„Zucker und Zeste“: Tod am Nachmittag, Kater am Morgen: Hemingways berüchtigter Cocktail

  • Juli 14, 2025

Der Death-in-the-Afternoon-Cocktail ist nichts für schwache Nerven. Eine Hommage an Ernest Hemingway und seinen legendären Absinth-Drink. Aber bitte nicht mehr als fünf am Tag.

Wer abends ein wenig melancholisch werden möchte, hat viele Optionen: Man kann alte Briefe lesen, Edith Piaf hören oder – meine Empfehlung – einen Death in the Afternoon trinken, jenen legendären Cocktail von Ernest Hemingway. Zugegeben, die wenigsten von uns haben vermutlich sowohl Absinth als auch Champagner in ihrer Hausbar stehen – was vielleicht auch besser für unsere Leber ist. 

Aber sollten Sie jemals in die Verlegenheit kommen, beiden Zutaten gleichzeitig zu begegnen, wäre es fast fahrlässig, diesen Cocktail nicht auszuprobieren.

Death in the Afternoon – Tod am Nachmittag. Der Name klingt dramatisch, und dramatisch war auch das gleichnamige Sachbuch, das Hemingway 1932 über die spanischen Stierkämpfe verfasste. Der Mann hatte ein Händchen für bildstarke Titel und Drinks. Als das Cocktailbuch „So Red the Nose, or Breath in the Afternoon“ 1935 erschien, in dem Lieblingsrezepte bekannter Autoren gesammelt wurden, trug Hemingway seine Eigenkreation bei.

Seine Anweisung liest sich beinahe wie ein Telegramm: „Pour one jigger absinthe into a Champagne glass. Add iced Champagne until it attains the proper opalescent milkiness. Drink three to five of these slowly.“ Ein Stamperl Absinth ins Champagnerglas, mit eisgekühltem Champagner auffüllen, bis eine milchige Opaleszenz entsteht. Davon drei bis fünf langsam trinken.

Nicht mehr als drei bis fünf am Tag

Drei bis fünf? Langsam? Wer Hemingways Biografie kennt, der weiß: Der Mann trank nicht zu knapp. Dass er diesen knochenknackerharten Mix gleich mehrfach empfiehlt, ist entweder ein Beleg für seine legendäre Trinkfestigkeit oder ein literarischer Scherz. Vermutlich beides. Aber halten wir fest: Wenn selbst der trinkfreudige Hemingway „langsam“ empfiehlt, sollte man vorsichtig sein.

Die Kombination von Absinth und Champagner ist übrigens nicht nur wegen des Alkoholgehalts interessant. Der Absinth mit seinem intensiven Anisaroma und den ätherischen Kräuterölen trifft auf die spritzige Säure und die feinen Bläschen des Champagners. Gibt man den Absinth ins Glas und gießt dann Champagner dazu, bildet sich tatsächlich eine milchige Trübung – der sogenannte Louche-Effekt. Die ätherischen Öle im Absinth sind in hochprozentigem Alkohol gelöst, werden aber durch die Verdünnung mit Champagner aus ihrer Lösung gedrängt und bilden feinste Tröpfchen, die das Licht streuen.

Wobei, ein Jigger Absinth? Das sind immerhin 40 ml, was bei einem Alkoholgehalt von 55 bis 75 Volumenprozent schon eine Ansage ist. Moderne Rezepte empfehlen daher meist bescheidenere 10 bis 15ml Absinth. Das ist immer noch genug, um dem Drink seinen charakteristischen Geschmack zu verleihen, ohne dass man nach dem ersten Glas bereits schief guckt.

Allerdings ist dieser Drink auch bei reduziertem Alkoholgehalt nicht jedermanns Sache – man braucht schon ein Faible für Kräuter im Allgemeinen und Anis im Besonderen, um die Mischung wirklich zu schätzen.

Ernest Hemingways Absinth: Das Comeback des Teufelszeugs

Absinth hat übrigens einen faszinierenden Werdegang hinter sich – vom angesagten Künstlergetränk der Belle Époque über das verrufene, angeblich wahnsinnig machende „Teufelszeug“ bis zum Comeback in unserer Zeit. Die „Grüne Fee“, wie der Absinth aufgrund seiner typischen Farbe genannt wird, verdankt ihren schlechten Ruf nicht dem enthaltenen Thujon aus dem Wermut, sondern billigem Fusel, der Anfang des 20. Jahrhunderts unter dem Namen Absinth verkauft wurde und tatsächlich gesundheitsschädliche Substanzen enthielt.

Heute ist Absinth wieder erhältlich, muss aber strengen Regularien entsprechen. Dass er halluzinogen wirkt, ist ein Mythos. Seine berauschende Wirkung resultiert schlicht aus dem hohen Alkoholgehalt. Also wenn Sie nach dem Death in the Afternoon kleine grüne Feen sehen, dann liegt das nicht am Thujon, sondern daran, dass Sie drei bis fünf zu viel getrunken haben.

Bloß nicht zu früh!

Wann sollte man diesen Drink genießen? Der Name suggeriert den Nachmittag, aber ich würde vorsichtig sein. Ein Death in the Afternoon als Begleitung zum Mittagessen könnte den Rest des Tages in einen unproduktiven Dämmerzustand verwandeln. Besser als Apéritif vor dem Abendessen oder als kontemplatives Getränk für den frühen Abend, wenn man dem Tag beim Sterben zusehen möchte – ganz im Sinne von Hemingways Stierkampf-Metaphorik.

Wie würde Hemingway selbst den Drink heute einordnen? Wahrscheinlich als „verdammt gut“, mit jener knappen Eleganz, die sein Schreiben prägte. Der Death in the Afternoon ist wie eine seiner Kurzgeschichten: Ohne Schnörkel, aber mit jeder Menge Charakter. In diesem Sinne: zum Wohl! Aber bitte in Maßen.

Für den perfekten Death in the Afternoon empfehlen wir folgende Flaschen:

Champagner

Greifen Sie zu einem aromatischen, fruchtigen Champagner mit frischer Säure und einer angenehm trockenen Stilistik. Wer nicht gleich die großen Namen nehmen will, findet auch abseits davon überzeugende Alternativen. Empfehlenswert ist zum Beispiel der Lallier Réflexion. Und wer offen für Regionales ist, wird vielleicht bei einem hochwertigen Winzersekt von Kessler (ich empfehle das Hochgewächs für 14 Euro) fündig.

Absinth

Der La Fée Parisienne Absinthe Supérieure 68% bietet ausgeprägte Noten von Anis und anderen Kräutern, dazu süßliche Noten. Schön ausgewogen. Macht auch in einem Sazerac-Cocktail eine gute Figur! 35 Euro für eine Flasche, an der man sich in der Regel eine Weile erfreut!

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