
Etwas mehr als die Hälfte der befragten Hessinnen und Hessen zweifelt an der Demokratie in Deutschland. Für Hessen sehen die Werte anders aus. Warum?
Knapp mehr als die Hälfte der Hessinnen und Hessen glauben laut einer Studie, dass die Demokratie in Deutschland nicht oder eher weniger funktioniert. Bezogen nur auf das Heimatland Hessen ist lediglich ein gutes Drittel dieser Ansicht. Das geht aus einer Studie zur Demokratieförderung hervor, die die hessische Landesregierung in Auftrag gegeben hat. Das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap hat dazu vom 3. bis 16. April 1.502 wahlberechtigte Hessinnen und Hessen befragt.
Der Chef der Staatskanzlei in Wiesbaden, Benedikt Kuhn (CDU), erinnerte an das geplante Landesgesetz zur Förderung von Demokratie. Am kommenden Mittwoch (2. Juli) berate der zuständige Kabinettsausschuss mit Dimap-Geschäftsführer Simon Schlinkert darüber. „Unser Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat diesen Aufbau von neuem Vertrauen in die Demokratie zu einem Schwerpunkt dieser Wahlperiode erklärt“, betonte Kuhn.
Experte: Mehr Vertrauen in Bürgermeister als in Bundesregierung
Infratest Dimap hob das „Differenzierungsvermögen der Bevölkerung“ hervor: „Offenbar wird der Zustand Hessens und der hessischen Politik im Vergleich zur bundespolitischen Perspektive anders und wesentlich positiver diagnostiziert.“ In Hessen regiert seit eineinhalb Jahren Schwarz-Rot.
Dimap-Chef Schlinkert sagte mit Blick auf die Befragten, je näher ihnen politisch Verantwortliche wie etwa Bürgermeister seien, desto höher sei ihr Vertrauen, je weiter weg wie beispielsweise die Bundesregierung, desto niedriger. Allerdings sei bei der Erhebung der Studie im April auch noch die frühere Ampelregierung in Berlin im Amt gewesen – Schwarz-Rot im Bund stehe in Umfragen vorerst besser da.
„Pessimistisches Stimmungsbild in der Bundesrepublik“
Mit Blick auf ganz Deutschland und weitere frühere Studien in Bund und Ländern erklärte Dimap gleichwohl, dass die negativen Bewertungen in der Hessen-Befragung „typisch sind für ein schon länger anhaltendes pessimistisches Stimmungsbild in der Bundesrepublik“.
Die neue Studie für Hessen zeige auch: „Die Demokratiekritik ist eher eine Haltung von Menschen mit geringerem Einkommen, des ländlichen und kleinstädtischen Raumes und vor allem der mittleren Generationen.“
Studie: Polizei führt Vertrauensranking an
Weiter erklärte Dimap zur Hessen-Studie: „Polizei und Menschen in der Region führen das Vertrauensranking an, die Bundesregierung sowie die Medien stehen am Ende der Vertrauensskala.“
Und: „Die Befragten sehen mehrheitlich Menschen aufgrund Herkunft und Hautfarbe als diskriminiert an, bei Alter, Geschlecht und Religion sieht die Mehrheit keine Diskriminierung.“
Staatskanzleichef: Pragmatische Politik gegen Politikverdrossenheit
Staatskanzleichef Kuhn erklärte, Hessens „bürgernahe, pragmatische Politik“ mit ihrer Nähe und verständlichen Kommunikation wirke Politikverdrossenheit und einer drohenden Entfremdung zwischen Staat und Bevölkerung entgegen.
Die Studie zeige aber auch: 86 Prozent der Befragten seien besorgt, dass sich die öffentliche Ordnung zersetze, und 77 Prozent glaubten, dass der Staat in Bürokratie ersticke. Kuhn betonte: „Mehr Sicherheit und weniger Bürokratie müssen unsere Kernanliegen bleiben, um das Vertrauen der Menschen in Staat und Politik zu stärken.“