US-Wirtschaft: Und was, wenn Donald Trump doch einen Plan hat?

  • Juli 11, 2025

Die Zoll- und Währungspolitik von Donald Trump scheint chaotisch. Doch es spricht viel dafür, dass seine Regierung einer klaren Idee folgt, sagt Capital-Chefredakteur Timo Pache.

Wenn es um Donald Trump geht, gibt es grob gesagt zwei Lager – so auch bei uns in der Redaktion von Capital. Das eine Lager, eindeutig das größere, hält Trump für einen ziemlichen Chaoten, frei von jedweden Überzeugungen und Prinzipien. Entscheidungen trifft er mehr oder weniger aus dem Bauch heraus, stets seinem Instinkt und der Aussicht auf den größten Gewinn folgend. Und jede Entscheidung ist für ihn ein neues Spiel, in dem es jedes Mal darum geht, für sich oder sein Land den größten Nutzen rauszuschlagen – es gibt bei ihm keinen übergeordneten Plan und keine Strategie.

Unbestreitbar hat dieses Lager viele gute Argumente auf seiner Seite, dafür muss man sich nur die jüngsten Nachrichten aus Washington anschauen: Nachdem es wochenlang so ausgesehen hatte, als lasse Trump von seinen Horrorzöllen ab, zieht er sie jetzt wieder aus der Schublade. 50 Prozent für Brasilien, 25 Prozent für Japan, 35 Prozent für Kanada – und sicher ist auch die EU bald dran. Dafür will er nun doch wieder Waffen in die Ukraine liefern, vielleicht – man weiß es noch nicht so genau. Es gibt keine Linie, Trump hangelt sich von Tag zu Tag, und mit ihm die ganze Welt.

Das andere, sehr viel kleinere Lager, mag die Lesart von Chaos und Prinzipienlosigkeit nicht einfach akzeptieren. Es sucht nach Mustern und Argumenten quasi in der zweiten und dritten Reihe der Administration, die das Hin und Her doch plausibel machen. Nicht, dass einen der vielleicht doch vorhandene Masterplan dann besonders hoffnungsfroh stimmen würde. Die Vertreter dieses Lagers wirken mit ihrer Sinnsuche oft etwas verzweifelt, so als wollten sie einfach nicht glauben, dass die wichtigste Militär- und Wirtschaftsnation der Erde in den Status einer Bananenrepublik abgleitet.

Chaos als Mittel der Erpressung

Das tägliche Zollchaos oder auch Trumps offensichtliche Erpressungen gegenüber den wichtigsten militärischen Verbündeten sind demnach Teil einer offen feindlichen Verhandlungsstrategie, um für die USA an anderen Stellen vorteilhafte Geschäfte herauszuholen: Aufträge für die US-Rüstungsindustrie etwa, Zugang zu seltenen Rohstoffen, oder Zugeständnisse der wichtigsten Gläubigerstaaten beim Schuldendienst – die Liste von Trumps möglichen Interessen kann sehr lang werden. Chaos als Mittel der Erpressung, um am Ende ganz andere Dinge durchzusetzen, ganz abwegig klingt auch dieser Ansatz nicht.

Ich gebe zu, dass ich eine gewisse Sympathie für das zweite Lager habe. Wahrscheinlich, weil auch ich nicht glauben will, dass ein Land wie die USA nun von einem Haufen planloser Chaoten geführt wird. Und weil der zweite Ansatz einen eher dazu anhält, stets ein paar Schritte weiterzudenken – während man sich im ersten Lager eigentlich nur noch defätistisch ergeben kann, weil die Dinge unter Trump ohnehin immer unkalkulierbar sind.

In diesem Zusammenhang sind mir in den vergangenen Tagen ein interessanter Gedanke und ein spannender Befund begegnet, die meines Erachtens in deutschen Medien bisher zu wenig Beachtung finden.

