
Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf ist von der SPD als Verfassungsrichterin nominiert. Ihre Wahl ist vorerst an der Union gescheitert. Nun kommen neue Vorwürfe.
Die als Verfassungsrichterin nominierte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf wehrt sich gegen neue Vorwürfe des österreichischen Plagiatssuchers Stefan Weber. Rechtliche Schritte gegen den Kommunikationswissenschaftler seien bereits in Vorbereitung, schrieb der von Brosius-Gersdorf beauftragte Anwalt Gernot Lehr auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur DPA.
Weber hatte in einem 86 Seiten starken Papier, über das zuerst die „Bild“-Zeitung berichtete, den Vorwurf des „Ghostwriting“ erhoben: Brosius-Gersdorfs Ehemann Hubertus Gersdorf soll demnach als heimlicher Autor für die Dissertation der Professorin von 1997 tätig gewesen sein. Dafür gebe es keine „Tatsachengrundlage“, kontert ihr Anwalt.
Weber hatte bereits im Juli mit Blick auf Brosius-Gersdorfs Dissertation Vorwürfe erhoben. Dazu hatte Brosius-Gersdorf bei einer Stuttgarter Kanzlei ein Kurzgutachten beauftragt und veröffentlicht: „Die Prüfung hat ergeben, dass die Vorwürfe unbegründet sind und keine Substanz haben“, erklärten die Rechtsanwälte Michael Quaas und Peter Sieben damals. Nun geht die Auseinandersetzung in die nächste Runde.
Richterwahl von Frauke Brosius-Gersdorf war im Juli gescheitert
Brosius-Gersdorf ist von der SPD für das Bundesverfassungsgericht nominiert. Teile der Union haben jedoch Vorbehalte, unter anderem wegen früherer Äußerungen der Juristin zum Abtreibungsrecht und zu Corona-Impfungen. Ihre Wahl – gemeinsam mit zwei weiteren Nominierten für das höchste Gericht – war im Juli im Bundestag kurzfristig abgesagt worden.
In seinem neuen Papier verweist der „Plagiatsjäger“ Weber auf „Textübereinstimmungen“, die die These des Ghostwriting aus seiner Sicht „stark plausibilisieren“. Als „Indizien“ werden unter anderem „gemeinsame Zitierfehler und gemeinsame distinkte Formulierungen“ angeführt. Zudem fänden sich unter den Quellen der Textübereinstimmungen Texte, die Hubertus Gersdorf vor 1997 publiziert habe.
Anwalt Lehr weist dies in einem sechsseitigen Schreiben zurück und spricht von einem „unzutreffenden, haltlosen und ehrverletzenden Vorwurf“. Brosius-Gersdorf „schrieb ihre Dissertation allein“, heißt es darin. „Die Dissertation wurde nicht in Teilen von Herrn Prof. Gersdorf (…) geschrieben“. Für den von Weber erhobenen Ghostwriting-Vorwurf gebe es „keine Tatsachengrundlage“.
Zu den angeführten Zitierfehlern schrieb Lehr: „Dass sowohl Brosius-Gersdorf in ihrer Dissertation als auch Gersdorf in seiner Habilitation Zitierfehler begangen haben sollen und derselbe Zitierfehler Gersdorf auch bereits in früheren Publikationen passiert sein soll, lässt den Vorwurf des Ghostwriting nicht zu. Daraus kann allenfalls abgeleitet werden, dass Brosius-Gersdorf in ihrer Dissertation und Gersdorf in seiner Habilitation beide den betreffenden Zitierfehler von Gersdorf in einer früheren Publikation wiederholt haben.“ Das Konsultieren früherer Publikationen Dritter – auch des Ehemanns – entspreche wissenschaftlichem Arbeiten.
Koalition hat keine Lösung für Richterwahl
Politiker der Union hatten Brosius-Gersdorf einen Rückzug von der Nominierung nahegelegt – nicht wegen möglicher Vorbehalte gegen ihre wissenschaftliche Arbeit, sondern wegen der politischen Widerstände in der Unionsfraktion. Die SPD hält hingegen an der Benennung der Verfassungsrechtlerin fest. Nach wie vor ist offen, wie CDU, CSU und SPD das Dilemma auflösen wollen.
Die Universität Hamburg, die Brosius-Gersdorf auf Grundlage ihrer Dissertation promoviert hatte, bestätigte auf DPA-Anfrage: „Die Universität Hamburg (UHH) kann bestätigen, dass die Ombudsstelle im Zusammenhang mit der aktuellen medialen Berichterstattung über die genannten Personen neue Hinweise erhalten hat. Gemäß der geltenden „Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zur Vermeidung wissenschaftlichen Fehlverhaltens“ werden alle vorliegenden Hinweise derzeit sorgfältig geprüft.“
Weber betonte auf DPA-Anfrage, sein Team und er arbeiteten „nach den fachlich anerkannten Methoden der sogenannten Stilometrie“. Auf die Frage nach seinen Auftraggebern erklärte er, sowohl die Erstprüfung der Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf als auch die erneute Prüfung seien „aus freien Stücken erfolgt“. Er fügte hinzu: „Allerdings haben wir mittlerweile Spenden erhalten, die die Kosten zu circa 50 Prozent decken können.“