
Jeff Bezos und Lauren Sánchez kapern das ohnehin schon überfüllte Venedig und empfangen ihre Gäste aus aller Welt. Am Ende können einem vor allem die Venezianer nur leidtun.
Wer jemals in Venedig war und nicht das Privileg genießen konnte, mit einem der vielen schicken (und teuren) Wassertaxis durch die Kanäle geschippert zu werden, weiß, dass die italienische Lagunenstadt unter den Touristenmassen ächzt. Kleine, wunderschöne Gassen sind über Jahre zu Trampelpfaden verkommen, auf denen man sich kaum noch vorwärtsbewegen kann. Hotels sind ausgebucht und teuer. Viele Venezianer leben vom Tourismus und dennoch leiden sie unter den Folgen, die der immense Boom der vergangenen Jahre mit sich gebracht hat. Billigflieger und Pauschalangebote haben die Situation in und um Venedig nicht verbessert. Eine Saison gibt es in der Traummetropole faktisch nicht mehr. Die Touristen kommen immer.
Jeff Bezos und Lauren Sánchez kapern Venedig
Dieser Tage erleben die Venezianer ein Schaulaufen des Who’s who aus Showbusiness und Wirtschaft in ihrer Stadt. Denn Amazon-Chef Jeff Bezos und seine Verlobte, die ehemalige Moderatorin Lauren Sánchez, haben sich entschieden, die Stadt zu kapern und dort ihre Hochzeit zu feiern. Ja, sie haben bereits angekündigt, viel Geld an Venedig spenden zu wollen. An das venezianische Büro der Unesco, eine Million an das Konsortium, das sich um das ökologische Gleichgewicht der Lagune kümmert, sowie eine weitere Zuwendung an die Internationale Universität von Venedig, in der Lösungen für mehr Nachhaltigkeit erforscht werden. Geschenke wollen sie von ihren etwa 200 Gästen nicht haben. Vielleicht möchten sie damit den Effekt abmildern, den die knapp 100 Privatjets auf die Umwelt haben werden, mit denen ihre Gäste nach Italien reisen. Oder etwa die Benzinladungen der zahlreichen Luxusyachten, die in der Regel größer sind als ein durchschnittliches venezianisches Haus und im Hafen der Lagunenstadt auffallen wie überdimensionierte Fremdkörper.
Dass Bezos und Sánchez viel Kohle haben und sich eine Hochzeit im geschätzten Wert von 40 bis 50 Millionen Dollar mal eben leisten können – geschenkt. Sollen sie ihr Geld doch für eine riesige Party ausgeben.
Geschmacklose Partys und Einladungen
Konzentrieren wir uns lieber auf die wahnsinnige Geschmacklosigkeit der ganzen Veranstaltung. Angefangen haben die beiden auf Bezos‘ Yacht Koru am Wochenende vor der Küste Kroatiens mit einer Schaumparty. Y2K-Mode ist im Trend, klar, aber wer hat seit Anfang der 2000er zuletzt auf einer Schaumparty gefeiert? Auch ihre Einladungskarten sehen ein wenig aus, als hätten Bezos und Sánchez sie an einem alten Windows-95-Rechner mit Paint und Word gebastelt, nachdem sie bereits zwei Flaschen Wein intus hatten. Nun gut, vielleicht waren die 40 bis 50 Millionen Dollar anderweitig verplant.
Als seien sie Royals, ließen sich die beiden am Donnerstagabend zur ersten Party ihrer Vermählung schippern, winkten den anderen Touris in ihren Sandalen und mit ihren weißen Lichtschutzfaktor-50-Gesichtern zu und lächelten generös. Ein paar Küsschen gab es für die umstehenden Schaulustigen dann auch noch.
In den vergangenen Jahren war der Minimalismus-Trend auf dem Vormarsch. Die Hochzeitsindustrie besann sich mehr und mehr zurück auf den eigentlichen Sinn einer Vermählung. Wohnungen und Häuser wurden so schlicht und minimalistisch eingerichtet wie eben möglich. Der „Clean Beauty“-Trend gab vor, so wenig Make-up im Gesicht zu haben wie nötig. „Quiet Luxury“, also die Vorgabe, sich zurückhaltend (und trotzdem teuer) zu kleiden, war in aller Munde. All das scheint spätestens mit Bezos‘ und Sánchez‘ Venedig-Extravaganza ein Ende zu haben. Es lebe der Maximalismus, bitte nicht kleckern, wenn man doch auch klotzen kann.
Am Ende bleibt jedoch die Frage: Hätten Bezos und Sánchez ihre Sause nicht auch irgendwo in den USA feiern können? Napa Valley ist doch beliebt bei Heiratenden. Oder die Hamptons vor New York. In Trumps Mar-a-Lago hätte man sicher auch ein paar Zimmer freiräumen können für das verliebte Paar. Die Venezianer können einem bei all dem Spektakel nur leidtun. Um des „Overtourism“ Herr zu werden, führte die Lagunenstadt ein Touri-Eintrittsgeld ein, das in diesem Jahr auf zehn Euro erhöht wurde. Aber was sollen die Einwohner vor Ort machen, wenn einer der reichsten Männer der Welt und personifizierte „Ugly American“ sich in den Kopf gesetzt hat, dort seine zweite Hochzeit zu feiern? Leider wenig, außer zu protestieren. Eine Protestgruppe hatte im Vorfeld geplant, die venezianischen Kanäle mit aufblasbaren Krokodilen zu dekorieren, jetzt aber doch von der Idee abgesehen. Irgendwie schade!