
Früher war alles besser. Vor allem konnte man sich in der Eisdiele noch eine Kugel leisten, ohne dafür gleich einen Ratenkredit aufnehmen zu müssen. Eine Polemik.
Ich liebe Eis. Punkt. Schokolade! Stracciatella! Kirsch-Joghurt! In einer Eisdiele war ich allerdings zuletzt vor ein paar Jahren. Ich befinde mich seit mehreren Sommern im Eisdielen-Streik. „Sei nicht albern“, sagte meine Frau erst kürzlich wieder. „Gönn dir mal was!“ Im Leben nicht! Jedenfalls nicht in der trendigen Eisdiele um die Ecke, in der eine Kugel 2,20 Euro kostet. Eine. Kugel. Achtung, jetzt erzählt Opa vom Krieg: 2,20 Euro waren früher mal 4,30 D-Mark.
Schon höre ich in meinem Kopf irgendeinen Verbandsfuzzi zürnen: „Die allgemein gestiegenen Kosten gehen auch am Eisdielenfachgewerbe nicht spurlos vorbei.“ Ich aber sage: Papperlapapp! Wer 2,20 Euro für eine Kugel Eis nimmt, ist ein Großkapitalist, der sommerliche Sehnsüchte und Grundbedürfnisse von Kleinkindern (und Großkindern wie mir) eiskalt ausnutzt. Bunte Streusel kosten ja noch extra. Sahne auch.
„Aber die Erzeugerpreise“, zürnt der Verbandsfuzzi beziehungsweise die Verbandsfuzzine (weibliche Form) nun weiter, „der Milchpreis! Die Preise für das gute Bioobst! Und für Energie! Und für Personal! Der Mindestlohn! Und die Mieten für das Ladenlokal! Alles teurer geworden!“ Ich antworte: Mir total egal! Komplett! Egal. Egal. Egal. Ich streike!
Vor meiner Eisdiele stehen die Leute noch immer Schlange
Andere Menschen sind irgendwie gnädiger als ich. Oder reicher. Jedenfalls stehen vor meiner Eisdiele die Leute in ihren Designer-Birkenstocks immer noch Schlange. Wie ist das möglich? Habt ihr alle einen Ratenkredit aufgenommen, um dem kleinen Ben zwei Kugeln (Zitrone plus Mango!) und euch den Erdbeerbecher plus Sahne kaufen zu können? Zahlt Oma? Oder habt ihr geerbt?
Übrigens: 2,20 Euro sind noch gar nichts. Laut der mir bis eben noch eher unbekannten Webseite „Markt und Mittelstand“ sind Kugelpreise von bis zu 4 Euro in Deutschland keine Seltenheit. In Dortmund und Halle aber lägen einer Untersuchung zufolge die Preise meist bei unter 1,50 Euro. Deutschlandweiter Durchschnittspreis pro Kugel: 1,81 Euro.
Zitiert wird auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Deutschen Presseagentur, wonach 64 Prozent der Deutschen die Eispreise inzwischen als zu hoch empfinden. Ach, echt? Wie schön! Ich scheine nicht ganz allein mit meinem Groll zu sein. Das tröstet.
Wann akzeptiert meine Eisdiele endlich Zahngold?
Aber Trost kühlt mein Gemüt nur unzureichend. Ich frage mich, wie es nun weitergeht: Wann kommt der Kinderbecher – Schoko, Vanille, Erdbeere – für 15 Euro? Wann wird vor Bestellung eines Eiskaffees eine Schufa-Abfrage verpflichtend? Wann startet der erste EFT „German Icecream Invest Maximum“? Und wann akzeptiert meine Eisdiele um die Ecke endlich Zahngold?
Schluss! Mit halbherzigen Lösungen kommen wir nicht weiter! Es muss mal wieder ein Ruck durchs Land gehen. Verstaatlicht die Eisdielen! Jedenfalls jene außerhalb Dortmunds und Halles. Kugelpreise jenseits von 1,50 Euro? Zwangsverwaltung! Spaghettieis 8 Euro? Abmahnung! Über die sofortige Schaffung einer „Bundeszentralstelle für die Preisgestaltung und Preisüberwachung der Speiseeisdielenwirtschaft West-Ost“ mit Dienstsitz Berlin (oder Eisleben) muss der Bundestag dringend diskutieren. Da könnten die Linken mal zeigen, was sie so draufhaben. Sommerpause? Pah! Finden wir keine Lösung auf nationaler Ebene, muss europäisches Recht her.
Wir brauchen eine bundesweite Eispreisbremse!
Bremsen sind im Sommer bekanntlich die Pest, aber ich plädiere nachdrücklich für die verpflichtende Einführung einer bundesweiten Eispreisbremse. Meinetwegen kann dafür die Mietpreisbremse gehen, Vermieter machen eh, was sie wollen. Verbandsfuzzis und -fuzzine der Immobilienwirtschaft, stellt euch das mal vor: keine Mietpreisbremse mehr! Ihr solltet mir dankbar sein – und feiern. Kauft euch ein Eis von meiner Miete. Für eine Kugel sollte es reichen.