Album „Addison“: Wie Addison Rae zur Britney Spears ihrer Generation ernannt wurde

  • Juli 12, 2025

Addison Rae hat alles erreicht, was Social Media zu bieten hat. Millionen Follower, Netflix-Film, zahllose Markendeals. Aber sie will mehr: endlich respektiert werden. Demnächst kommt sie nach Deutschland.

Es gibt Karrieren, die sind wie Plastikflaschen: einmal benutzt, dann weggeschmissen. Gerade im Internet. Gerade auf TikTok, wo Gesichter schneller durch den Feed rauschen, als man ihnen Namen zuordnen kann. Addison Rae war eines dieser Gesichter: glatt, jung, austauschbar. Eine Tanzbegeisterte aus dem amerikanischen Süden, die plötzlich auf TikTok berühmt wurde. Doch aus dem viralen Mädchen von nebenan ist eine Künstlerin geworden – mit Songs, die nicht mehr gefallen wollen, sondern etwas erzählen. Und das ist vielleicht das Erstaunlichste: Sie meint es ernst. Heute wird Addison Rae mit Britney Spears verglichen. Wie hat sie das geschafft? 

Für die große Bühne riskierte Addison Rae alles

Ihre Liebe zum Tanz begann bereits in frühen Jahren: Als Jugendliche tanzte sie auf Wettkampfniveau in ihrer Heimat Lafayette, Louisiana. Nach dem Schulabschluss schrieb sie sich an der Louisiana State University ein, mit dem Ziel, ins Tanzteam aufgenommen zu werden. Doch der Plan scheiterte – ebenso wie der Versuch, ein Stipendium zu erhalten. Ihre Eltern, finanziell überfordert, zogen näher an den Campus, damit Rae zu Hause wohnen konnte. Nachdem sie ihr Hauptfach gewechselt und sich für Journalismus einschrieben hatte, habe sie das Studium zunehmend als belastend empfunden, sagte sie in einem Interview mit der „Elle“. Stattdessen habe sie sich danach gesehnt, auf der großen Bühne zu stehen. Und die fand sie im Internet. 

TikTok war damals noch eine neue Plattform, auf der Rae bis zu zwölf Videos am Tag hochlud. Ihre positive Energie sowie die einfachen, rhythmisch präzisen Tanzeinlagen funktionierten auf der App. In ihren frühen Clips, die millionenfach angesehen wurden, steht Rae häufig in ihrem Zuhause, trägt Croptops oder High Waist Jeans, lächelt in die Kamera und tanzt eine simple Choreografie zu einem gerade beliebten Sound. Der Moment wirkt beiläufig, dabei nahbar und sympathisch. Als ihre Videos viral gingen, brach sie ihr Studium ab, zog nach Los Angeles und unterschrieb bald bei einer Talentagentur. 

TikTok Addison Rae

Nach den Klicks kommt die Kunst

Mit ihrer Reichweite auf TikTok wagte Addison Rae den nächsten Schritt: eine Musikkarriere. Die erste Single „Obsessed“ erschien 2023. Kein Erfolgssong, Kritiker zerrissen den Song.

Als sie jedoch 2024 immer wieder mit Charli XCX gesichtet wurde und sogar in derem Album „Brat“ in einem Remix des Songs „Von Dutch“ auftauchte, veränderte sich der Blick auf sie. Charli steht für alles, was Addison Rae bis dahin nicht verkörperte: künstlerische Eigenständigkeit, einen Hang zum Unangepassten und eine klare ästhetische Linie. Die gemeinsame Sichtbarkeit – auf Partys, in sozialen Medien, in der Musik – wirkte wie eine stille Form von Anerkennung. Rae gehörte jetzt zu einer Welt, die Wert auf künstlerische Haltung legt, statt auf viralen Erfolg.

Bis dahin haftete Rae das Image vieler TikTok-Stars an, die sich an Musik versuchten – glatt, kalkuliert und oft ohne erkennbare künstlerische Handschrift. Als Influencerin und Markenbotschafterin war sie längst etabliert, doch als Musikerin fehlte es ihr an Glaubwürdigkeit.

Kurze Zeit später lernte Rae die Produzentinnen und Songwriterinnen Elvira Anderfjärd und Luka Kloser kennen. Gemeinsam bildeten sie das kreative Kernteam hinter ihrem Debütalbum – ein rein weibliches Studio-Setup, das in der Branche selten ist. 

Die enge Zusammenarbeit im Studio, die auch auf Social Media sichtbar wird, war entscheidend für Raes musikalische Neuausrichtung. Gemeinsam schrieben sie die Hook für die Single, die ihre neue Richtung markierte: „Diet Pepsi“. Der Song ist reduziert produziert, mit klaren Synths, sanften Vocals und Sounds, die an die Ästhetik der späten 90er und frühen 2000er erinnern – ohne sie direkt zu zitieren. Rae selbst sagte der „New York Times“: „Mein größtes Ziel ist es, nie das Gefühl zu haben, mich auf einen bestimmten Song oder Künstler zu beziehen.“

Ihr Sound orientiert sich weniger an konkreten Vorbildern, sondern eher an Stimmungen: mal kühl und melancholisch wie bei Lana Del Rey, mal verspielt und elektronisch wie bei frühen Madonna-Tracks oder Charli XCX. Ein Sound, der Platz lässt, um sich hineinfallen zu lassen – reduziert, aber nie leer. Elektronisch, aber warm. Und plötzlich hören jene Kritiker genau hin, die sie zuvor noch als Influencerin mit belanglosen Tanzvideos abgetan hatten. Auch über die USA hinaus wächst die Aufmerksamkeit: In Deutschland landete Rae mit ihrem Debütalbum auf Platz 25 der Charts. Im September 2025 wird die Musikerin zudem mit ihrer „The Addison Tour“ erstmals für zwei ausverkaufte Konzerte in Berlin (07.09) und Köln (08.09) auf der Bühne stehen.

