
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des rechtsextremen „Compact“-Magazin aufgehoben. Diese richtige Entscheidung betrifft auch ein mögliches Verfahren gegen die AfD.
In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit. Und so lässt sich das „Compact„-Magazin getrost als widerliches Hetzblatt bezeichnen. Es hetzt gegen Ausländer, Juden und sonstige Minderheiten, gegen Parteien und Politiker und selbstverständlich gegen andere Medien.
Dennoch darf das Magazin einschließlich seiner zahlreichen Nebenportale und -geschäfte weitermachen. Das Verbot, das die damalige SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser vor etwa einem Jahr ausgesprochen hatte, wurde am Montag endgültig aufgehoben.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht bloß rechtlich plausibel. Sie ist auch eine gute Nachricht für die Presse- und Meinungsfreiheit in diesem Land. Und sie ist eine Lehre für jene, die allzu forsch auf ein Verbotsverfahren gegen die AfD drängen.
Zum Urteil: Das Gericht erklärte, dass der Staat grundsätzlich das Vereinsrecht auch für Medienunternehmen anwenden kann. Ein Verbot bedeute keine „Vorzensur“. Dies lässt sich durchaus als Erfolg für das Bundesinnenministerium werten.
Aber das höchste deutsche Verwaltungsgericht entschied eben auch, dass ein Verbot die im Grundgesetz festgeschriebene Meinungs- und Pressefreiheit nicht unterlaufen dürfe. Und diese Freiheit werde „selbst den Feinden der Freiheit“ garantiert.
Daher, urteilten die Richter, sei ein Verbot nur dann verhältnismäßig, „wenn sich die verfassungswidrigen Aktivitäten für die Vereinigung als prägend“ erwiesen. Dies aber lasse sich bei „Compact“ „in der Gesamtwürdigung“ nicht feststellen. Denn auch migrationsfeindliche Aussagen, Verschwörungstheorien oder geschichtsrevisionistische Betrachtungen genössen den Schutz des Grundgesetzes.
Damit bestätigt das Bundesverwaltungsgericht nicht nur seine Eilentscheidung vom vergangenen Jahr, sondern auch die laufende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Auch wenn das Urteil nicht explizit die Freiheit der Presse stärkt, zumal es den Verbotsweg über das Vereinsrecht bestätigt, so bekräftigen die Richter dieses existenzielle Grundrecht.
Der Umstand, dass diese Entscheidung ausgerechnet durch ein rechtsextremes Medienunternehmen provoziert wurde, besitzt seine ganz eigene Ironie. Man muss nur nach Ungarn schauen, um zu sehen, wie die Pressefreiheit von einer zunehmend autoritären und illiberalen Regierung eingeschränkt wird. Und Ungarn ist wiederum das erklärte Vorbild der AfD – die wiederum „Compact“ mehr als nur nahesteht.
„Compact“-Chef sieht sich als Retter der AfD
Überhaupt, die AfD. „Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer jubelte: „Wenn es unmöglich ist, Compact zu verbieten, ist es auch nicht möglich, die AfD zu verbieten, der ja dasselbe vorgeworfen wird wie uns.“
Das ist gleich doppelt falsch. Erstens urteilte ja das Bundesverwaltungsgericht, dass ein Medium durchaus über das Vereinsrecht verboten werden könne, nur eben im Fall von „Compact“ die Belege der Verfassungsfeindlichkeit nicht ausreichten. Und zweitens ist ein Parteiverbotsverfahren eine rechtlich andere und deutlich größere Baustelle.
Was aber stimmt: Das „Compact“-Verfahren betrifft zumindest indirekt die aktuelle AfD-Verbotsdebatte. Das Bundesinnenministerium ging bei dem Magazin gegen einen vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistischen“ Verein vor. Begründete wurde das Verbot mit einer Sammlung radikaler und hetzerischer Aussagen, aber auch damit, dass das Magazin ein ethnisches Volksverständnis verbreite, also eine Unterscheidung zwischen angestammten Deutschen und angeblichen „Passdeutschen“ treffe.
Zumindest diese Parallelen zu einem potenziellen Verbotsverfahren gegen die AfD sind offenkundig. Sie sollten nicht ignoriert werden – genauso wenig die Verkaufserfolge, die „Compact“ dank der staatlich generierten Aufmerksamkeit feiert. Nie besaß Elsässer mehr Reichweite, um gegen Minderheiten und den Staat zu agitieren. Das traurige Resümee des gescheiterten Verbots lautet deshalb: Es hat die Rechtsextremisten nicht schwächer, sondern stärker gemacht.