
Für das erste Halbjahr steht ein leichtes Plus in der Bilanz. Doch die deutsche Exportwirtschaft gerät zunehmend unter Druck. Der Zollkonflikt mit den USA droht zur Dauerbelastung zu werden.
Leichtes Plus für „Made in Germany“ im ersten Halbjahr, aber trübe Aussichten: Deutschlands Exporteure sehen sich vor schweren Zeiten – vor allem wegen der aggressiven Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump. „Die Zölle benachteiligen uns auf dem Weltmarkt und treffen den Mittelstand hart in einer anhaltend herausfordernden Zeit“, sagt der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. Die „erratische Handelspolitik der USA“ schlage sich deutlich im Außenhandel nieder, die Unsicherheit im Handelsgeschäft steige.
Die Lage in der Industrie in Deutschland bleibt angespannt: Die Produktion sank im Juni überraschend, zudem gingen in dem Monat weniger neue Aufträge ein als im Vormonat, wie aus jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Die Industrie scheine „weiterhin in einer sehr langen Talsohle zu stecken“, so die Analyse von ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.
EU und China machen schwaches US-Geschäft wett – noch
Die deutschen Exporte stiegen im Juni unterdessen trotz eines erneut schrumpfenden Geschäfts auf dem wichtigen US-Markt überraschend kräftig. Insgesamt wurden in dem Monat Waren aus deutscher Produktion im Wert von 130,5 Milliarden Euro ins Ausland geliefert – ein Plus von 0,8 Prozent zum Vormonat und 2,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie die Wiesbadener Statistiker mitteilten. Steigende Nachfrage aus der Europäischen Union und China machte im Juni das schwächelnde US-Geschäft mehr als wett.
Im Geschäft mit den USA gab es den dritten Rückgang in Folge – auch deshalb, weil viele Geschäfte in Erwartung höherer Handelsbarrieren vorgezogen worden waren. Zwar gingen auch im Juni die meisten deutschen Exporte in die Vereinigten Staaten. Allerdings sank der Warenwert im Vergleich zum Mai des laufenden Jahres um 2,1 Prozent auf 11,8 Milliarden Euro. Das war der niedrigste Stand seit Februar 2022 mit damals 11,2 Milliarden Euro. Verglichen mit dem Juni 2024 nahmen die deutschen Ausfuhren in die USA kalender- und saisonbereinigt sogar um 8,4 Prozent ab.
Leichtes Exportplus im Halbjahr
Das vom Zollstreit mit den USA geprägte erste Halbjahr schlossen Deutschlands Exporteure mit einem leichten Plus ab. Waren „Made in Germany“ im Gesamtwert von 785,6 Milliarden Euro wurden in den sechs Monaten ins Ausland vermarktet. Das waren 0,6 Prozent mehr als von Januar bis Juni 2024, wie aus den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht.
Spürbare Rückgänge gab es für deutsche Hersteller im ersten Halbjahr allerdings im Geschäft auf den besonders wichtigen Märkten USA (minus 3,1 Prozent) und China (minus 13,5 Prozent). US-Präsident Trump versucht, die heimische Wirtschaft mit Hilfe höherer Zölle zu stärken. Das verteuert Einfuhren in die Vereinigten Staaten – eine Bürde für die exportorientierte deutsche Wirtschaft.
Ökonomen warnen vor langer Schwächephase
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet mit einer wahrscheinlich langfristigen Schwäche des US-Geschäfts: „So dürften die höheren Zölle die preisbereinigten Exporte in die USA in den kommenden zwei Jahren um schätzungsweise 20 bis 25 Prozent fallen lassen.“
Nach Einschätzung von ING-Ökonom Brzeski könnte vor allem der deutsche Mittelstand zum Opfer der US-Zölle werden, da kleine und mittlere Unternehmen mehr Schwierigkeiten haben, ihre Produktion zu verlagern. Zudem verteuert der stärkere Euro Ausfuhren auf den Weltmärkten tendenziell. „Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass die Exporte bald wieder ein bedeutender Wachstumsmotor für die deutsche Wirtschaft sein könnten“, schreibt Brzeski.
Industrieproduktion auf niedrigstem Stand seit Corona-Pandemie
In den Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes ging die Fertigung von Mai auf Juni dieses Jahres nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 1,9 Prozent zurück. Damit erreichte die Produktion den niedrigsten Stand seit Mai 2020, als die Corona-Pandemie für einen Einbruch der Fertigung gesorgt hatte. Auch im Mai wurde nach jüngsten Zahlen des Bundesamtes weniger produziert.
Produktionsrückgänge gab es im Juni vor allem im Maschinenbau, in der Pharmaindustrie und in der Nahrungsmittelindustrie. Einer Erhebung des Münchner Ifo-Instituts zufolge hat sich die Stimmung in der chemischen Industrie hierzulande im Juli „deutlich verschlechtert“. Die weiterhin schwache Industriekonjunktur belaste die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen – sowohl im Inland als auch im Ausland, erklärte das Ifo. Viele Unternehmen planen demnach einen weiteren Stellenabbau.
„Keine Impulse für dauerhaften Aufschwung“
Das Bundeswirtschaftsministerium ordnet ein: „Die schwache Entwicklung der Industrieproduktion im zweiten Quartal dürfte teilweise Ausdruck einer Gegenbewegung zu den Vorzieheffekten im Zusammenhang mit den angekündigten Zollerhöhungen sein.“ Wegen der US-Zölle seien aber „auch zu Beginn des dritten Quartals keine Impulse für einen dauerhaften Aufschwung der Industriekonjunktur absehbar“, heißt es aus dem Ministerium.
Seit Donnerstagmorgen gelten für die meisten EU-Importe in die USA Zölle von 15 Prozent. US-Präsident Trump hatte lange mit einem Satz von 30 Prozent gedroht, die EU-Kommission hatte dann in einer Grundsatzvereinbarung eine Reduzierung ausgehandelt. Der Deal ist jedoch umstritten: Kritiker werfen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor, sie habe versäumt, den europäischen Markt im Gegenzug mit gleichwertigen Zöllen vor Einfuhren der US-Konkurrenz zu schützen.