Der eine Gedanke stammt von George Saravelos, einem leitenden Ökonomen der Deutschen Bank. In einem Diskussionspapier hat Saravelos kürzlich noch einmal den im Frühjahr viel diskutierten Mar-a-Lago-Accord aufgegriffen und setzt diesem nun den „Pennsylvania-Plan“ entgegen. Im Kern, sagt Saravelos, sei der Mar-a-Lago-Plan gescheitert – er sah vor, durch hohe Importzölle für andere Handelspartner sowie Chaos und Unsicherheit in der Außen- und Sicherheitspolitik großen ausländischen Gläubigern Zugeständnisse beim US-Schuldendienst abzupressen. Ohne dabei den Status des Dollars als Leitwährung für die Welt zu gefährden.

Klassische Form der finanziellen Repression

„Vergesst Mar-a-Lago“, schreibt Saravelo nun, der neue Plan von Trumps Strategen und Helfern im US-Finanzministerium bestehe nun darin, ausländische Gläubiger bewusst zu vergraulen und die immer größeren US-Staatsschulden – ähnlich wie in Italien oder Japan – größtenteils bei inländischen Gläubigern wie Banken, Versicherungen und Pensionsfonds unterzubringen. Die Macht dazu hätte die US-Regierung, sie müsste Banken und Versicherungen zum Beispiel nur vorschreiben, mehr US-Anleihen in ihre Bücher zu nehmen. Es wäre eine klassische Form der finanziellen Repression.

Vor einigen Wochen haben wir den bekannten US-Ökonomen Kenneth Rogoff genau nach dieser Möglichkeit befragt. Er sagte darauf: „Na ja, Japan hat es ja vorgemacht: Die Regierung dort hat Banken, Pensionsfonds und Versicherungen gezwungen, hohe Bestände an japanischen Anleihen zu halten. (…) Ich fürchte, so eine Phase droht uns in den USA jetzt auch.“

Der zweite Befund kam mir unter, als wir vor einigen Tagen in der Redaktion die Folgen von Trumps „One big beautiful bill“ diskutierten, dem großen Steuersenkungs-, Ausgaben-  und Sparprogramm, das am vergangenen Wochenende von Trump feierlich ins Werk gesetzt wurde. In hiesigen Medien ist vor allem von den gewaltigen Defiziten die Rede, die Trumps Mega-Paket produzieren wird – die Schätzungen schwanken zwischen 3 und 4 Billionen Dollar in den kommenden zehn Jahren. Sie kommen obendrauf auf einen Schuldenberg, der schon heute bei schwindelerregenden 36 Billionen Dollar liegt. Und das alles in einer Zeit, in der die US-Wirtschaft bis vor kurzem noch sehr robust wuchs und der Arbeitsmarkt ziemlich leergefegt ist.

Allerdings, was in Europa oft untergeht, ist die andere Seite von Trumps Politik – und das sind jenseits großer Wachstumshoffnungen vor allem die zusätzlichen Einnahmen für die Regierung durch die neuen Zölle. In den ersten Monaten von Trumps neuer Amtszeit (und in der Zeit galten ja vor allem die reduzierten Importtarife) stiegen die täglichen (!) Zolleinnahmen auf bis zu 600 Millionen Dollar. Das wären, wenn alles so bliebe, fast 200 Milliarden Dollar im Jahr. Sollten demnächst doch wieder höhere Zölle greifen – und genau danach sieht es ja im Moment für viele Staaten aus – könnten die Mehreinnahmen noch höher ausfallen. Und das zusätzliche Geld, das die Zölle in Trumps Kasse spülen, wird einen Gutteil der Kosten aus seinem „schönen großen Gesetz“ wieder ausgleichen.

Zölle rauf, Steuern runter – offiziell will er so Industriejobs ins Land zurückholen. Dass ihm das gelingt, ist äußerst unwahrscheinlich. Stattdessen ist diese Politik eine massive Umverteilung von unten nach oben. Man kann diese Politik hochgradig ungerecht oder politisch geradezu tollkühn finden – aber sie ist ziemlich genau das, was Trump im Wahlkampf immer versprochen hat. Was wiederum dafür spricht, nicht alles bei Trump für Chaos und Planlosigkeit zu halten.

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