Meinung: Dieser Rückzug von Reiner Haseloff ist richtig

  • August 7, 2025

Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff tritt 2026 nicht wieder zur Landtagswahl an. Übernimmt deshalb dann die AfD die Macht? Bloß keine Panik. 

Der AfD-Besieger tritt ab. Reiner Haseloff wird nicht noch einmal für das Amt des Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt kandidieren. Das erklärte der CDU-Politiker jetzt, ein gutes Jahr vor der Landtagswahl. Ein Beben, heißt es nun vielerorts. Eine Zäsur. Eine Katastrophe. 

Wirklich? 

Reiner Haseloff macht Platz

Ja, der dienstälteste Ministerpräsident der Bundesrepublik zieht sich zurück, ein erfahrener Mann, zweifellos. Authentisch. Bodenständig. Und unerbittlich gegen die radikale AfD, die erstmals reale Chancen auf die Sitzmehrheit in einem Landesparlament zu besitzen scheint. Auf gut 37 Prozent der Zweitstimmen kam sie bei der Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt.

Und dennoch: Haseloffs Rückzug und die Übergabe der Spitzenkandidatur an einen Jüngeren sind richtig. 

Erstens war ein Generationenwechsel fällig. Oder soll der längst amtierende Ministerpräsident der Republik, der am Wahltag 72 wäre, als wandelnde Lebensversicherung der Demokratie antreten, bis er 100 ist? Schon 2021 wollte er eigentlich aufhören. Und zuletzt merkte man ihm die Last des Amtes häufiger als früher an. Soll er die AfD irgendwann mit dem Krückstock klein halten? Bitte nicht. 

Zweitens ist eine plurale Demokratie keine One-Man-Show. Die CDU hat einen anderen, vorzeigbaren Kandidaten: Sven Schulze, 46, CDU-Landesvorsitzender, seit 2021 Haseloffs Wirtschaftsminister, davor Abgeordneter im Europaparlament. Geboren in Sachsen-Anhalt. Noch mag er unbekannter sein als der Landesvater. Aber der Wahlkampf beginnt ja erst noch.

Und drittens: In Zeiten, in denen demokratische Politiker ständig vom „letzten Schuss für die Demokratie“ daherreden, wirkt die Entscheidung bemerkenswert mutig. Und klug. Denn der AfD in Sachsen-Anhalt bricht ihr zentrales Wahlkampfthema weg: Die Partei hatte mit ihrem 34-jährigen Spitzenkandidaten Ulrich Siegmund auf einen Wahlkampf gegen den „Joe Biden von Sachsen-Anhalt“ gesetzt.

Eines muss Haseloff sich allerdings ankreiden lassen: Er zögerte viel zu lange mit der Entscheidung und produzierte damit ein monatelanges Rätselraten. Das macht den Wahlkampf für Schulze nun kürzer und schwerer als nötig. Haseloff hätte ihn längst stärker als seinen Nachfolger aufbauen müssen. 

Jetzt muss Schulze nur innerhalb eines Jahres einiges aufholen: an Bekanntheit, an Beliebtheit und an politischer Power. Und dies nicht aus dem Amt des Ministerpräsidenten, das ja immer noch Haseloff besetzt.

Dass der Wirtschaftsminister Potenzial besitzt, blitzte bei der gemeinsamen Pressekonferenz der beiden auf: „5000 Telefonnummern sind wichtiger für dieses Bundesland als eine halbe Million Follower auf Tiktok“, sagte Schulze mit Bezug auf den AfD-Konkurrenten Siegmund. Er stellt damit eine richtige Frage: Wollen die Bürger wirklich einen Tiktoker als Ministerpräsidenten? 

Dennoch, es wird schwierig werden, die AfD von der Macht fernzuhalten. Selbst wenn Schulze diese Wahl gewinnt. Denn die „politische Mitte“ gibt, so wie anderswo im Osten Deutschlands, kaum noch Mehrheiten her. Die einstige Volkspartei SPD? Eine Randerscheinung. Grüne und FDP? Kaum wahrnehmbar. Am Ende könnte das BSW den Rechtsextremen zur Mehrheit verhelfen.

Schulze muss auch seine eigenen Leute in den Griff bekommen. Nirgendwo in der CDU wird die Brandmauer zur AfD so lautstark infrage gestellt wie in Sachsen-Anhalt. Würden CDU-Abgeordnete in einer geheimen Wahl Siegmund sogar zum Ministerpräsidenten wählen? Schulze muss diese Öffnung verhindern. Sonst geht er als derjenige Politiker in die bundesdeutsche Geschichte ein, der den Anfang vom Ende der Volkspartei CDU einleitete. 

Das ist die historische Dimension dieser Landtagswahl im kleinen Sachsen-Anhalt.

Reiner Haseloff ließ bei der Verkündung seines Rückzugs keinen Zweifel an der Haltung seines Nachfolgers. Schulze habe „eine ganz klare Abgrenzung zur AfD“, sagte Haseloff. Auch deshalb habe er ihn als Nachfolger auserkoren.

Für Sven Schulze beginnen jetzt die härtesten Monate seines politischen Lebens. Vielleicht werden es auch Jahre, wer weiß. Das alles ist aber kein Beben und erst recht keine Katastrophe. Es ist Demokratie.

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