
Eine Praxis auf dem Land ist für viele junge Ärzte unattraktiv – auch wegen des hohen Arbeitspensums. Niedersachsen will daher Praxisinhaber entlasten. Dazu wird ein neuer Studiengang eingerichtet.
Weil Hausärztinnen und Hausärzte fehlen, sollen in ländlichen Regionen Niedersachsens verstärkt sogenannte Physician Assistents (PA) zum Einsatz kommen. Die medizinischen Assistenzkräfte verfügen über einen Hochschulabschluss und können die Praxisinhaber entlasten, zum Beispiel, indem sie Hausbesuche übernehmen. Ab Oktober bietet eine private Hochschule in Zeven (Landkreis Rotenburg) einen entsprechenden Studiengang an, wie die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) mitteilte.
Das Konzept in Kooperation mit der CBS International Business School verbinde digitale Lehrformate mit praxisnahen Präsenzphasen, hieß es. Mit dem neuen Studienangebot soll auf die wachsenden Herausforderungen im Gesundheitswesen reagiert werden.
In Niedersachsen sind aktuell 577 Hausarztsitze unbesetzt. Besonders problematische Regionen sind rund um Bremerhaven sowie die Bereiche Celle/Munster sowie Syke/Sulingen.
Medizinische Vorbildung für Studium in Zeven notwendig
Arztpraxen können Fördergelder bei der KVN beantragen, um die Hochschulausbildung ihrer Angestellten mitzufinanzieren. Der Studiengang in Zeven ist offen für Bewerberinnen und Bewerber mit medizinischer Vorbildung, zum Beispiel für Medizinische Fachangestellte, Pflegefachkräfte oder Rettungssanitäter. Tanja Gerlach und Hausarzt Jan Gerlach aus Zeven haben den neuen Studiengang initiiert.
Der Hausärzte-Mangel dürfte sich deutlich verschärfen. Denn: Die heute aktiven Ärzte sind im Schnitt rund 56 Jahre alt. Gleichzeitig steigen junge Medizinnerinnen häufig in Teilzeit in den Beruf ein. Für jeden ausscheidenden Arzt würden daher rechnerisch 1,6 neue Ärztinnen benötigt, erläutert die KVN. Gleichzeitig steigt der Behandlungsbedarf, weil immer mehr alte Menschen in Niedersachsen leben.
Das Projekt ist ein Baustein des Zehn-Punkte-Plans, mit dem die rot-grüne Landesregierung den Medizinermangel vor allem in der Provinz bekämpfen möchte. Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) sagte: „Physician Assistants können viele Aufgaben übernehmen. Davon profitieren nicht nur die Hausärztinnen und Hausärzte, die entlastet werden, sondern langfristig auch die Patientinnen und Patienten.“ Rot-Grün plant zudem unter anderem, die Zahl der Medizin-Studienplätze aufzustocken.
In Papenburg im Emsland gibt es nach KVN-Angaben ebenfalls die Möglichkeit einen Bachelor-Abschluss als Physician Assistent mit dem Schwerpunkt hausärztliche, ambulante Medizin zu erwerben. Dieses Angebot ist eine Kooperation mit der Hochschule Anhalt.
Enge Abstimmung per Videocall mit Arzt in Praxis geplant
Der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge arbeiten bereits ungefähr 500 Physician Assistants in Niedersachsen, die meisten von ihnen allerdings in Kliniken. KVN-Sprecher Detlef Haffke betonte: „Es ist kein Doktor Light. Die PAs werden nicht selbstständig tätig.“ So nehmen die Assistenten zum Beispiel bei Hausbesuchen einen Telemedizin-Koffer mit, um sich per Videocall eng mit dem Arzt in der Praxis abzustimmen. Der Arzt bleibt der Verantwortliche.