
Erpressung bis zum Suizid: Der Fall „White Tiger“ schockiert das Land. Das Bundeskriminalamt gibt Empfehlungen, worauf Eltern achten sollten, wenn ihre Kinder online sind.
Der Fall verstört selbst erfahrene Ermittler: Ein 20 Jahre alter Mann aus Hamburg, der sich „White Tiger“ nannte, soll einen 13 Jahren alten US-Amerikaner über das Internet in den Suizid getrieben haben. Der mutmaßliche Pädokriminelle soll darüber hinaus Kopf einer Gruppe sein, die mehrere Kinder virtuell missbraucht haben soll. Dem mutmaßlichen Täter werden mehr als 120 Straftaten vorgeworfen.
Ein Fall, der über Cybergrooming, wie man es bisher kannte, weit hinausgeht. Das Bundeskriminalamt hat Informationen für Eltern und Angehörige zusammengestellt, mit denen Kinder und Jugendliche geschützt werden sollen, wenn sie online sind. Hier die wichtigsten Punkte für Eltern, Lehrer, Ärzte und andere Vertrauenspersonen im Überblick:
Cybergrooming: Was ist das?
Darunter versteht man die gezielte Anbahnung von sexuellen Kontakten mit Kindern und Jugendlichen im Internet. Ein Straftatbestand, der in Deutschland mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet wird. Das BKA führt aus: „Die Täter geben sich in Chats oder Online-Communitys gegenüber Kindern oder Jugendlichen als ungefähr gleichaltrig aus oder stellen sich als verständnisvolle Erwachsene mit ähnlichen Erfahrungen und Interessen dar. So gewinnen sie das Vertrauen ihrer Opfer mit dem Ziel, sie zu manipulieren. In vielen Fällen bringen sie die Kinder dazu, ihnen freizügige Selbstporträts zu senden. Die Fotos werden dann teilweise als Druckmittel gegen die Minderjährigen eingesetzt, um sie zu weiteren Handlungen zu bewegen.“
Was sind Anzeichen für Cybergrooming?
Diese Zeichen sprechen laut BKA dafür, dass es sich um Cybergrooming handeln könnte:
„Ein Chatpartner will unbedingt privat schreibenEr setzt Opfer unter Druck, fordert intime BilderEr lockt mit Geschenken oder GeldAlles soll geheim bleibenEr drängt auf ein persönliches Treffen mit dem Ziel, sein Opfer zu missbrauchen“
Warum geht der Fall „White Tiger“ über Cybergrooming weit hinaus?
Die Straftaten, die dem mutmaßlichen Täter vorgeworfen werden, sind besonders schwer: unter anderem Mord, versuchter Mord und sexueller Missbrauch von Kindern. Die Gruppe soll zahlreiche Kinder über das Internet virtuell missbraucht haben. Der Haupttäter soll die Opfer zu selbstverletzendem Verhalten ermuntert und einen 13 Jahre alten Amerikaner in den Suizid getrieben haben.
Was passiert generell in diesen gefährlichen Online-Gruppen?
Laut BKA werden in gewaltverherrlichenden Online-Gruppen über soziale Netzwerke, Messenger-Dienste oder Online-Spiele Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufgenommen – vor allem werden „sensible Kinder im Alter zwischen acht bis 17 Jahren angesprochen, die bereits psychisch auffällig sind und/oder gesellschaftlichen Minderheiten angehören“.
Wozu werden die Opfer gedrängt?
Es geht nach Angaben des Bundeskriminalamtes darum:
sich selbst zu verletzen oder Suizid zu begehensich den Namen der Täter oder Gruppe in die Haut zu ritzenerniedrigende oder sexuelle Handlungen vorzunehmen – auch im LivestreamStraftaten wie Tierquälerei, Sachbeschädigung oder Körperverletzung zu begehenbelastende Inhalte zu produzieren, die dann zur Erpressung genutzt werden
Was ist das Ziel der Täter?
Laut BKA geht es den Tätern vor allem um Macht und darum, „innerhalb der Community Anerkennung zu erlangen“. Finanzielle Aspekte seien weniger wichtig.
Woran könnten Eltern erkennen, dass ihr Kind Opfer solcher Gruppen geworden ist?
Das BKA nennt verschiedene Punkte, die nicht alle zusammen auftreten müssen. Auch bei einzelnen Warnzeichen sollten Eltern und Angehörige aufmerksam werden und das Gespräch suchen. Auch Lehrer, Ärzte oder andere Vertrauenspersonen sollten wachsam sein bei:
plötzlichem sozialen Rückzug, Launenhaftigkeit oder Nervositätveränderten Ess- und Schlafgewohnheitenübermäßigen Online-Zeiten, insbesondere nachtsunerklärlichen (kostspieligen) Geschenken oder neuen, unbekannten Online-Kontaktenfrischen Verletzungen oder eingeritzten Symbolenauffälliger Beschäftigung mit extremen Inhalten oder GewaltfantasienTieren im Haushalt, die sich plötzlich anders verhalten oder zu Schaden gekommen seien
Was können Eltern ganz konkret tun?
Das Bundeskriminalamt empfiehlt:
„Interesse an den Online-Aktivitäten des Kindes“ zu zeigeneine „offene, wertfreie Kommunikation auch zu belastenden Themen“ zu fördernbei Auffälligkeiten ärztliche oder psychologische Unterstützung hinzuzuziehenbei einem Verdacht die Polizei einzuschalten
Was tun, wenn das Kind tatsächlich betroffen ist?
Das Bundeskriminalamt verdeutlicht: „Niemand, der in solche Strukturen gerät, trägt Schuld daran. Entscheidend ist, Hilfe zu suchen – und sie anzubieten, wenn man Warnzeichen erkennt“. Konkret empfiehlt das BKA:
„Beenden Sie den Kontakt zur verdächtigen Person oder Gruppe.Fertigen Sie Screenshots an (Chats, Profile, Inhalte).Blockieren und melden Sie den betreffenden Account.Wenden Sie sich an eine Vertrauensperson – Familie, Schule, Beratungsstellen.Erstatten Sie Anzeige bei der Polizei.Gehen Sie auf keine weiteren Forderungen ein.“