
Die zweite Staffel der Netflix-Doku über die Dallas Cowboys Cheerleader erzählt von Emanzipation und dem Preis, den man für absolute Anpassung zahlt.
Die Hot Pants: so kurz wie möglich. Die Bluse: natürlich bauchfrei. Dazu die knappe Weste mit den Fransen und aufgenähten Sternen, plus Cowboystiefel. Fertig ist der berühmte Look der Dallas Cowboys Cheerleader. Seitdem sich eine Netflix-Doku im vergangenen Jahr mit den DCC beschäftigt hat, stieg deren Popularität rasant an. Auf TikTok und Co. wurde die ikonische „Thunderstruck“-Choreo tausendfach nachgetanzt. Jetzt sind sie zurück auf Netflix, mit einer zweiten Staffel, die deutlich düsterer und weniger stringent als die erste ausfällt.
Erneut folgt die Show zunächst dem harten Auswahlprozess um es ins Team der Cheerleader zu schaffen. DCC-Chefin Kelli Finglass und Chef-Choreografin Judy Trammell scheinen dieses Mal auf ein etwas positiveres Image bedacht, doch ihre Umarmungen und Tränen können nicht über das toxische Umfeld hinwegtäuschen. „Sie hat… Schultern“, urteilt Kelli etwa vielsagend über eine muskulöse Kandidatin.
Die Dallas Cowboys Cheerleader sollen nicht Grübeln
„You’re too much in head!“ – „Du denkst zu viel nach!“ ist ein weiteres von vielen perfiden Urteilen, die Kelli und Co. gern fällen. Zu viel Grübeln mag vielleicht hinderlich sein beim Tanzen, Loslassen – aber eben auch dann, wenn man sich ohne Widerrede in die vorgegebene Form verbiegen soll. Wie sehr es auf die mentale Gesundheit schlagen kann, wenn Gefühle und die eigene Meinung weggedrückt werden und rund um die Uhr Perfektion erwartet wird, wird am Beispiel der Vortänzerin Chandi deutlich.
Sie endet im Burnout, nachdem sie sich bis zur Selbstaufgabe für die DCC aufgerieben hat. Kein Wunder, dass die jungen Frauen bloß nicht auf Ideen kommen sollen. Doch dafür ist es – natürlich – längst zu spät. Nach Staffel eins war die Empörung weltweit groß, dass vom Milliardengeschäft der NFL nur ein Hungerlohn an die Cheerleader geht, die sich fast alle mit mehreren Jobs parallel zum DCC-Job über Wasser halten müssen.
Prompt wollen die Tänzerinnen den Aufstand proben, manche mehr, manche weniger zögerlich. „Ich würde diesen Ort gern in einem besseren Zustand verlassen, als ich ihn vorgefunden habe“, erklärt Cheerleaderin Armani etwa. „Die Welt hat uns gesagt: Mädels, kämpft für mehr! Und wir dachten: Na gut!“, meint Kylie. Am Ende springt für die Tänzerinnen tatsächlich eine Lohnerhöhung von 400 Prozent raus, ein Sieg der Emanzipation, der trotz allem schal wirkt.
Ich hatte es schwer, also müsst ihr es auch schwer haben!
Denn für eine Organisation, die permanent eine lebenslange Schwesternschaft beschwört, gibt es erstaunlich wenig Solidarität von oben. Als Tänzerin Amanda tränenüberströmt fragt, ob es ihr jemand übel nimmt, dass sie sich für bessere Bezahlung eingesetzt hat, argumentiert Judy ernsthaft: „Aber eure Jobs sind es doch, die euch so beeindruckend machen!“ Sie habe das damals schließlich auch so machen müssen. Es sind kleine, reaktionäre und unfeministische Gängeleien wie diese, die das Leben der Cheerleader unnötig hart machen. Ein weiteres Beispiel ist, dass die Tänzerinnen nur eine passende Uniform bekommen. Wir sehen etwa Reece, eine der Stars aus der ersten Staffel, wie sie abends totmüde mit einer Zahnbürste das weiße Höschen von Hand schrubbt.
Trotzdem kommen die Cowboys, wie das NFL-Team und die Organisation dahinter oft nur genannt werden, insgesamt ungeschoren davon. Fast scheint es, als haben sie ein Machtwort gesprochen nach der öffentlichen Kritik aufgrund der ersten Staffel. Mag sein, dass deshalb dieses Mal Vieles zu schwammig bleibt oder nur angerissen wird. Dass jemand aus dem Team die Streikpläne der Frauen an die Geschäftsführung geleakt haben soll, etwa. Oder warum genau Chandi erst suspendiert, dann wieder aufgenommen wurde – und ihre Vertretung gehen musste.
Dafür wertet Regisseur Greg Whiteley in Staffel zwei etwas mehr im Schnitt. Besonders unangenehm anzusehen ist ein Moment bei der Anprobe der Cheerleader-Uniformen. Whiteley lässt Kandidatin Dayton erst erzählen, dass sie Probleme mit ihrem Körperbild hatte, auch, weil sie unbedingt bei den Cowboys angenommen werden wollte. Dann sehen wir sie, wie sie vermessen und ihr Körper bewertet wird. „Fühlt sich dein Gewicht leicht und angenehm an?“, fragt Finglass sie. Und die Schneiderinnen loben sie dafür, dass sie in eine kleinere Hose reinpasst. „Sie ist fast wie Victoria, nachdem sie abgenommen hatte“, kommentiert eine leichthin. Und Victoria, das wissen alle, die Staffel 1 gesehen haben, ist schlussendlich durch den psychischen Druck und das strenge Körperideal in eine Essstörung und Depression abgerutscht.
Überraschenderweise ist sie es, die der Staffel die fehlende Leichtigkeit verleiht: Wir sehen sie ein neues Leben beginnen, als Tänzerin in New York, emanzipiert von ihrer Familie und den DCC. Die weiß-blaue Uniform, sie muss dafür nicht mehr passen.
„Ein amerikanischer Traum: Dallas Cowboys Cheerleader“, Staffel 2, läuft auf Netflix