
Die SPD verlangt massive Investitionen in Kitas und den Ausbau der offenen Ganztagsschule. Die NRW-Regierung breche Versprechen zulasten von Kindern. Frust und scharfe Kritik kommen auch von anderen.
Die SPD hat der NRW-Regierung Wortbruch in zentralen Feldern der frühen Bildung vorgeworfen – zulasten der Jüngsten und auf Kosten der Chancengleichheit. Das von Schwarz-Grün angekündigte beitragsfreie dritte Kita-Jahr werde nun doch nicht umgesetzt, auch mit einem Einstieg in ein kostenfreies Mittagessen und mit einer Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) zum Sommer 2026 werde es wohl nichts, sagte der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dennis Maelzer. Im fast zeitgleich vorgestellten Etatentwurf von Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) für 2026 ist kein kostenloses drittes Kita-Jahr enthalten.
Oppositionspolitiker Maelzer meinte: „Nichts wird in Nordrhein-Westfalen besser.“ Bildungschancen seien noch immer ungleich verteilt und abhängig von sozialer Herkunft und der Finanzkraft der Kommunen. Viele Kommunen und freie Kita-Träger glaubten ebenfalls nicht mehr, dass eine KiBiz-Revision pünktlich erfolgen werde. Sie fühlten sich zunehmend vom Land alleingelassen, weil die Förderung die realen Kosten nicht decke. Familienministerin Josefine Paul (Grüne) solle nun endlich die lang erwartete KiBiz-Reform vorlegen. Die Unterfinanzierung müsse gestoppt werden, es brauche Millionen-Investitionen.
Stattdessen würden nun den Kita-Trägern auch noch Landesfördermittel für die wichtigen Alltagshelfer gekürzt, monierte der Oppositionspolitiker. Das habe viele Träger „kalt erwischt“. Alltagshelfer seien eine wichtige Stütze in den Kindertagesstätten.
Kritik auch von AWO und Gewerkschaft
Von der AWO und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kam Kritik – ebenfalls an den Kürzungen für die Alltagshelfer. Die Fördersumme von bisher 18.000 Euro sei unkommentiert und kurzfristig auf 16.200 Euro pro Kita-Jahr reduziert worden, berichtete die Landesgeschäftsführerin der AWO NRW, Kerstin Hartmann. „An keiner Stelle wurde die AWO NRW im Vorfeld über geplante Kürzungen informiert.“ Viele Träger hätten sich auf eine unveränderte Fortführung verlassen und bereits Arbeitsverträge abgeschlossen, um dringend benötigtes Personal halten zu können.
Auch die GEW zeigte sich verärgert. „Die Alltagshelferinnen sind für viele Kitas ein Rettungsanker, weil sie Fachkräfte im Alltag entlasten. Dass diese Helferstellen jetzt de facto gekürzt und mit immer mehr Bürokratie belastet werden, ist ein Rückschritt“, betonte die NRW-Vorsitzende Ayla Celik.
Aus dem Familienministerium hieß es, aus Sicht der Landesregierung sollten möglichst alle rund 11.000 Kitas von dem Kita-Helfer-Programm profitieren können. Die Haushaltslage sei aber aktuell sehr schwierig, und es sei nötig gewesen, bei dem sehr breiten Interesse die Fördersätze „anzupassen“. Aktuell erhalten laut Ministerium 10.042 Einrichtungen eine Förderung durch das Helfer-Programm. Die Gesamtsumme – für einen gestiegenen Förderkreis – sei bei rund 137 Millionen im Haushaltsjahr 2025 unverändert geblieben.
Auch OGS-Betreuung in Grundschulen ist laut SPD unterfinanziert
Bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Platz im offenen Ganztag (OGS), der ab dem Schuljahr 2026/27 aufwachsend ab der ersten Klasse beginnt, zeigte sich die SPD-Fraktion ebenfalls wenig optimistisch. Das OGS-System sei chronisch unterfinanziert, heißt es in einem der SPD-Anträge zur Debatte im Landtag in den nächsten Tagen.
Das Land solle die Kommunen kurzfristig mit 100 Millionen Euro unterstützen, damit die Platzausbauziele zur Umsetzung des OGS-Rechtsanspruchs ab 2026 noch erreicht werden könnten. Es fehlten „bis zu 200.000 Plätze“, um den Rechtsanspruch erfüllen zu können, sagte Maelzer. Die GEW befürchtet, das Ganze werde ohne massive Investitionen in Personal, Gebäude und Qualität zur „Mogelpackung“.
Bleiben Bildungschancen auf der Strecke?
Nach Angaben der SPD fehlen bis 2030 rund 20.000 Fachkräfte in der Kita-Betreuung in NRW. Anfang 2025 waren demnach rund 4.000 Einrichtungen wegen fehlenden oder erkrankten Personals vorübergehend geschlossen oder konnten nur eine eingeschränkte Betreuung anbieten. Unzuverlässige Kitas und Schulen bedeuteten nicht nur Stress für die Familien, sondern schmälerten die Bildungschancen von Kindern, betonte die Oppositionsfraktion.
Frühkindliche Bildung in der Fläche zu garantieren, sei vordergründige Aufgabe der Landesregierung, mahnte die GEW. Schon heute arbeiteten Erzieherinnen an der Belastungsgrenze, viele Träger kämpfen ums Überleben. Fachkräftemangel, zu große Gruppen, marode Gebäude und fehlende Zeit für gute pädagogische Arbeit seien die bittere Realität. „Versprochen war Entlastung – tatsächlich wächst der Druck. Das schadet den Kindern und verschärft Bildungsungleichheit schon im Kita-Alter“, kritisierte Celik.
Viel zu tun beim Kinderschutz
Die Landesregierung sei „im Blindflug unterwegs, was den Kinderschutz angeht“, bemängelte SPD-Politiker Maelzer zudem. Die Jugendämter leiteten mehr als 56.000 Verfahren zum Thema Kindeswohlgefährdung (2023) ein – erneut ein Anstieg, dessen Ursachen dem Land aber nicht bekannt seien.
Der Personalnotstand in den Jugendämtern sei gravierend. Auch bei der Problematik, dass Frauen zu Täterinnen bei Gewaltdelikten gegen Kinder werden könnten, gebe es einen „blinden Fleck“. Es brauche ein umfassendes Lagebild zur Gewalt gegen Minderjährige in NRW.