
Trillerpfeifen, Hupen und laute Musik: Beim ARD-Sommerinterview mit AfD-Chefin Weidel war kaum etwas zu verstehen. Aber was sagen die Aktivisten?
Die lautstarke Störung des ARD-Sommerinterviews mit AfD-Chefin Alice Weidel stößt auf heftige Kritik. Solcher Protest mache die AfD nur stark, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bei RTL/ntv. Der AfD-Politiker Markus Frohnmaier forderte eine Wiederholung des Fernsehgesprächs. Darauf besteht Weidel selbst nach Angaben ihres Sprechers Daniel Tapp aber nicht – zumal sie das Interview trotz des Lärms hatte fortsetzen wollen.
Die ARD kündigte an, man wolle auch künftig „Gespräche mit Spitzenpolitikern im Herzen der Hauptstadt auch im Freien und direkt vor dem Bundestag führen“. Man werde mit der Polizei des Bundestages und der Berliner Polizei sprechen, ob und welche zusätzlichen Vorkehrungen für die nächsten geplanten Sommerinterviews sinnvoll seien, erklärte eine Sprecherin. Dann werde entschieden, ob sie vor Ort oder im Studio geführt würden. Sicherheitskonzepte für Livesendungen würden überprüft und angepasst.
Spontandemo und Kunstaktion
Das am Sonntagnachmittag live im Internet übertragene Interview wurde im Berliner Regierungsviertel an der Spree unter freiem Himmel geführt. Eine Demonstration am anderen Spreeufer mit Trillerpfeifen, Hupen und lauter Musik mit Anti-AfD-Slogans war in der Übertragung laut zu hören. Weidel beklagte sich bei Interviewer Markus Preiß, dass seine Fragen nicht zu verstehen seien.
Hinter den aus einem Bus übertragenen Anti-AfD-Gesängen steckt nach eigenen Angaben die Gruppe Zentrum für Politische Schönheit. In der Nähe hatten sich nach Angaben der Berliner Polizei zudem etwa 40 Personen zu einer „Spontankundgebung“ unter Leitung einer 64-jährigen Frau eingefunden. Einige von ihnen trugen Westen mit der Aufschrift „Omas gegen Rechts“. Der Verein „Omasgegenrechts Deutschland“ erklärte aber auf Anfrage, dies sei nicht seine Aktion gewesen und man kenne die Beteiligten nicht.
„Sehr schlechter Stil“
Weidel kritisiert die Störaktion, wie ihr Sprecher Tapp mitteilte: „Es zeugt von sehr schlechtem Stil, ein Interview zu stören.“ Das schade der Debattenkultur. Eine juristische Auseinandersetzung sei aber nicht geplant, erklärte Tapp.
Auf Nachfrage bestätigte der Sprecher, dass Preiß und Weidel sich während einer kurzen Pause für einen Einspielfilm verständigt hätten, das Interview fortzusetzen. „Im Hinblick darauf, dass das Interview live gestreamt wurde, hätte ein Abbruch auch als Kapitulation vor den Störern gewirkt“, erklärte Tapp.
DJV gegen Wiederholung
AfD-Fraktionsvize Frohnmaier meinte dennoch im Gespräch mit dem Portal „Politico“: „In einer solchen Situation hätte die ARD für ein faires, ungestörtes Interview ins Studio ausweichen müssen.“ Und er forderte: „Ich erwarte, dass das Gespräch unter fairen Bedingungen wiederholt wird.“
Dem widersprach der Deutsche Journalistenverband. „Eine Wiederholung des Interviews unter Studiobedingungen käme einer Überhöhung der AfD-Vorsitzenden gleich, für die es keinen Anlass gibt“, erklärte DJV-Chef Mika Beuster auf Anfrage. Allerdings sei der Erkenntnisgewinn des Publikums wegen der Störungen wohl nicht allzu groß. Nach Angaben des WDR sahen 1,56 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer die Sendung im Ersten, eine halbe Million mehr als in der vergangenen Woche Bundeskanzler Friedrich Merz. Der Marktanteil erreichte diesmal demnach 12,1 Prozent.
Linnemann gegen „kaputtschreien“
CDU-Generalsekretär Linnemann übte grundsätzlichere Kritik. „Wenn man die AfD stark machen will, soll man ruhig solche Interviews stören“, sagte er in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“. Man könne den Wähler nicht ignorieren und „kaputtschreien“, sondern müsse die AfD inhaltlich bekämpfen.
„Weidel ist nur daran interessiert, schlechte Nachrichten zu konsumieren und dann den Champagner aufzumachen“, meinte Linnemann. Aber: „Das wurde leider überlagert durch diese lauten Schreie. Das bringt gar nichts in der Demokratie.“ BSW-Chefin Sahra Wagenknecht meinte: „Wer glaubt, die AfD niederschreien zu müssen, demonstriert damit nur seine eigene undemokratische Arroganz und Hilflosigkeit.“
Aktivisten weisen Kritik zurück
Das sogenannte Zentrum für politische Schönheit hat bereits mehrfach für Aufsehen gesorgt. So hatte es etwa eine Nachbildung des Berliner Holocaust-Mahnmals in der Nachbarschaft des Wohnhauses des AfD-Politikers Björn Höcke in Thüringen aufgestellt, Bilder des US-Milliardärs Elon Musk mit einer Geste, die dem Hitlergruß ähnelt, an die Fassade des Tesla-Werks bei Berlin projiziert oder in Berlin ein riesiges Plakat mit CDU-Chef Friedrich Merz und Weidel in inniger Umarmung aufgehängt.
Der Sprecher des Zentrums, Philipp Ruch, wies auf dpa-Anfrage Kritik an der Aktion zurück. Die AfD liege in Umfragen bei 25 Prozent. „Diese Partei braucht nicht die politische Kunst, um richtig „groß“ zu werden.“
Keine staatliche Förderung
Das Zentrum erhalte „nicht einen Cent“ staatliche Förderung, bekräftigte Ruch. Auch „Omasgegenrechts Deutschland“ wird nach eigenen Angaben nicht staatlich gefördert. Weidel hatte während des Interviews gesagt, man wisse nicht, ob der Protest „nicht mit deutschen Steuergeldern über irgendwelche NGOs angeschoben“ sei.
Ihr Fraktionskollege Bernd Baumann sprach beim Sender „Welt“ davon, dass NGOs und ein „großer Teil der Medien“ mit Hilfe der Berliner Polizei die freie Meinungsäußerung unterdrückten. Die Berliner Polizei habe bewusst nicht eingegriffen.
Die Berliner Polizei verteidigte hingegen ihr Vorgehen. Das Spannungsfeld zwischen Versammlungsfreiheit und Schutz der öffentlichen Ordnung sei sorgfältig abgewogen worden, erklärte die Behörde. „Die Polizei Berlin handelte in dieser Lage unparteiisch, deeskalierend und von der geltenden Rechtslage gedeckt.“