morgen|stern: Trump handelt endlich wie ein Präsident – die Lage am Morgen

  • Juni 23, 2025

Trump überrascht durch Amtswürde. Warum zu frischer Fisch den Appetit verdirbt. Und was sonst heute noch wichtig wird. 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich kann es kaum fassen. Zum ersten Mal verhält sich Donald Trump, wie man es von einem Anführer erwarten darf.

Bisher fürchtete sich der gelernte Dealmacher vor dem Absoluten, traf Entscheidungen ausschließlich bei maximaler Manövrierfähigkeit. Zollhammer, Tiktok-Verbot, Militärhilfen für die Ukraine: immer zwei Schritte vor, mit Option auf mindestens einen Schritt zurück. 

„Fire and retreat“ heißt das im Militärjargon. Nicht so der Entschluss, in den Krieg gegen den Iran einzutreten. Selten war Trump so mutig. Ein Warmduscher springt ins kalte Wasser. Ob die Entscheidung richtig war, wird sich zeigen. Fest steht aber bereits jetzt: Sie war der Position eines US-Präsidenten würdig. 

Schon in der kurzen Erklärung gegenüber dem amerikanischen Volk gab sich Trump – bis auf einige markenkernige Aussetzer – ungewohnt staatsmännisch. Keine Spur von der üblichen Arroganz. Stattdessen: fast schon nüchterne Entschlossenheit. Seine Drohungen? Perfekt austariert, Fakten statt Galle. Seine Argumentation? Schlüssig. Und noch eine Rarität: Trump hat Recht. „Es kann so nicht weitergehen.“

Denn das würde es.

Israel, vielmehr Machtmann Netanjahu, kann nicht einknicken, schon um der eigenen Zukunft willen. Nicht jetzt, wo er ihn nach dem PR-Desaster Gaza doch endlich gefunden hat, den Gegner, auf dessen Bösartigkeit sich alle einigen können. Und der Hass der Mullahs glüht zu heiß, als dass Vernunft eine relevante Rolle in deren Entscheidungsfindung spielte. 

Netanjahu lockte Trump, der doch geschworen hatte, die USA in keinen neuen Krieg zu führen, mit der Aussicht auf einen Platz in den Geschichtsbüchern. Nach nichts sehnt sich Trump mehr. Außer vielleicht nach dem Rausch der Macht. Und selbst für einen US-Präsidenten ist der vermutlich nie erfahrbarer als in dem Moment, in dem auf seinen Befehl der Tod vom Himmel regnet. 

Doch die Beweggründe, ob eitel oder edel, sind in der aktuellen Situation ohnhehin zweitrangig. Richtige Entscheidungen können auch aus den falschen Gründen getroffen werden. Trotz des Abscheus, den ein Krieg in jedem auch nur halbwegs moralisch geeichten Beobachter zwangsläufig auslösen muss, lautet die schlichte Wahrheit: Die Gelegenheit ist zu gut, um sie verstreichen zu lassen. Die iranische Luftabwehr ist harm-, die Militärführung kopflos.

Nun betritt Trump ein ihm unbekanntes, gefährliches Terrain, ein fremdes Land jenseits des Point of No Return. Keine Zeit für Heimweh. Er muss den nächsten Schritt wagen, muss das tun, was er bisher (ob aus Verachtung oder Pragmatismus) versäumt hat und den Kongress formell um seinen Segen bitten. Die USA haben diesen Krieg nicht begonnen. Sie können ihn aber beenden. 

Wir halten Sie in unserem Liveblog weiterhin auf dem Laufenden:

 

Merz’ Machtillusion

Was am Wochenende passiert ist, zeigt eines ganz deutlich: die Machtlosigkeit Europas. Während die USA die Karten im Nahen Osten neu mischen, beugen sie sich in Brüssel und Berlin noch ahnungslos über die Spielanleitung. 

Die berechtigte Hoffnung, Deutschland könnte unter Friedrich Merz wieder ein ernstzunehmender Teil im Spiel der Throne werden, hat auf jeden Fall einen herben Dämpfer bekommen. Über dessen bittere Erkenntnisse sprechen meine Berliner Kollegen Veit Medick und Jan Rosenkranz im neuen „5-Minuten-Talk“:

Brasiliens Horror-Hype

Ich erspare Ihnen und mir einen krampfhaften Übergang vom Krieg zum Kuriosen. Also:

Ich finde Puppen nur mittelmäßig gruselig. Wobei, die Vorstellung, in einem schummrigen, türlosen Raum gefangen zu sein, von dessen Regalwänden mich Dutzende lid-, aber irgendwie nicht ganz leblose Porzellanaugen verfolgen, triggert in mir einen ähnlich intensiven Fluchtreflex wie ihn vermutlich sonst nur JD Vance auf einer Pride-Parade verspürt. 

