„Daddy Issues“: 15 Minuten Tinder: Warum Dating als alleinerziehender Vater so schwer ist

  • Juni 20, 2025

Sebastian Tigges versucht sich nach der Trennung am Dating. Nach nur wenigen Minuten auf Tinder ist Schluss. Über die Hilflosigkeit eines Vaters in der Dating-Welt.

Ich habe mich bei Tinder angemeldet. 

Und nach fünfzehn Minuten wieder abgemeldet. Ich hätte es wissen können, wissen müssen. Schließlich habe ich bereits vor zehn Jahren – als ich zuletzt dort aktiv war – keine wirklich schönen Erfahrungen gesammelt. 

Und in den vergangenen Jahren, in denen ich mich selbst nicht damit beschäftigt habe, habe ich auch nichts Gutes darüber gehört oder gelesen. Die wenigen Menschen in meinem Umfeld, die sich damit hin und wieder beschäftigten, habe ich offen gestanden bemitleidet.

So schlimm kann es nicht sein, oder? 

Na komm schon, so schlimm kann es ja nicht sein, so dachte ich, trotz allem. Ich bin wieder Single, ich muss es mir wenigstens mal ansehen, die Zehenspitzen ins Wasser tunken, um zu schauen, ob es noch warm ist. Überdies hatte ich einen schwachen Moment. 

Eine unerfreuliche Konversation bei WhatsApp und da hatte es sich eingeschlichen: Das Gefühl, die Trennung „gewinnen“ zu wollen. Das ist natürlich infantiler Quatsch. Ich bin nicht stolz darauf, diese Gedanken gehabt zu haben. So habe ich mir die App heruntergeladen, ein paar Bilder eingestellt und losgelegt. Für exakt 15 Minuten bin ich mit einer Zeitmaschine in mein Jahr 2015 zurück und habe Bilder von Frauen nach links oder rechts geswiped. Es war unerträglich und hat keineswegs zu einer Verbesserung meiner Stimmung geführt. 

Dating hat Sebastian Tigges nie große Freude bereitet

Ganz abgesehen von der diskutierbaren Frage, ob Dating-Apps (und Tinder im Speziellen?) eine hervorstechende menschliche Errungenschaft darstellen, führte mir diese Viertelstunde vor Augen, was ich bis dahin nicht in Gänze begriffen hatte: Die Trennung bedeutet nicht nur, dass ich von nun an getrennt erziehe, getrennt in den Urlaub fahre, getrennt wirtschafte, getrennt wohne, getrennt träume. Sie bedeutet auch, dass ich wieder tun muss, was mir nie große Freude bereitet hat: daten. 

Es gibt einige Aspekte, die ich nicht vermisst habe, noch nie, als ich mich in langjährigen Beziehungen befand. Mehr oder weniger regelmäßig wechselnde fremde Menschen zu treffen, um zu erörtern, ob diese Treffen zu mehr oder weniger führen könnten als zwei Tassen Kaffee, gehört dazu und steht recht weit oben auf der Liste, direkt gefolgt von One Night Stands und Schwiegereltern in spe zum ersten Mal Treffen. 

Ebenfalls absehen will ich von der denkbaren Problematik, die sich ergeben könnte, sollte ich eine Person kennenlernen und diese wäre – aus unerklärlichen Gründen – nicht komplett begeistert von der Tatsache, dass ich zwei Kinder aus einer früheren Partnerschaft habe (und nicht zwingend vom Gedanken angetrieben bin, diesen (Halb-)Geschwister zu präsentieren). Aber im Vergleich zu den anderen ist das für mich ein Problem von morgen. 

Viel präsenter: Ich glaube schlichtweg nicht, dass ich dazu in der Lage bin zu daten. Ich bin schlichtweg ungeeignet, völlig unbeholfen beinahe. Ich habe das Flirten verlernt, sofern ich es denn jemals beherrschte. Fast acht Jahre monogame Beziehung bedeuten in meinem Fall auch fast ein Jahrzehnt keine Notwendigkeit, bei anderen Personen einen romantisch gelagerten Eindruck zu schinden. 

