
Im bundesweiten Vergleich ging es Thüringens Kommunen bisher finanziell recht gut. Doch das ändert sich dramatisch, geht aus einer Studie hervor. Was sind die Gründe dafür?
Thüringen gegen den Bundestrend: Während die Kommunen bundesweit historische Defizite verbuchen, liegen die Städte, Kreise und Gemeinden im Freistaat finanziell bisher im Plus. Allerdings ist der Ausblick getrübt vor allem bei Steuereinnahmen und Investitionen, geht aus dem neuen kommunalen Finanzreport der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh hervor. Thüringens Landesregierung will mit einem kreditfinanzierten Investitionsprogramm für die Kommunen mit jährlich 250 Millionen Euro gegensteuern.
„Der Ausblick ist pessimistisch“
Seit 2011 erwirtschafteten Thüringens Kommunen laut Studie regelmäßig einen Überschuss – 2024 belief er sich auf 277 Millionen Euro. Nun verschlechtere sich jedoch ihre Finanzlage. „Der Ausblick für die kommenden Jahre ist pessimistisch“, heißt es in dem Bericht. Der Grund: Ihre Steuereinnahmen seien als Folge der Konjunkturschwäche gesunken, ihre Investitionen dauerhaft niedrig. Ausgaben für Personal, Sachkosten und Sozialleistungen würden ungebremst wachsen. Hinzu kämen ein dauerhaft erhöhtes Ausgabenniveau durch die Inflation.
Die finanzielle Handlungsfähigkeit, auch die der Thüringer Kommunen, stehe damit langfristig infrage. „Kommunen schultern über 50 Prozent der öffentlichen Investitionen und sind wichtig für den sozialen Zusammenhalt. Wir brauchen eine Staatsreform, weil die Kommunen diese wichtigen Aufgaben sonst nicht mehr wahrnehmen können.
Auch Bund und Länder müssen sich für eine dauerhafte Verbesserung der kommunalen Situation engagieren“, erklärte Brigitte Mohn, Vorständin der Bertelsmann Stiftung. Sie plädierte für eine „eindeutige Finanzierungsverantwortung beim Bund“. Gerade Sozialleistungen seinen vielfach durch Bundesgesetze bestimmt.
Trotz Rekords Investitionskraft schwach
Laut Studie stiegen die Ausgaben der Kommunen um neun Prozent. Die Personalausgaben erhöhten sich innerhalb von zehn Jahren um über 60 Prozent als Folge von mehr Stellen und aus Sicht der Stiftung hoher Tarifabschlüsse. Der laufende Sachaufwand von Städten, Gemeinden und Kreisen wuchs durch die Inflation um fast ein Drittel in zwei Jahren. Die Sozialausgaben erhöhten sich innerhalb von zwei Jahren um mehr als ein Viertel auf nunmehr 1,9 Milliarden Euro.
Bei den Investitionen verbuchten Thüringens Kommunen im vergangenen Jahr einen Rekordwert von 1,1 Milliarden Euro – sie seien aber im regionalen Vergleich schwach. Die höchsten Investitionen stemmten die Kommunen in Bayern – immerhin pro Einwohner fast das Doppelte des thüringischen Wertes, so die Stiftung.
„Die thüringischen Kommunen fallen infrastrukturell weiter zurück“, äußerte René Geißler, Mitautor der Studie und Professor für öffentliche Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau. 2024 seien ihre Steuereinnahmen gesunken. „Das ist ein besorgniserregender Befund“, so Geißler.
Letzter Platz bei Steuereinnahmen
Das gelte auch für die Steuereinnahmen im Ländervergleich. „Thüringen steht im Bundesländervergleich an letzter Stelle und wurde jüngst sogar von Mecklenburg-Vorpommern überholt. Hessen erzielt je Einwohner:in das doppelte Steueraufkommen“, heißt es in der Studie. Mit den Kreisen Altenburger Land, Hildburghausen und Greiz lägen einige der bundesweit schwächsten Kommunen in Thüringen. Selbst Jena erreiche je Einwohner nicht den Bundesdurchschnitt. Positiv vermerkt sie, dass Kassenkredite als Krisenindikator für Thüringens Kommunen bisher kein Thema seien.
Thüringens Landesregierung hat angekündigt, ein Investitionsprogramm mit einem Volumen von insgesamt einer Milliarde Euro bei der Aufbaubank aufzulegen, um den Investitionsstau in den Kommunen zumindest zu verringern. Sie sollen Geld als Kredite erhalten, für deren Zinsen und Tilgung das Land aufkommen will.