Fußball-Bundesliga: HSV nach Präsidentenwahl: Ein Ex-Ultra an der Spitze

  • Juni 22, 2025

Der HSV geht schuldenfrei in die Bundesliga-Saison. Und ein ehemaliger Ultra führt den HSV als Präsident an. In welche Richtung führt Henrik Köncke den Club?

Henrik Köncke wollte vor der Wahl zum Präsidenten des Hamburger SV nichts dem Zufall überlassen. Seine Rede vor den anwesenden Mitgliedern des norddeutschen Fußball-Traditionsvereins musste sitzen. „Mein treuester Begleiter die letzten Tage war mein Spiegel zu Hause“, berichtete der 34-Jährige über seine Vorbereitungen vor der knapp neunstündigen Mitgliederversammlung. 

Der frühere Ultra-Fan und Mitglied des Aufsichtsrats gewann die Wahl trotz der rhetorisch starken Gegner mit einem klaren Vorsprung. Der Mann, der für das Logistikunternehmen Hapag-Lloyd arbeitet, setzte sich mit 65,71 Prozent der Stimmen vor seinen Mitbewerbern durch. Zur Wahl als Nachfolger von Marcell Jansen standen neben Köncke noch der Ehrenratsvorsitzende Kai Esselsgroth (29,06 Prozent) und der Unternehmer Frank Ockens (5,22 Prozent).

„Ich blicke voller Zuversicht und Freude auf jeden Fall auf die Zusammenarbeit und freue mich auf die nächsten Jahre“, sagte Köncke dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). 

Wohin führt der Ex-Ultra den Club?

Seine Wahl knapp anderthalb Monate nach dem Aufstieg der Profis in die Bundesliga folgt gewissermaßen einem Mini-Trend in einigen Clubs. Bei Hertha BSC wurde einst der mittlerweile verstorbene Kay Bernstein als Ex-Ultra Präsident. In Rostock steht in Sebastian Eggert ein früherer Ultra an der Spitze des Aufsichtsrats. 

Dass nun die Ultras beim HSV die Macht übernehmen, schloss Köncke aus. Das sei auch in den vergangenen zweieinhalb Jahren „nicht der Fall“ gewesen, als er im Aufsichtsrat tätig war. „Da ist schon rübergekommen, dass ich Brücken bauen kann. Dass ich Menschen verbinden kann“, sagte Köncke, der unter anderem den HSV in der Stadt sichtbarer machen und den Club modernisieren will. 

Bei sommerlichen Temperaturen fanden sich allerdings nur wenige der 127.000 Mitglieder des Clubs im Tempel des HSV ein. Knapp 1.200 Stimmberechtigte – etwa ein Prozent – beteiligten sich wenige Tage vor dem Trainingsauftakt des Bundesliga-Aufsteigers am 2. Juli an der Wahl zum Präsidenten.

HSV mit einer „neuen Identität“ in die Bundesliga

Die wenigen HSV-Mitglieder hörten allerdings aus erster Quelle positive Nachrichten von AG-Finanzvorstand Eric Huwer. Der 41-Jährige verkündete den Fans: „Die Netto-Finanzverbindlichkeiten betragen zum Ende dieses Geschäftsjahres null. Zum ersten Mal in der mir bekannten dokumentierten Geschichte ist der HSV damit schuldenfrei.“

Trotz Corona-Pandemie, des Abstiegs 2018 in die 2. Liga und Personalrochaden in den vergangenen sieben bis acht Jahren habe der Club Netto-Finanzverbindlichkeiten von 75 Millionen Euro abgebaut. „Das ist ein Wendepunkt. Aber das ist noch viel mehr, das ist ein Versprechen. Der neue HSV gehört sich wieder selbst und startet in der Bundesliga mit einer ganz neuen Identität“, sagte Huwer. 

Die vorzeitige Rückführung des Stadion-Darlehens vor zwei Jahren sei ein großer Baustein beim Schuldenabbau gewesen. „Das bedeutet nicht, dass wir nie wieder ein Darlehen aufnehmen wollen. Aber wir haben uns jetzt so lange den Hintern aufgerissen, um diese Schuldenfreiheit zu erreichen. Dementsprechend kämpfen wir darum, dass wir die Themen in der eigenen Familie gelöst bekommen“, sagte Huwer.

Genossenschaftsmodell geplant

Dem Club winken zudem weitere Einnahmen. Die Mitglieder machten den Weg frei für das geplante Genossenschaftsmodell. Durch den sogenannten Supporters Trust sollen bis zu 100 Millionen Euro in drei Jahren generiert werden. Der Plan ist, dass Fans im dritten, spätestens im vierten Quartal Anteile zeichnen können. Im Vergleich zum Modell des Stadtrivalen FC St. Pauli sollen aber nicht Anteile am Stadion, sondern am Verein erworben werden. Zudem sollen sich voraussichtlich nur Mitglieder beteiligen können. Präsident Köncke beteiligte sich an der vorausgegangenen Arbeitsgruppe und sieht im Modell eine „sehr, sehr gute Lösung“. 

Köncke wird den Supporters Trust mit seiner neuen Vizepräsidentin Laura Ludwig eng verfolgen. Die Beachvolleyball-Olympiasiegerin wurde als alleinige Kandidatin mit etwas mehr als 90 Prozent zur Vizepräsidentin gewählt, nachdem Anna Stöcken ihre Kandidatur auf der Bühne zurückgezogen hatte. Aufsichtsratschef Michael Papenfuß wurde mit 68,17 Prozent vor Ralph Hartmann (31,83) im Amt als Vizepräsident und Schatzmeister bestätigt. 

Magath-Unterstützer in der Minderheit

Die Nichtzulassung von Vereinsidol Felix Magath als Präsidentschaftskandidat nach der Entscheidung des Beirats sorgte schon lange vor der Wahl für Kritik. Nach Ansicht des Gremiums soll Magath weniger am Breitensport des Muttervereins und mehr an den Geschicken im ausgegliederten Profifußball-Bereich interessiert gewesen sein. Ex-Profi Richard Golz, der als Vize unter Magath antreten wollte, hatte seine Kandidatur zurückgezogen und die Entscheidung des Gremiums kritisiert.

Vereinzelt wurde die Entscheidung des Beirats bei der Versammlung kritisiert. Ein Fan bezeichnete die Nicht-Berücksichtigung von Magath etwa als „nicht demokratisch“, es gab auch weitere kritische Beiträge. Der Beifall fiel allerdings eher verhalten aus. Auch der deswegen diskutierte Dringlichkeitsantrag zur Aussetzung der Wahl blieb wirkungslos. Die erforderliche Drei-Viertel-Mehrheit, um den Antrag überhaupt zuzulassen, scheiterte klar. Nur 8,49 Prozent der Mitglieder stimmten dafür.

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