Partymeile: Sexismus und Exzesse: Welche Ballermann-Klischees stimmen?

  • August 4, 2025

Die einen feiern dort tagelang, andere rümpfen die Nase: Der Ballermann auf Mallorca spaltet die deutschen Urlauberinnen und Urlauber. Was ist dran an den Vorurteilen?

Wer von seinem geplanten Sommerurlaub auf Mallorca erzählt, fügt gelegentlich den Satz hinzu: „Aber wir fliegen nicht zum Ballermann!“ Die Partymeile in El Arenal genießt bei einigen Deutschen einen eher zweifelhaften Ruf. Viele haben das Bild von grölend-betrunkenen Horden im Kopf, die am Strand aus Eimern Sangria trinken und deren Artikulation ab den Mittagsstunden stark abnimmt.

Doch es ist wie so oft: Man sollte sich erst eine Meinung bilden, wenn man schon mal vor Ort war. Was sagen Ballermann-Profis zu den gängigsten Klischees?

Wer am Ballermann feiert, ist asozial!

Stimmt nicht, sagt Partysänger Tobee („Aua im Kopf“, „Helikopter 117″), der seit fast 20 Jahren im Bierkönig auftritt. „Die Menschen hier wollen die Freiheit genießen, losgelöst von ihrem Job. Du bist hier mit jedem schnell im Gespräch, egal welchen Beruf du hast“. Der 40-Jährige führt im zweiten Leben übrigens eine Zahnarztpraxis bei Ulm.

Wer an einem der Stehtische im Megapark oder im Raucherbereich vom Bierkönig verweilt, kommt fast unweigerlich ins Gespräch: mit dem 18-jährigen Amateurfußballer aus Oberbayern, dem Handwerker aus dem Ruhrpott oder der Apothekerin von der Ostsee. Soziale Herkunft, Alter und Wohnort sind hier in der Regel völlig egal. 

Diese Erfahrung machte auch ein Reporter des seriösen „Zeitmagazin“ in diesem Jahr, als er für eine Reportage seine Ballermann-Premiere feierte: „Man kann mit keinem sprechen, ohne umarmt zu werden. Alle hier liegen sich ständig in den Armen.“

Daraus folgert der Pop-Soziologe Dr. Sacha Szabo vom Institut für Theoriekultur Freiburg: „Diese Feiergemeinschaft mit ihrer zeitweiligen und freiwilligen Aufgabe der Selbstkontrolle ist keineswegs im eigentlichen Sinn asozial, sondern im Gegenteil, sie ist vielmehr ultrasozial.“ Das Feierphänomen könne man am besten als „Karneval das ganze Jahr“ beschreiben.

Die Lieder verherrlichen Alkohol und Sexismus!

Dass die Ballermann-Songs dem Alkoholgenuss eher unkritisch begegnen, wird wohl niemand ernsthaft bestreiten. Wer nur ein verdünntes Bier, also ein Radler, bestellt, wird in dem wohl größten Hit des Jahres von Rumbombe als „Hurensohn“ beschimpft. Weitere Partyschlager an der Playa heißen „Saufbuddy“, „Suffpilot“ oder „Sternhagelvoll“. 

Doch Lieder über den Alkohol habe es bereits in der humanistisch geprägten Renaissance gegeben, erklärt der Musikwissenschaftler Gregor Herzfeld von der Universität Regensburg in einer ZDF-Doku über den Ballermann. Überliefert sei etwa ein Text über den Kater am Tag nach dem Gelage: „Von edler Art spie ich im Bad.“

Auch sexistische Inhalte – in denen Frauen (oft durch Doppeldeutigkeiten) als Objekt degradiert werden – gehören am Ballermann dazu. „Dich kennt der ganze Laden, vom Kopf bis zu den Waden“, heißt es im Song „Olivia“. Andere grölen: „Geiler Arsch, geiler Blick, geiles Stück: Anna-Lena“.

„Ob der Partyschlager generell sexistisch ist, ist eine schwierige Frage, da die Grenzen individuell sind und verschwimmen“, sagt Musikwissenschaftlerin Marina Forell in der ZDF-Dokureihe. „Ich glaube aber, dass durch einige Texte insbesondere Frauen, wenn sie länger darüber nachdenken würden, schon ins Grübeln kommen, warum das jetzt so formuliert werden muss und es eigentlich nicht zu ihren Gunsten ist, was da gesungen wird.“ 

Sängerin Frenzy („3er“) hält die Kritik oftmals für übertrieben: „Keiner, der im Bierkönig steht und laut „Layla“ mitgrölt, will damit irgendwen verletzen, garantiert nicht.“

Am Ballermann saufen sich alle ins Koma und prügeln sich!

Natürlich kommen viele deutsche Touristen zum Trinken an den Ballermann, stehen schon um 11.00 Uhr zum Freibier im Megapark und landen am frühen Abend völlig betrunken am Strand. Wenn alkoholisierte Männer aufeinandertreffen, gibt es immer wieder auch Schlägereien – wie auf Volksfesten oder am Rande von Fußballspielen. Gemessen an der Masse von Besuchern sei das Aggressionspotential aber gering, sagen die Behörden vor Ort.

„Die Urlauber im Allgemeinen sind nicht gewalttätig. Bei den Schlägern handelt es sich um eine Minderheit, die wohl durch Alkoholexzesse angetrieben wird“, sagte der Chef der Wache der Nationalpolizei an der Playa de Palma, Francisco Javier Santos, der Deutschen Presse-Agentur.

„Die meisten Urlauber an der Playa, die hauptsächlich aus Deutschland und den Niederlanden kommen, sind normale Leute, die mit ihren Familien oder Freundesgruppen kommen. Die wollen Spaß haben und den Urlaub genießen.“ Auf die Frage, ob er den Ballermann als sicheren Ort bezeichnen würde, antwortete Santos: „Ohne Zweifel.“

Frauen müssen am Ballermann Angst haben!

Auch hier gilt: Wo betrunkene Männerhorden auftauchen, gibt es auch immer wieder sexuelle Übergriffe. Frauen berichten vom „Klaps auf den Po“ oder von sexistischen Sprüchen in Bars und Diskotheken. In den Läden an der Promenade werden T-Shirts mit Slogans wie „I love Pussy“ verkauft. Für großes Aufsehen sorgen vereinzelte Fälle von angezeigten Gruppenvergewaltigungen in Hotels, wie zuletzt 2023. 

Doch die Sorge, die Liedtexte könnten Frauen zum Freiwild machen, teilen Behörden nicht. Es gebe „sehr wenige, beziehungsweise sogar fast gar keine“ Einsätze wegen sexualisierter Gewalt an der Playa, sagt der örtliche Polizeichef. Und wer dann doch zu sehr über die Stränge schlägt, betrunken Einheimische nervt und Frauen belästigt, für den hat Sänger Tim Toupet (53) das passende Ballermann-Lied parat: „Geh nach Haus, du hast Inselverbot. Du fliegst raus, denn du bist ein Idiot.“

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