Daher auch die Verlockung Tinder: Jemanden nach einem Match anzuschreiben, kostet mitunter deutlich weniger Überwindung als einen Menschen analog anzusprechen und dabei auch noch eine halbwegs respektable Figur zu machen. Soweit, so banal.

Wann ist man wieder bereit, sich neu zu verlieben?

Deutlich weniger banal ist die Frage, wann man nach einer langen Beziehung wieder bereit ist, sich neu zu verlieben. Es existieren dazu ja tendenziell wilde Theorien, beispielsweise soll die „Trauerphase“ etwa halb so lang sein, wie die Beziehung anhielt. Ich persönlich glaube, dass das nicht zutrifft und es am Ende vom Glück abhängt, ob und wie und wann man wieder eine Person trifft, die zu einem passt. Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, dass dies nur dann geschehen kann, wenn man innerlich bereit dazu ist, aus welchen Gründen auch immer – sei es Ablenkung, Sehnsucht oder der Wille und die Bereitschaft, nach vorne zu schauen. 

Ich erhalte zunehmend eindeutige Nachrichten bei Instagram. Frauen (und wenige Männer), die mich fragen, ob ich bereit sei für was Neues. Die mich nach einem Date fragen. Die mir aus ihrem Urlaub schreiben, dass sie an mich denken und für mich da seien könnten, wenn ich jemanden zum Reden brauche. 

Das Gute daran ist: Die Verfasser dieser Nachrichten müssen um meine Situation wissen – getrennt erziehender Vater von zwei kleinen Kindern – und scheinen sich daran nicht zu stören. Ich müsste also nichts erklären. Andererseits habe ich doch erhebliche Zweifel, ob das der richtige Weg ist. Ich habe grundsätzlich Vorbehalte gegen die Anbahnung romantischer Beziehungen im Internet, merke ich. Ganz abgesehen davon, dass es sich für mich nicht richtig anfühlt, mein Instagram-Profil um die Funktion als Dating-Ressource zu erweitern.

Ich bewege mich auf nicht sicheren Beinen

Auch abseits der digitalen Dating-Welt bewege ich mich nicht auf sicheren Beinen. Neulich habe ich eine Mutter von zwei kleinen Kindern in einem Café kennengelernt. Sie war ebenfalls frisch getrennt und wir sind ins Gespräch gekommen. Es stellte sich heraus, dass sie mich kannte. Ich habe sie nach einem kurzen Plausch gefragt, ob sie Lust hätte, sich bei Gelegenheit mal auszutauschen bei einem Kaffee, da ich nicht viele Menschen kenne, die sich in einer ähnlichen Situation wie meiner befinden. Nebenbei fand ich sie zugegebenermaßen attraktiv. 

Ich wollte nicht einfach plump nach ihrer Nummer fragen, das war mir zu nah dran an einer Avance und diesen Eindruck wollte ich vermeiden und ich wusste auch selbst nicht, ob ich so weit gehen wollte. Nicht, weil ich nicht interessiert war, sondern weil ich unsicher bin, was in einer solchen Situation adäquat ist und was nicht. Daher hatte ich eine ganz besonders einfallsreiche Lösung: Statt Nummern auszutauschen, habe ich vorgeschlagen, dass sie mich bei Insta anschreibt. Hat sie nie getan. Was bedauerlich ist einerseits. Andererseits ist es auch erleichternd, denn so gerate ich nicht in eine Situation, die mich ohnehin aktuell überfordern würde. 

Ich bin jetzt seit fast einem halben Jahr getrennt, ich habe also angesichts von acht Jahren Beziehung noch dreieinhalb Jahre Trauerzeit – irgendwie doch eine schöne Theorie.

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