
Ärztemangel, Klinikschließungen, lange Wartezeiten – als Lösung für diese Probleme werden auch medizinische Versorgungszentren gehandelt. Die Linke will hier mehr Einfluss für Kommunen und Kreise.
Die Linken-Fraktion im Thüringer Landtag spricht sich in den aktuellen Verhandlungen um den kommenden Doppelhaushalt für mehr medizinische Versorgungszentren in kommunaler Hand aus. „Wenn wir mit öffentlichen Geldern das Gesundheitssystem so aufstellen wollen, dass wir eine wohnortnahe und bedarfsgerechte Versorgung haben, dann soll das auch in öffentlicher Hand und gemeinwohlorientiert organisiert sein“, sagte Fraktionschef Christian Schaft der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Demnach sollten Kommunen in die Lage versetzt werden, medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen und über Landkreisgrenzen zu kooperieren. Regionale Gesundheitszentren in öffentlicher Hand sollen im Stile einer „Poliklinik 2.0″ Haus- und Fachärzte, Pflege- und Therapieangebote unter einem Dach vereinen, heißt es in einem entsprechenden Papier der Fraktion zu „Leitlinien für eine vernetzte Gesundheitsversorgung“.
Geld aus Investitionspaket für öffentliche „Poliklinik“
Zuletzt hatte der Kreis Sonneberg die insolventen Medinos Kliniken in Neuhaus am Rennweg übernommen und in ein MVZ überführt. Bei den Anfangskosten der Gründung oder Umwandlung solcher Einrichtungen sollten Kommunen und Kreise finanziell unterstützt werden, verlangte Schaft. Das nötige Geld könne aus dem schuldenfinanzierten Investitionspaket des Bundes kommen. Nach einer Prognose des Finanzministeriums wird Thüringen hier in den nächsten zwölf Jahren jeweils rund 210 Millionen Euro überwiesen bekommen. „Aus unserer Sicht sollte es eine klare Regelung geben, dass aus dem Paket mindestens die Hälfte der Mittel als Infrastrukturmittel auch an die Kommunen bereitgestellt wird.“
Beim Modell der Trägerschaften müsse das Rad nicht neu erfunden werden, so Linken-Fraktionschef Schaft. Es gebe bereits gute Erfahrungen mit Kliniken und Medizin-Zentren in öffentlicher Hand. Das zeige etwa das Beispiel der Ilm-Kreis-Kliniken, die als gemeinnützige GmbH durch den Kreis betrieben werden. Ein Anreiz für Ärzte, die das private Risiko einer Niederlassung scheuen, könne neben der Niederlassungsförderung des Landes und dem Modell der Stiftungspraxen auch das Angestelltenverhältnis in solchen Einrichtungen sein.
Auch Regierung verspricht die „Poliklinik 2.0“
Der Begriff der „Poliklinik 2.0“ findet sich auch im Koalitionsvertrag der Regierung von CDU, BSW und SPD. Mit Blick auf die Pläne des Bundes, die „systemgerechte Verwendung der Beitragsmittel“ bei investorengetriebenen privatwirtschaftlichen MVZ per Gesetz sicherzustellen, hatte sich Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) kritisch geäußert. Es brauche keine „Überregulierung“, sagte er.
Im vergangenen Jahr hatte sich auch die Landesärztekammer für neue Konzepte ausgesprochen, um die Zukunft kleiner Klinikstandorte zu sichern. Es gehe nicht mehr um rein stationäre Versorgung, sagte Kammerpräsident Hans-Jörg Bittrich. Nötig sei die Verbindung mit der ambulanten Betreuung durch Hausärzte, Pflegedienste, Physiotherapeuten und Apotheken. Dafür müssten Land, Kommunen, die Vertretungen der niedergelassenen Ärzte und die Kliniklobby zusammenarbeiten.
Im jährlich erhobenen Thüringen-Monitor hatten sich bereits 2019 rund 99 Prozent der Thüringer für ein Comeback der Polikliniken in Form ambulanter medizinischer Versorgungszentren ausgesprochen.