
Weil er eine Touristin und ihr vierjähriges Kind in Berlin-Mitte überfahren hat, ist ein 84-jähriger Autofahrer zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Das Amtsgericht Tiergarten sprach ihn am Freitag unter anderem der fahrlässigen Tötung schuldig. Der Angeklagte habe sich hinter das Steuer gesetzt, obwohl er schwer herzkrank war, sagte Richterin Franziska Bauersfeld bei der Urteilsbegründung. „Sie haben durch Ihr Fehlverhalten eine Familie zerstört.“
Der Rentner hatte im März vergangenen Jahres an einer Ampel wartende Autos mit fast 90 Stundenkilometern auf dem Radweg überholt und dabei die 41-Jährige und ihren in einem Buggy sitzenden Sohn erfasst. Beide erlagen ihren schweren Verletzungen. Vor Gericht gab der Angeklagte an, sich an den Unfall nicht mehr erinnern zu können. Seine Verteidigung plädierte auf Schuldunfähigkeit. Er sei im Moment des Unfalls nicht steuerungsfähig gewesen und habe womöglich unter einer sogenannten dissoziativen Störung, das sind Erinnerungsstörungen, gelitten.
Das sah das Gericht anders. Sie gehe davon aus, dass der Angeklagte kurz vor dem Unfall einen Herzanfall erlitten habe, sagte Bauersfeld. Dies habe dazu geführt, dass er beschleunigte und mit hoher Geschwindigkeit auf das Stauende zufuhr. Als er wieder zu sich gekommen sei, sei er auf den Radweg ausgewichen, sagte die Richterin. Dort erfasste er die Mutter und ihren Sohn, die gerade die Straße überquerten.
Die Frau war mit ihrem Kind und dessen Vater, ihrem Lebensgefährten, sowie ihrer Schwester aus Belgien zu Besuch in Berlin. Sie wollten zusammen die Straße überqueren. Während der Mann und die Schwester den Gehweg auf der anderen Straßenseite schon erreicht hatten, befand sich die Mutter mit dem Buggy noch auf der Straße, als sich das Auto des Angeklagten näherte.
Der Lebensgefährte und die Schwester traten in dem Prozess als Nebenkläger auf, ebenso ein Tierarzt, dessen Auto von dem Angeklagten angefahren wurde.
Der eigentliche Schuldvorwurf bestehe darin, dass der Angeklagte überhaupt gefahren sei, obwohl er erhebliche körperliche Mängel hatte, die ihm bekannt waren, betonte die Richterin. Er habe gewusst, dass es jederzeit zu lebensbedrohlichen Herzaussetzern kommen könne. Einen empfohlenen Herzschrittmacher habe er nicht einsetzen wollen.
„Wir werfen Ihnen nicht vor, dass Sie sich nicht durchrringen konnten, einen Herzschrittmacher einzusetzen“, sagte die Richterin an den Angeklagten gewandt. „Aber wir werfen Ihnen vor, dass Sie sich ins Auto gesetzt und damit diese Tragödie verursacht haben.“ Die Schwester und der Mann des Opfers seien für ihr Leben gezeichnet, er sei arbeits- und zur Zeit auch lebensunfähig. „Das Leid ist unermesslich.“