
Wut kann viele Ursachen haben. Manche liegen in der Vergangenheit, andere haben mit der Persönlichkeit oder mit Krankheiten zu tun. Eine (inoffizielle) Übersicht.
Wut aus der Vergangenheit
Vielen Wütenden ist unklar, warum sie in bestimmten Situationen so unverhältnismäßig heftig reagieren. Die Ursache kann manchmal in früheren Erfahrungen oder Prägungen liegen, die heute noch nachwirken. Ein Beispiel: Wer als Kind häufig wegen kleiner Fehler kritisiert wurde, reagiert als Erwachsener möglicherweise extrem gereizt auf leise Kritik, etwa im Job, auch wenn diese konstruktiv gemeint ist. „Solche Verbindungen zwischen früheren Erlebnissen und heutigen Wutauslösern sind den Betroffenen oft gar nicht bewusst“, sagt Wut-Coachin Katrin Hoster. So können längst vergangene Muster unbemerkt dazu führen, dass aktuelle, oft harmlose Situationen starke emotionale Reaktionen hervorrufen.
Wut durch übermäßige Perfektion
Manche Menschen haben extrem hohe Ansprüche an sich, etwa bei Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Sie erwarten dieses Niveau aber nicht nur von sich selbst, sondern auch von anderen. „Wenn ihr Umfeld diesen persönlichen, hohen Maßstäben nicht genügen kann oder will, reagieren sie enttäuscht und wütend, weil sie denken, ein Anrecht darauf zu haben“, sagt Hoster. Betroffenen helfe es, zu lernen, dass nicht alle Menschen dieselben strengen Standards haben müssen.
Aufgestaute Wut
Es gibt auch Menschen, die Ärger lange Zeit unterdrücken und nach außen sehr beherrscht oder nachgiebig wirken. „Sie lassen sich oft zu viel gefallen und schlucken ihren Unmut hinunter, statt ‚Nein‘ zu sagen oder sich zu wehren“, erklärt Katrin Hoster. Doch dieser aufgestaute Ärger sammelt sich an, bis eine persönliche Grenze erreicht ist. Dann genügt oft nur ein kleiner, scheinbar harmloser Anlass, um die angestaute Wut explosionsartig freizusetzen. Für Außenstehende ist dieser plötzliche Ausbruch wegen einer Lappalie dann schwer nachvollziehbar.
Wut durch fehlende Impulskontrolle
Die Veranlagung, schnell aus der Haut zu fahren, kann auch genetisch bedingt sein. Die Betroffenen sind sozusagen darauf programmiert, wütend zu werden. Sie müssen daher lernen, ihre mangelnde Impulskontrolle zu beherrschen. Dabei kann eine Methode helfen, die der Psychiater Professor Claas-Hinrich Lammers, Ärztlicher Direktor der Asklepios Klinik Nord, als eine Art Wut-Impfung bezeichnet. „Die Betroffenen stellen sich Situationen vor, in denen sie sehr schnell wütend werden.“ Beim Erleben Ihrer Wut wenden sie Techniken an, mit denen sie sich selbst beruhigen. Manchmal können auch Medikamente hilfreich sein.
Wut als Druckmittel
Ebenso wie manche Menschen auf Knopfdruck weinen können, werden manche bewusst wütend. „Sie nutzen ihre Wut ganz gezielt, um ihren Willen durchzusetzen“, sagt Lammers. Für Außenstehende ist es nicht immer leicht zu erkennen, wenn Wut absichtlich zur Manipulation eingesetzt wird.
Kindliche Wut
Kleine Kinder weinen, wenn sie hinfallen. Und sie sind oft wütend, wenn sie nicht ihren Willen bekommen. Das sei ganz normal, erklärt Lammers, denn im Kindergehirn ist der sogenannte präfrontale Cortex, welcher bei der Regulation von Emotionen eine zentrale Rolle spielt, noch nicht ausgereift. Erst mit zunehmendem Alter entwickelt sich dieser Abschnitt des Stirnhirns, der dabei hilft, Gefühle zu kontrollieren.
Krankhafte Wut
Wut richtet sich meist gegen Dinge oder andere Menschen. Menschen mit einer Borderline-Störung jedoch entwickeln oft eine starke Wut auf sich selbst. „Das geht so weit, dass sie laut mit sich selbst schimpfen“, sagt Lammers. Häufig steckt dahinter ein gestörtes Selbstbild – und damit Wut auf den eigenen Körper oder das eigene Verhalten. „Dieses Selbstbild aufzulösen, erfordert oft einen sehr langwierigen therapeutischen Prozess.“