
Eine Beziehung mit einem Narzissten ist oft weitaus traumatischer, als man vermutet, und kann beim Opfer sogar langfristige Folgen für zukünftige Partnerschaften hinterlassen.
Der Artikel stammt aus dem stern-Archiv und erschien erstmalig im Oktober 2022.
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung, ein Begriff, der oft allzu leichtfertig im Alltag verwendet wird, kann für einen Partner in einer Beziehung weitaus gefährlicher sein, als es auf den ersten Blick erscheint. Narzissten treten anfangs meist sehr charmant, liebenswürdig und vor allem faszinierend auf. Häufig handelt es sich um intelligente Menschen, die durch ihre mitreißende Art ihr Umfeld schnell für sich gewinnen. Doch dieser positive erste Eindruck verflüchtigt sich, sobald sie beginnen, ihr Gegenüber zu manipulieren und zu brechen.
Ein Narzisst sucht sich in der Regel einen Partner, der ebenfalls Stärke ausstrahlt. Wer schon beim ersten Kennenlernen unterlegen wirkt, stellt für ihn keine Herausforderung dar. Die eigentliche „Challenge“ für einen Narzissten in einer Beziehung besteht darin, einen starken Partner gefügig zu machen oder sogar zu brechen. Professor Udo Rauchfleisch, Experte für Klinische Psychologie und Psychotherapeut, sprach im Interview mit dem Portal „Business Insider“ über die langfristigen Schäden, die ehemalige Partner von Narzissten davontragen können – Schäden, die sich oft auch auf spätere Beziehungen auswirken.
Beziehung mit einem Narzissten oft erst „magisch“
Nach der anfänglichen Phase einer Beziehung mit einem Menschen, der an dieser Persönlichkeitsstörung leidet, schlägt die Stimmung oft schnell um: Was zunächst „magisch“ und „perfekt“ erscheint, wandelt sich bald in Manipulation, Unterdrückung und die Entwertung der eigenen Person. Narzissten verstehen es meisterhaft, ihrem Partner für jedes eigene Fehlverhalten die Schuld zuzuschieben, bis dieser das Gefühl hat, ständig auf Eierschalen laufen zu müssen.
Zu den typischen Eigenschaften des Narzissmus zählen Empathielosigkeit, Egomanie und Arroganz. Diese führen dazu, dass Narzissten selbst dann nicht aufhören können, ihren Partner durch Schuldzuweisungen und Manipulation zu quälen, wenn dieser bereits sichtbar leidet. Sie machen so lange weiter, bis der andere völlig am Boden ist und um Vergebung fleht und bettelt. „Dass man hilflos und verzweifelt wird und am Ende vielleicht denkt, dass man die Schuld am Verhalten des Partners trägt, ist ganz klar, wenn man permanent entwertet und manipuliert wird“, erklärt Rauchfleisch die Folge der Manipulation.
Doch auch wenn der Partner gebrochen ist, finden die meisten Narzissten damit keinen Frieden. Das „Opfer“ verliert in diesem Moment seinen Herausforderungs-Charakter, der den Narzissten so reizt. Bettelt und bittet der Partner eines Narzissten, wird er oft uninteressant und häufig mit Liebesentzug und Ignoranz bestraft. Professor Rauchfleisch sagt dazu: „Bei der narzisstischen Störung geht es um eine Selbstwertstörung. Es geht immer darum, wer stärker und wer schwächer ist. Die Person rettet ihren Selbstwert dadurch, dass sie andere unterdrückt und sich selbst überhöht.“
Beziehung kann Langzeitfolgen haben
„Es heißt, Narzissten haben keine Empathie“, analysiert Psychotherapeut Rauchfleisch, und fügt hinzu: „Ich denke, das stimmt nicht. Sie haben Empathie, sehr hohe sogar. Aber sie nutzen sie leider nur dafür, um zu spüren, wo andere verwundbar sind und wo sie etwas für den eigenen Vorteil ausnutzen können.“
Eine Beziehung zu einem Narzissten kann schwerwiegende Langzeitfolgen für die Psyche haben – bis hin zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Das kann nicht nur psychische Schäden beim Partner hervorrufen, sondern auch künftige Beziehungen erheblich belasten. Als Ex-Partner und Opfer einer solchen Persönlichkeitsstörung fällt es oft schwer, in neuen Beziehungen zu vertrauen, viele geben sich selbst die Schuld für vieles und verlieren den Glauben an Liebe und Partnerschaften. Wer in einer solch toxischen und traumatisierenden Beziehung war oder ist, oder entsprechende Verhaltensmuster an sich selbst bemerkt, sollte sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Quelle: Business Insider