Vorfall an Hochschule: Nach Antisemitismus-Kritik: Kunsthochschule bildet Ethikrat

  • Juli 21, 2025

Ein Werk an der Kunsthochschule Halle sorgt für Kritik – und zwingt die Leitung zum Handeln. Die Debatte zeigt, wie unterschiedlich Kunstszene und gesellschaftliche Akteure Kunstfreiheit verstehen.

Nach anhaltender Kritik an mutmaßlich antisemitischen Darstellungen bei ihrer diesjährigen Jahresausstellung hat die Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle die Gründung eines unabhängigen Ethikrats angekündigt. Das Gremium soll Empfehlungen für den Umgang mit Kunstfreiheit, gesellschaftlicher Wirkung und öffentlicher Kritik entwickeln, wie die Hochschule mitteilte. Ziel sei eine „strukturierte, sachliche und nachhaltige Auseinandersetzung mit den Spannungsfeldern zwischen Kunstfreiheit, gesellschaftlicher Wirkung und öffentlicher Kritik“.

Auslöser der Debatte war ein Kunstwerk auf dem Campus Kunst, das laut dem Bündnis gegen Antisemitismus Halle eine übergroße Palästinaflagge sowie eine plastische Form zeige, die an antisemitische Schmähdarstellungen aus dem Mittelalter erinnere – insbesondere an die Darstellung eines Schweinekopfs. Die Kritiker werfen der Hochschule vor, antisemitische Bildsprache unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit zu dulden.

„Kunst darf provozieren“ – Hochschule verteidigt Ausdrucksfreiheit

Die Hochschule weist das zurück. Bei dem Werk handle es sich um ein „abstraktes Relief“, das bereits im Frühjahr 2023 entstanden und im selben Jahr gezeigt worden sei – also vor Beginn des Gaza-Kriegs. Der Entstehungsprozess wurde maßgeblich von Professor Bruno Raetsch begleitet, hieß es in einer Stellungnahme. Das Werk ist laut Raetsch „im Rahmen einer experimentellen Auseinandersetzung mit nicht-figürlichen künstlerischen Formen und Materialien entstanden“. Eine inhaltliche oder gar politische Botschaft sei dabei weder formuliert noch angestrebt worden. Die farbliche Überarbeitung kam nach Angaben der Hochschule erst in diesem Jahr hinzu und soll die Empathie des Künstlers mit der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen ausdrücken.

„Kunst darf provozieren, irritieren und gesellschaftliche Normen hinterfragen“, betonte Rektorin Bettina Erzgräber. Die Hochschule betonte zugleich, dass die Kunstfreiheit nicht unbegrenzt gelte. Sie ende dort, wo die verfassungsmäßigen Rechte anderer verletzt würden – etwa bei Volksverhetzung. Ob eine Grenze überschritten sei, müsse juristisch geprüft werden. Die Aufgabe der Hochschule bestehe in der Dokumentation und gegebenenfalls Meldung solcher Fälle. Die Einführung eines unabhängigen Ethikrats soll bei künftigen Debatten helfen. 

Inzwischen hat die Hochschule Strafanzeige gegen einzelne öffentliche Äußerungen gestellt. Die Burg Giebichenstein beruft sich auf die im Grundgesetz garantierte Kunstfreiheit. Diese schütze nicht nur das künstlerische Ergebnis, sondern auch den Prozess, unabhängig von Geschmack oder gesellschaftlichem Konsens.

„Freiheit ist Verantwortung“ – Forderung nach Aufarbeitung

Das Bündnis gegen Antisemitismus kritisierte das Vorgehen scharf. Sprecher Hajo Berger sprach von einem widersprüchlichen Signal: Einerseits wolle man Hinweise ernst nehmen, andererseits Kritiker rechtlich belangen. Auch die Ankündigung eines Ethikrats wertete das Bündnis als Versuch, die Diskussion in die Zukunft zu verlagern.

Der Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt zeigte sich ebenfalls tief besorgt. Die Darstellung auf dem Hochschulgelände habe „tiefes Entsetzen und Besorgnis in der jüdischen Gemeinschaft ausgelöst“. Man fordere eine unabhängige Prüfung, eine klare Abgrenzung gegenüber antisemitischen Inhalten und eine Aufarbeitung. „Freiheit ist nicht Beliebigkeit. Freiheit ist Verantwortung“, so der Verband. 

Kunstfreiheit sorgt auch in Sachsen für Debatten

Auch in Sachsen beschäftigt das Thema Kunstfreiheit und gesellschaftliche Verantwortung immer wieder die Kunsthochschulen. Die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig betonte auf Anfrage, sie verstehe sich als Ort öffentlicher Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen. Dabei sei es zentral, „einen differenzierten, vielschichtigen und Ambiguitäten tolerierenden Diskurs zu ermöglichen“. Studierende müssten in einem geschützten Raum frei experimentieren können – auch wenn ihre Positionen nicht mit denen der Institution übereinstimmen. Zugleich positioniere sich die HGB entschieden gegen jede Form von Antisemitismus und Diskriminierung.

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