Sommerinterview: „Kein Beinbruch“: Wie Merz sich seine Blamage schönredet

  • Juli 13, 2025

Eigentlich wollte Friedrich Merz entspannt in den Sommer gehen. Doch dann kam ihm mal wieder Jens Spahn dazwischen. Am Sonntagabend musste er Stellung nehmen.

Sonntagabend, 18 Uhr, Berlin-Mitte. Der Kanzler hat sich für das Sommerinterview in der ARD auf eine historisch bewährte Kommunikationslinie festgelegt. Und er hält sie konsequent durch. 

Die Linie lautet: Wir schaffen das!

So oft und kritisch auch Moderator Markus Preiß zu den gescheiterten Richterwahlen im Bundestag nachfragt, Friedrich Merz antwortet sinngemäß immer dasselbe. „Nicht schön, aber keine Krise.“ „Wirklich kein Beinbruch.“ „Nichts, was uns umwirft.“ Und so weiter.

Ein paar Milligramm Selbstkritik

Okay, ein paar Milligramm Selbstkritik mischt Merz da und dort ein. Dass sich in seiner Unionsfraktion der Widerstand gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf aufbaute: Das habe man unterschätzt. „Wir hätten erkennen müssen, dass da großer Unmut entsteht“, sagt er. „Das wird uns nicht nochmal passieren.“

Aber sonst: prima Klima in Berlin. Das gilt sogar für das Wetter. Als das Interview beginnt, sind es noch angenehme 22 Grad im Regierungsviertel. Die Gewitter ziehen nördlich der Hauptstadt vorbei, die Sonne scheint dezent.

Und so darf sich Merz auf der Terrasse des ARD-Hauptstadtstudios zumindest ohne optischen Widerspruch in wohlfeiler Entspannungsrhetorik üben. Der gemeinsame Plan von Union und SPD werde „punktgenau eingehalten“, lobt er sich und seine Koalition. „Es hat nie einen Zweifel daran gegeben, dass wir das, was wir im Koalitionsvertrag verabredet haben, auch durch das Parlament bringen.“ Und das werde auch so bleiben. 

Tatsächlich lief es zuletzt ganz gut für Schwarz-Rot. Die Regierung brachte noch vor den Ferien den Haushaltsentwurf in den Bundestag ein, während die Länder nach einigem Hin und Her das Wachstumsbooster genannte Gesetzespakt im Bundesrat passieren ließen. Auch dass die Asylzahlen deutlich sinken, konnte sich Merz als PR-Erfolg anheften, selbst wenn die Entwicklung schon Monate vor seinem Amtsantritt begann. 

Okay, dass die Stromsteuer entgegen allen Wahlversprechen nicht für Privatkunden gesenkt wird: Dies sah, um es mal mit Merz zu sagen, auch nicht schön aus, zumal sich die Koalitionsfraktionen und Regierung darüber öffentlich zerstritten. Aber sonst durfte der Regierungsstart – auch in Anbetracht der allgemein widrigen Umstände – als einigermaßen gelungen gelten. Auch die Umfragelage hatte sich nach der beinahe verstolperten Kanzlerwahl merklich erholt. 

Die Kritik des Bundespräsidenten

Aber das galt nur bis zum Debakel am Freitag. Kurz vor der geplanten Abstimmung über drei Verfassungsrichter musste Merz gemeinsam mit seinem Fraktionschef Jens Spahn erkennen, dass die Union nicht die nötigen Stimmen liefern kann. Im Ergebnis wurde die Wahl nach die Sommerpause verschoben, wobei noch keiner wirklich weiß, wie dann die Mehrheiten zustande kommen soll. Die SPD hat schon angekündigt, an ihrer Kandidatin festhalten zu wollen.

Sogar der Bundespräsident sah sich bemüßigt, am Sonntag zu mahnen. Die Koalition habe sich „selbst beschädigt“, sagte er und forderte zu einer raschen Einigung auf. „Es geht hier um Autorität und Funktionsfähigkeit des Verfassungsgerichtes.“

Der Kanzler möchte das freilich gänzlich anders betrachtet wissen. Über Richterwahlen sei ja schon früher ordentlich gestritten worden, sagt er. Erst im Januar hätten die Grünen im Wahlausschuss den damaligen CDU-Richterkandidaten Robert Seegmüller blockiert. Er werde, sagt er, mit der SPD das weitere Vorgehen mit der SPD „in Ruhe“ besprechen. „Da gibt es jetzt keinen Zeitdruck.“

Friedrich Merz wiegelt ab

Je mehr sich Moderator Preiß müht, Merz herauszufordern, umso mehr wiegelt der Kanzler ab. Sei Unionsfraktionschef Jens Spahn noch der richtige Mann? „Eindeutig ja“, antwortet der Kanzler ohne Zögern. Und was sage er zur Kritik des früheren CDU-Länderchefs und Verfassungsrichters Peter Müller, der ein „eklatantes Führungsversagen“ beklagte. „Ich teile diese Einschätzung meines Freundes Peter Müller in diesem Fall ausdrücklich nicht“, retourniert der CDU-Chef trocken.

Für Merz gilt das Motto: Krise? Welche Krise? Oder wie er es ausdrückt: „Das Ganze ist undramatisch.“ Die Koalition liefere und werde weiter liefern. „Und deswegen arbeiten wir auch die Sommerpause mehr oder weniger durch.“

Nur manchmal zeigt sich ein nachdenklicher Kanzler. Dann, wenn er zu den Richterwahlen anmerkt: „Wir haben uns wahrscheinlich alle ein bisschen gegenseitig überfordert in den letzten Tagen.“ Oder das: „Wir haben schwierige Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag.“ Oder das: „Im Bundesrat wird es auch nicht so ganz viel einfacher.“

Offenkundig hat Merz wirklich keine Idee, wie er und Spahn nach der Sommerpause die Zweidrittelmehrheit zusammenbringen wollen. Zu einer erneuten Kandidatur der SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf will er sich jedenfalls auch auf mehrfache Nachfrage nicht äußern. Und mit der Linken soll die Union auch in der Zukunft nicht reden. „Der Beschluss der CDU aus dem Jahr 2017 gilt“, sagt Merz und meint die Entscheidung des Bundesparteitages, weder mit AfD noch mit Linken zusammenzuarbeiten.

An dieser Stelle sei dann doch noch ein kleiner Faktencheck erlaubt. Der betreffende Parteitag fand nicht 2017, sondern im Dezember 2018 statt. Damals gewann eine gewisse Annegret Kramp-Karrenbauer die Kampfabstimmung um den CDU-Vorsitz. Ihr Konkurrent Merz verlor.

Insofern erscheint es fast schon verständlich, dass dieses Ereignis im Gedächtnis des Kanzlers falsch sortiert ist.

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