
Drei Kandidaten für Deutschlands höchstes Gericht, eine demokratische Krux, Moneten im Bundestag und ein Dilemma für die AfD. Was heute wichtig ist.
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!
Stellen Sie sich mal folgendes Bild vor: Ein Club, in dem getanzt und gefeiert wird. Vor der Tür und um den Dancefloor stehen 16 Türsteherinnen und Türsteher. Sie achten darauf, dass sich alle an die Hausordnung halten und keine verbotenen Moves gezeigt werden. Der Club steht für unsere Demokratie, die Hausordnung für das Grundgesetz und die Dance-Moves für das Handeln des Staates und seiner Akteure. Die Türsteher sind die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts. Nun sollen drei neue Türsteher in den Club. Willkommen bei Germanys next Verfassungsrichter!
Helfen Linke oder AfD den neuen Verfassungsrichtern ins Amt?
Am späten Montagabend einigte sich der Wahlausschuss des Bundestags darauf, zwei Kandidaten der SPD und einen der Union ins Rennen zu schicken: Frauke Brosius-Gersdorf, Ann-Katrin Kaufhold und Günter Spinner. Dabei sah es zunächst nicht so aus, als ob die Regierungsparteien im selben Rhythmus tanzen.
Frauke Brosius-Gersdorf, von der SPD nominiert, sorgte bei der Union für Stirnrunzeln. Diese hatte sich nämlich während der Coronapandemie für eine Impfpflicht starkgemacht. Auch ihre Haltung zum Thema Abtreibung hat so manchen konservativen Abgeordneten auf den Plan gerufen. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig etwa bezeichnete die Jura-Professorin auf der Plattform X sogar als „unwählbar“. Aua.
Ist Brosius-Gersdorf also zum Scheitern verurteilt? Laut DJ aka Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) habe man sich auf einen Kompromiss einigen können. Demnach sollen die Sozialdemokraten zusichern, dass Brosius-Gersdorf nicht Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts werden solle.
Am Freitag soll die endgültige Entscheidung im Bundestagsplenum gefällt werden. Doch hier kommt der Haken: Union und SPD haben gemeinsam mit den Grünen keine Zweidrittelmehrheit. Und die ist für die Wahl der Verfassungsrichter in spe erforderlich. Es braucht also entweder die Stimmen der Linken oder der AfD. Ohne eine der beiden geht es nicht. Allerdings hat die Union in einem Grundsatzbeschluss festgelegt, mit keiner der beiden Oppositionsparteien das Tanzbein zu schwingen.
Die AfD-Fraktionsführung empfiehlt ihren Mitgliedern zwar, für den Unionskandidaten zu stimmen. Aber für die SPD-Kandidatinnen? Nein, danke! Und die Linke will erst mal mit der Union reden, bevor man deren Kandidaten wählt.
Tja, und nun? Bis Freitag ist noch etwas Zeit, die richtigen Tanzschritte zu finden. Vielleicht lassen sich durch geschickte Gespräche die notwendigen Mehrheiten gewinnen. Immerhin ist die Wahl geheim und, wer weiß, vielleicht legt jemand noch ein paar Überraschungsmoves hin. Sollten die Kandidatinnen und Kandidaten im Bundestag aber scheitern, würden sich die Groko-Parteien beim Wahl-Walzer ordentlich auf die Zehen treten.
Money, money, money im Bundestag
Money, money, money
Must be funny
In the rich man’s world
Money, money, money
Always sunny
In the rich man’s world
Aha
All the things I could do
If I had a little money
It’s a rich man’s world
Das sang natürlich ABBA. Wenn man Moneten hat, ist das Leben schöner und einfacher. Stimmt sicher, aber Geld allein macht auch nicht glücklich, finde ich. Aber wenn man Gevatter Staat ist, dann braucht man Geld. Sonst läuft nix und man streitet sich nur. „Ampel“ sagt Ihnen noch etwas, oder?
Aber wir wollen nicht zurückschauen. Heute beginnt im Bundestag die Haushaltswoche. Was wie der Putzdienst für die Fraktionen klingt, ist eine der wichtigsten Sitzungen des Parlaments. Sie findet ihren Höhepunkt in der berühmt-berüchtigten Generaldebatte am Mittwoch, die gerne zum Austeilen genutzt wird. Nicht von Geld, sondern von Schlagabtauschen.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) bringt den Entwurf des Haushalts 2025 sowie den Finanzplan des Bundes bis 2029 ein. Für dieses Jahr sind mehr Investitionen geplant. Das ist die gute Nachricht. Die Kehrseite der Medaille sind jedoch wesentlich höhere neue Schulden. In Zahlen: Die veranschlagten Ausgaben belaufen sich auf 503 Milliarden Euro für das laufende Jahr, die Neuverschuldung des Bundes liegt bei 81,8 Milliarden Euro. All the things I could do, if I had this money …
Der AfD geht ihr Lieblingsthema aus
Die Zahl der Asylanträge in Deutschland sinkt merklich. Eigentlich müsste sich die AfD darüber freuen. Doch das stellt sie gleichzeitig auch vor ein Problem. Immerhin hat die Partei in ihren Wahlkämpfen auf die Themen Asyl und Migration gesetzt – mit Erfolg. Aber wenn die Asylbewerber weniger werden, verliert das Haupt- und Lieblingsthema der Rechtsextremen an Bedeutung. Ist die Selbstverharmlosung daher die neue Strategie von Weidel und Co.? Die stern-Politikchefs Veit Medick und Jan Rosenkranz diskutieren über die Hintergründe in unserem Podcast „5-Minuten-Talk“:
Und sonst? Weitere Schlagzeilen
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Mal was Positives
Die Pride-Parade in Budapest am 28. Juni war trotz eines offiziellen Verbots seitens der Orban-Regierung die bislang größte in Ungarn. Die Veranstalter sprachen von mehr als 200.000 Teilnehmern. Beobachter bewerteten die große Teilnehmerzahl als Dämpfer für den machtbewussten rechtspopulistischen Regierungschef Orban. Dieser wollte eigentlich Teilnehmer der Parade mit Bußgeldern von bis zu 500 Euro bestrafen lassen. Doch die können aufatmen: Die Budapester Polizei leitet keine Ermittlungen gegen die Pride-Teilnehmer ein, wie das zuständige Polizeipräsidium überraschend mitteilte. Die Begründung: Die Organisatoren hätten die Bürger hinsichtlich der Rechtslage verunsichert. Darunter war auch Bürgermeister Gergely Karacsony. Der links-grün-liberale Politiker hatte die Pride zu einer offiziellen Feier der Stadt Budapest erklärt, um das Verbot zu umgehen. Wermutstropfen: Seit vier Tagen laufen gegen Karacsony polizeiliche Ermittlungen. Ihm droht bis zu ein Jahr Haft.
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Dienstag! Herzlich, Ihr
Rune Weichert