Da bin ich glatt froh, dass ich gerade nicht in Brasilien bin. Da entkommt dieser Tage nämlich niemand diesen Humanattrappen. Babypuppen sind dort dieser Tage allgegenwärtig: auf der Straße, im Fernsehen – und natürlich in den sozialen Medien, wo Influencer die Dinger baden, einkleiden, sogar deren „Geburt“ nachstellen.

Tiktok Puppen Brasilien

Endgültig absurd wurde es Anfang des Monats, als ein Mann einem vier Monate alten Kind auf den Kopf schlug, weil er es mit einer dieser Menschenattrappen verwechselte. Dem britischen „Guardian“ zufolge gibt es inzwischen 30 Gesetzesentwürfe, die diese hyperrealistischen „Reborn“-Puppen aus dem Alltag bannen sollen. Obwohl die Debatte wohl von der politischen Rechten künstlich aufgeblasen wurde.

Wie auch immer. Vielleicht sollte die brasilianische Regierung stattdessen einen Gegentrend anstoßen und Diddl-Blätter subventionieren. Wobei eine erhöhte Papiernachfrage dem letzten bisschen Regenwald vermutlich den Rest gäbe. Ich denke nochmal darauf rum.

Was heute sonst noch ansteht

Heute ist der Tag der Industrie. Zumindest sagt das der Bundesverband der Deutschen, Sie ahnen es, Industrie. Branchenriesen klagen hier einmal im Jahr öffentlichkeitswirksam ihr Leid. Diesmal geht es um die hohen Energiepreise und den Handelskrieg mit den USA. Kanzler Merz und sein Vize Klingbeil hören zu und sprechen selbstNach zwölf Jahren endet die Amtszeit von IOC-Präsident Thomas Bach. Neue Chefin des Internationalen Olympischen Komitees wird die frühere Weltklasse-Schwimmerin Kirsty Coventry. Ein doppeltes Debüt: Die 41-jährige Simbabwerin ist nicht nur die erste Frau, sondern auch die erste Afrikanerin auf dem PostenIm niederländischen Den Haag sind sie schon ganz aufgeregt. Zurecht. Schließlich treffen heute die ersten Gäste zum zweitägigen Nato-Gipfel ein, der morgen offiziell startet. Rund 40 Staats- und Regierungschef werden erwartet – auch Donald Trump

Die fernöstliche Weisheit des Tages

Ich esse gerne und viel Fisch. Und ganz ehrlich: Das tat mir bisher mehr um die Umwelt, als um die Tiere leid. Bis Samstag.

Wenn es zappelt, ist’s zu frisch

Da bin ich nämlich mit dem Bullettrain ins schlappe 450 Kilometer von Seoul entfernte Busan gedüst. In zweieinhalb Stunden – nimm das, Deutsche Bahn!

Umgehauen hat mich das im Vergleich zur Hauptstadt übersichtliche 3,5-Millionen-Hafenstädtchen nicht. Bis auf den Jagalchi-Fischmarkt. Im Erdgeschoss dieser überdimensionierte Verkaufsstätte von den Ausmaßen einer Messehalle bieten Aberdutzende Händler in roten und gelben Gummischürzen so ziemlich die gesamte Bandbreite der Sieben Ozeane feil: Riesige Schneekrabben, glibschige Seegurken, Aale und Kraken, Muscheln von teils absurder Größe und natürlich Schuppiges aller Form und Farbe.

Frischer wird’s nicht: Jagalchi ist der görßte Fischmarkt in Südkorea
© Yannik Schüller

Der Clou: Es riecht hier nicht nach Fisch, sondern nach Aquarium. Der Großteil der „Ware“ ist nämlich deutlich frischer als es mir lieb ist. Soll heißen: lebt. Das heißt auch: Wer essen will, muss töten lassen. Etwas annähernd sättigend-großes kaputtkloppen, um ihn mir eine Etage höher auf den Teller packen zu lassen, habe ich zu meiner eigenen Verwunderung nicht übers Herz gebracht. Am Ende musste ein Tintenfisch dran glauben, der lebensmüde immer und immer wieder gegen dieselbe Stelle seines Plexiglasgefängnisses angeschwommen ist. Da konnte ich mir immerhin Erlöserambitionen andichten. 

Die ganze Geschichte schreibe ich Ihnen die Tage einmal ausführlicher auf. Aber erstmal wünsche ich Ihnen einen großartigen Tag – annyeonghi gyeseyo!

Ihr 

Yannik Schüller

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