Die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht sei nur halbherzig geplant. Es sei zu befürchten, dass Jägerinnen und Jäger zum „Sündenbock“ würden.
Verbandspräsident Dieter Mahr sagte im Umweltausschusses, es sei unstreitig, dass es künftig einen klimastabilen Wald brauche. „Aber der Weg dahin ist die Frage.“ Er spricht von einem „Waldbegünstigungsgesetz“, das bewährte Verwaltungswege in den Regionen auflösen würde.
Der Landesverband der Berufsjäger Rheinland-Pfalz/Saarland moniert in einer Resolution unter anderem, forstwirtschaftliche Interessen würden über das Wildtier gestellt. Außerdem werde die Jagdverwaltung zentralistisch neu geordnet. Deutlich positiver bewertet der Ökologische Jagdverband (ÖJV) den Entwurf. „Wir sind zufrieden, auch wenn wir nicht in allen einzelnen Punkten zustimmen“, heißt es von dort. Der ÖJV wirft dem Landesjagdverband vor, sich den veränderten Bedingungen in Natur und Gesellschaft zu verweigern.
Wem gehört der Wald und was meinen die Besitzer?
Der größte Waldbesitzer in Rheinland-Pfalz sind die Kommunen, sie kommen auf einen Anteil von fast 46 Prozent. Ein Viertel des Waldes ist im Besitz des Landes, 1,6 Prozent gehören dem Bund. Mehr als 27 Prozent sind Privatwald. Hier ist die Besitzerstruktur sehr kleinteilig, in mehr als der Hälfte der Fälle geht es um privaten Waldbesitz von höchstens 20 Hektar Wald.
Christian Keimer, Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Rheinland-Pfalz, sagte im Ausschuss: „Es gibt – so viel ist klar – kein Weiter-so.“ Es brauche einen Waldumbau und neue Leitbilder für den Umgang mit Wildtierbeständen. Verbiss komme mancherorts einer Vollbremsung für die Naturverjüngung gleich. Nach seiner Auffassung verbessert das neue Gesetz die Rahmenbedingungen, ein Scheitern wäre ein „Schlag für uns“, sagte Keimer.
Für Albert Jung vom Gemeinde- und Städtebund ist es wichtig, dass das neue Gesetz endlich kommt. Der Kommunalverband begrüßt, dass die Rechte von Grundstückseigentümern gestärkt werden sollen. Ihnen soll unter bestimmten Umständen auch ermöglicht werden, mitzujagen.
Und wie ist es mit dem Wolf?
Auch hier gehen die Meinungen auseinander. Der Nabu sieht die Aufnahme der Art ins Jagdrecht kritisch und hält den Schritt, den auch Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) lange nicht gehen wollte, für nicht zielführend. Das verringere Verluste bei Nutztieren nicht, es bleibe ja beim hohen Schutzstatus.
Jung vom Gemeinde- und Städtebund findet die Aufnahme ins Jagdrecht angesichts der Bestandsentwicklung konsequent. Für den Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau sprach sich Vizepräsident Stefan Fiedler für eine rechtssichere und unbürokratisch mögliche Bejagung des Wolfs aus.
Wie geht es weiter?
Am kommenden Mittwoch (25. Juni) wird der Umweltausschuss die Anhörung der Experten auswerten. Je nach Verlauf könnte der Gesetzentwurf dann Anfang Juli im Landtag zur Abstimmung gebracht werden.