
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat einen Solidaritätsmechanismus innerhalb der älteren Generation vorgeschlagen, um dem Problem von Altersarmut zu begegnen. Das DIW schlug dafür am Mittwoch in Berlin einen „Boomer-Soli“ vor, der auf sämtliche Alterseinkünfte erhoben werden soll – betroffen wären besonders die geburtenstarken Jahrgänge.
Der Soli würde dem Vorschlag zufolge auf alle Einkommen von Ruheständlern erhoben, also neben gesetzlichen, privaten und betrieblichen Renten auch auf Pensionen und sonstige Versorgungsbezüge sowie möglicherweise auch auf Kapitaleinkünfte. Die Einkünfte einkommensschwacher Haushalte von Seniorinnen und Senioren könnten dadurch um zehn bis elf Prozent steigen, hieß es in einer Studie des DIW.
Vorgeschlagen wird demnach eine Abgabe von zehn Prozent auf Alterseinkünfte ab einer Freigrenze von 902 Euro ohne oder 1048 Euro monatlich mit Einbeziehung von Kapitaleinkünften. Die durchschnittliche Belastung der Alterseinkünfte durch die Abgabe wird unter Berücksichtigung des Freibetrages mit drei bis vier Prozent angegeben.
„Wenn alle Babyboomer im Ruhestand sind, wird das Rentensystem noch deutlich stärker unter Druck kommen als bisher“, erklärte dazu DIW-Experte Peter Haan. „Es wäre nicht fair, die anstehenden Lasten des demografischen Wandels vor allem den jüngeren Generationen aufzubürden“, warnte DIW-Steuerfachmann Stefan Bach. Ein „Boomer-Soli“ träfe „in erster Linie gut versorgte Ruheständler, denen es nicht allzu weh tut“.
Das DIW geht davon aus, dass es mit seinem Modell gelingen könnte, den Anteil der Menschen in Altersarmut von derzeit mehr als 18 Prozent auf weniger als 14 Prozent zu verringern. Das Institut warnt allerdings auch davor, es mit der Umverteilung zu übertreiben. Ansonsten sinke der Anreiz für Erwerbstätige mit mittleren und höheren Einkommen, angemessen für das eigene Alter vorzusorgen.
Einer Umverteilung nur innerhalb des Systems der gesetzlichen Rente, wie es der Sachverständigenrat für Wirtschaft vorgeschlagen hatte, erteilte das DIW eine Absage. Ein solches Modell würde auch Rentnerinnen und Rentner mit mittleren Einkünften relativ stark belasten. Auch spiele die gesetzliche Rente gerade bei wohlhabenderen Haushalten häufig nur eine geringere Rolle – im Gegensatz zu Betriebsrenten und Einkünften aus Vermögen.
Kritisch zu dem DIW-Vorschlag äußerte sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). „Niemand braucht Vorschläge, die den Mangel niedriger Renten nur unter den Rentner*innen umverteilen“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Vielmehr sollten gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Mütterrente aus Steuergeldern bezahlt werden. Auch müssten über mehr Steuergerechtigkeit Menschen mit hohen Einkommen oder großen Vermögen stärker herangezogen werden, forderte Piel.
Das Bundesarbeitsministerium wollte den Vorschlag zunächst nicht bewerten. Eine Sprecherin verwies auf die von der Regierung geplante Kommission, die Vorschläge zur Weiterentwicklung der Alterssicherung für die Zeit nach 2031 erarbeiten solle. Dort könnten Vorschläge wie aktuell der des DIW diskutiert werden, hieß es.
Für eine Berücksichtigung auch vorhandener Vermögen sprach sich das Münchner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus. „Der vorgeschlagene Boomer-Soli mag auf den ersten Blick charmant sein, doch wer die Vermögen bei Rentnerhaushalten nicht mit einbezieht, schießt am Ziel vorbei“, warnte der IW-Ökonom Jochen Pimpertz. Das DIW-Modell berge hier die Gefahr, dass Betroffene sich etwa Guthaben aus einer betrieblichen Altersvorsorge in einer Summe auszahlen ließen, um einem drohenden „Boomer-Soli“ zu entgehen.
Ein klares Nein zu den DIW-Vorschlägen kam von der Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung, Gitta Connemann (CDU). „Jemand, der in die Rente eintritt, der sein Portfolio berechnet hat, (…) dem kann ich nicht so mal über Nacht sagen, ich nehme dir davon zehn Prozent weg“, sagte Connemann den Sendern RTL und ntv. Solche Vorschläge seien „eine Katastrophe und auch Gift für den Standort“.
Die Linken-Rentenexpertin Sarah Vollath sagte hingegen der Nachrichtenagentur AFP, es wäre sinnvoller, wenn „nicht nur reiche Rentner:innen zur Kasse gebeten werden“, sondern „alle Überreichen in Deutschland“. Vollath forderte die Regierung auf, „eine echte Rentenreform anzugehen“.