
Eine 38-Jährige in Hamburg wird mit Messerstichen in den Hals getötet. Ihr Ehemann ist wegen Mordes angeklagt. Er beschuldigt sie, das gemeinsame Kind mit Drogen in Lebensgefahr gebracht zu haben.
Nach drei Messerstichen in den Hals liegt eine stark blutende Frau in der geöffneten Fahrstuhltür eines Hamburger Mehrfamilienhauses. „Sie hat am Anfang noch gelebt, wir hatten noch Augenkontakt, man sah von Minute zu Minute, wie das Leben aus ihr schwand.“ So beschreibt eine Polizistin als Zeugin vor dem Landgericht den Moment, als sie am Abend des 2. Januar 2025 am Tatort im Stadtteil Groß Borstel eintraf. In dem Prozess ist der 38 Jahre alte Ehemann des Opfers wegen heimtückischen Mordes angeklagt.
23 Zentimeter lange Messerklinge
In der Anklage hieß es, er habe seiner gleichaltrigen Frau zunächst mit einem Faustschlag die Nase gebrochen. Anschließend habe er sie gewürgt, vermutlich mit einem Textilband. Der 38-Jährigen gelang die Flucht aus der gemeinsamen Wohnung ins Treppenhaus. Der Ehemann holte sie jedoch im Fahrstuhl ein. Dort habe er ihr mit einem großen Küchenmesser, Klingenlänge 23 Zentimeter, einmal in die linke und zweimal in die rechte Halsseite gestochen. Die Verletzte konnte noch ein Stockwerk tiefer fahren, brach dort aber zusammen.
Nachbarn hören Schreie
Nach Polizeiangaben wurden Nachbarn durch Schreie auf das Geschehen aufmerksam und riefen Polizei und Rettungskräfte. Ihre Kollegen hätten Erste Hilfe geleistet, sie habe den Polizeieinsatz koordiniert, sagte die 33 Jahre alte Beamtin vor Gericht. „Man hat sich so hilflos gefühlt, man kann gar nicht so viel machen.“ Im Fahrstuhl habe in einer Blutlache ein Messer gelegen.
Ehemann flüchtet mit Kind
Unmittelbar nach der Tat war der Mann mit dem gemeinsamen dreijährigen Sohn aus dem Haus geflohen, während seine sterbende Frau den Fahrstuhl blockierte und den Flur im unteren Stockwerk versperrte. Im Rahmen einer Fahndung nahm die Polizei den Deutsch-Amerikaner wenig später vor der Wohnung seiner Mutter im Stadtteil Winterhude fest. Das unverletzte Kind wurde zur Begutachtung vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht.
Angeklagter arbeitete viel und nahm Drogen
Der Angeklagte räumte das Tatgeschehen in einer Erklärung ein, die sein Verteidiger verlas. Demnach nahmen beide Eheleute häufig Drogen. Er habe für eine Firma der „New Economy“ in der Vertriebsbranche gearbeitet. Das Motto der Firma habe gelautet: „Work hard, play hard.“ Er habe 70 bis 100 Stunden die Woche gearbeitet und dabei Alkohol und Drogen konsumiert. „Shots und Kokain gehörten zur Firmenkultur“, hieß es in der Erklärung des Angeklagten.
Streit um Au-pair-Mädchen
Auch seine Frau habe Drogen und Medikamente genommen. Sie habe unter einer Borderline-Störung gelitten. Eigentlich hatte sie mit ihm nur drei Jahre zusammenbleiben wollen, doch dann sei sie schwanger geworden. Die Krisen in ihrer Ehe hätten sich gehäuft, einmal habe sie sich das Leben nehmen wollen. Nach dem Umzug in eine größere Wohnung hätten sie ein Au-pair-Mädchen beschäftigt. Doch es habe sich nicht um das Kind kümmern dürfen. Seine Frau sei eifersüchtig geworden. Er habe dem Au-pair gekündigt.
„Ich bin pazifistisch erzogen worden“
Immer öfter sei seine Frau gewalttätig geworden, habe Porzellan durch die Wohnung geworfen, Handys und elektronische Geräte zerstört und den Strom abgestellt, wenn er im Homeoffice arbeitete. Er habe sich nicht wehren können. „Ich bin pazifistisch erzogen worden“, erklärte der 38-Jährige.
Silvester 2024/25 hätten sie gemeinsam mit mehreren Paaren bei Freunden gefeiert. Nach der Feier habe er Kapseln mit Drogen vermisst, sie aber nicht wiedergefunden. Am 2. Januar arbeitete er den Angaben zufolge im Homeoffice, um ein aufwendiges Projekt in den USA vorzubereiten. Er habe sich zurückgezogen, doch sie habe wieder den Strom abgestellt und gedroht, seinen bevorstehenden Flug zu stornieren.
Drogentest beim Kind gemacht
Plötzlich habe seine Frau gesagt, dem Sohn gehe es nicht gut. Er habe nach dem Kind geschaut. Der Junge habe auf dem Sofa herumgesprungen, bei einer Körpertemperatur von 39 Grad und einem Puls von 130. Er habe einen Drogentest bei dem Dreijährigen gemacht, mit positivem Ergebnis. „Ich konnte es nicht glauben“, erklärte der Angeklagte weiter. Er habe Rettungskräfte alarmiert, weil er annahm, das Kind sei in Lebensgefahr. Dann habe er seine Frau mit Kokain-Kapseln in der Hand gesehen.
„Ich wollte sie nur beruhigen“
Er habe ein Messer aus der Küche geholt. Damit habe er seine Frau nicht verletzen wollen. „Ich wollte sie nur beruhigen. Das hatte schon mal funktioniert“, hieß es in der Erklärung des Angeklagten weiter. Er habe sie aus der Wohnung geschubst. Im Gerangel im Treppenhaus habe sie auf seine rechte Hand geschlagen, in der er das Messer hielt. „Auf einmal steckte das Messer in ihrer rechten Schulter, ich weiß nicht wie.“ Er habe seinen Sohn in Sicherheit bringen wollen und habe sich von einem Nachbarn zu seiner Mutter fahren lassen. Er habe ihr gesagt, dass seine Frau dem Kind Kokain gegeben habe.
Angeklagter telefonierte mit Polizei
Dann habe er selbst die Polizei angerufen und gesagt, dass er sich stellen wolle. Die Kriminalbeamtin, die den Anruf entgegennahm, sagte als Zeugin: „Es war ein ruhiges und sachliches Gespräch.“ Auf die Frage, wo das Kind sei, habe er erklärt, den Sohn habe er zu seiner eigenen Mutter gebracht, weil die Mutter des Kindes den Dreijährigen vergiften wollte.
„Ich habe sie sehr geliebt, habe sie niemals verletzten, geschweige denn töten wollen“, beteuerte der Angeklagte in seiner Erklärung. Er habe nur seinen Sohn retten wollen. Zum Prozessauftakt trug er einen goldenen Ring am Finger, nach Angaben seines Verteidigers den Ehering. Die Strafkammer hat neun weitere Verhandlungstermine bis zum 3. September angesetzt.