Addison Rae kehrt der Jagd nach dem Algorithmus den Rücken zu

Mit der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Addison“ ist ihre Transformation vom TikTok-Star zur Musikerin vollständig. Statt Melodien, die dazu dienen, aus ihnen Zehnsekunden-Sounds zu machen, zeigt sie sich nuanciert, verwundbar und vor allem experimentell. In Songs wie „In the Rain“ heißt es: „Ich behalte ein Lächeln auf meinem Gesicht, um mich zu schützen / Und verwandle meine Tränen in Gold.“ Eine mutmaßliche Anspielung auf ihre Medienauftritte, in denen sie sich stets lächelnd und zugänglich zeigt.

Auch ihre Ästhetik hat sich grundlegend verändert. Früher trug Addison Rae vor allem Jogginghosen und bauchfreie Tops – schlicht, bequem, der TikTok-Mode ihrer Anfangszeit entsprechend. Heute tritt sie in durchdachten Looks auf, die eine Geschichte erzählen: etwa transparente Tüllröcke über glänzender Satinunterwäsche und Korsetts im Stil der 2000er-Jahre. Ihre Outfits wirken nicht zufällig zusammengestellt, sondern wie die Kapitel einer Erzählung über Weiblichkeit im Wandel. Rae greift bewusst zu Stilelementen, die einst als übertrieben galten: schlecht sitzende Perücken, sichtbare Haaransätze, verschmierter Lippenstift.

Immer wieder Anspielungen auf Britney Spears

Insbesondere Britney Spears ist für die ehemalige TikTokerin eine große Inspiration. Ob in ihren Alltagsoutfits, auf der Bühne oder in ihren Musikvideos: Fans finden immer wieder kleine Britney-Anspielungen. Deutlich wird das in einer Szene aus ihrem Video des Songs „High Fashion“, in der Rae einen funkelnden BH-Look trägt. Ein direkter Verweis auf Spears‘ Fantasy-Bra, den sie 2001 während ihrer Tour trug. 

Auf Instagram wünschen sich viele User daher, dass Addison die Pop-Prinzessin in einer Britney-Spears-Biografie verkörpert. Auch als Britney Spears der Gen Z wird Rae häufig betitelt. 

Wie echt ist ihr neues Image?

Es bleibt jedoch die Frage, wie authentisch ihr neues Image ist. Ihre schiefen Perücken, der verschmierte Lippenstift, die minimalistischen Produktionen und chaotisch-nostalgischen Looks – all das wirkt auf den ersten Blick ungeschliffen. Aber gleichzeitig sind genau diese Elemente Teil eines aktuellen ästhetischen Trends: 2000er-Retromode ist längst Mainstream geworden. Kann es da wirklich noch um Authentizität gehen? Oder surft Rae lediglich auf einer neuen Welle, die Coolness mit Unfertigkeit gleichsetzt? 

Der entscheidende Unterschied liegt womöglich woanders. Künstlerische Integrität bedeutet nicht, „echt“ im Sinne von ungefiltert oder privat zu sein – sondern konsequent einer Idee zu folgen. Und genau das tut Rae. Ihre gesamte Inszenierung – von Mode bis Produktion – wirkt nicht beliebig, sondern durchdacht. Sie zitiert nicht wahllos, sondern zeigt uns ihre eigene Interpretation. In diesem Sinne ist sie eine Künstlerin mit Vision. Ihre Persona mag konstruiert sein, doch sie ist einheitlich, genau das macht sie glaubwürdig. 

Auf der Bühne ist sie eins mit ihrer Musik – und alles andere als perfekt

Addison Rae während ihres Auftritts beim Coachella Valley Music and Arts Festival 2025 im Empire Polo Club
© Emma McIntyre

Lange war sie die glatte Ausspielfläche für Marken und scrollende TikTok-User: schön, zugänglich, anpassungsfähig. Fast wie eine leere Leinwand, perfekt für Werbepartner. Aber genau dieses Bild hat sie aufgebrochen. Addison Rae hat das Internet verstanden – und sich ihm entzogen. Ihre größte Leistung ist nicht das Debütalbum an sich, sondern die Tatsache, dass es überhaupt existiert: reduziert, uneitel, erstaunlich frei von der Panik, ständig gemocht werden zu müssen. In einer Branche, in der Authentizität oft nur ein anderer Begriff für gutes Marketing ist, hat sie eine Haltung entwickelt, die weniger nach Pose aussieht, sondern nach Prozess. Sie tanzt immer noch, ja – aber nicht mehr für Klicks. Sondern für sich selbst. Und vielleicht ist genau das das neue Ideal für Popstars einer durchdigitalisierten Gegenwart: nicht echt zu wirken, stattdessen etwas Echtes zu wollen.

Verwendete Quellen: New York Times, Elle, The New Hit List, Business Insider, Dazed, Teen Vogue, The Face, Variety

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