Rohstoffe: Unweit des Ammersees wird wieder nach Erdgas gebohrt

  • August 11, 2025

Anwohner und Naturschützer hatten lange versucht, die neue Erdgassuche in Oberbayern zu verhindern. Ohne Erfolg, wie sich nun herausstellte. Denn hinter dem Zaun ist die Faktenlage längst eine andere.

Am Ende dauert es fast 72 Stunden, bis die offizielle Mitteilung da ist. Erst um 12.57 Uhr am Montagmittag bestätigt ein Sprecher der Regierung von Oberbayern auf Anfrage, was viele Augen- und Ohrenzeugen seit Freitagnachmittag bereits erahnen: In der idyllischen Gemeinde Reichling unweit des Ammersees hat die umstrittene Bohrung nach Erdgas begonnen. 

Damit ist das Projekt deutlich später gestartet als geplant. Ursprünglich hatten die Bohrarbeiten im ersten Quartal 2025 beginnen sollen, hatten sich aber immer wieder verzögert. In den vergangenen Tagen war ein etwa 40 Meter hoher Bohrturm errichtet worden.

Tagelang keine offizielle Bestätigung für Bohrung 

Damit ist die lange Geschichte um die Gasförderung in der Gegend um ein Kapitel erweitert worden. Tagelang hatte eine offizielle Bestätigung des Bohrbeginns gefehlt, weder die Regierung von Oberbayern noch das Wirtschaftsministerium oder das Unternehmen hatten entsprechenden Anfragen beantwortet. Vor Ort waren aber bereits seit Freitagnachmittag teils sehr laute Bohrgeräusche von der Anlage zu hören gewesen. 

Es handelt sich zunächst um die Probebohrung, welche einen verfüllten Zugang zu der vermuteten Gasspeicherstätte offenlegen soll. Bereits in den 1980er Jahren war in Reichling nach Gas gesucht worden, damals wurde das Projekt aber wegen mangelnder Lukrativität wieder ad acta gelegt. Im Zuge der steigenden Energiepreise seit Ausbruch des Ukraine-Krieges setzte dann aber eine Neubewertung ein. 

Erkundungsbohrung soll vier Wochen dauern

Sollte die Probebohrung erfolgreich verlaufen, wird im Anschluss die Gasförderung starten. „Für die Erkundungsbohrung sind vier Wochen eingeplant, im Anschluss erfolgt der vollständige Abbau der Bohranlage“, hieß es von der verantwortlichen „Energieprojekt Lech Kinsau 1 GmbH“.

Seit den 1950er Jahren wurden laut Ministerium im bayerischen Alpenland fast 60 Gasfelder entdeckt – viele Vorkommen sind längst ausgebeutet. Bayern konnte in den 1970er Jahren etwa 30 Prozent seines Gasbedarfs aus heimischen Lagerstätten decken, inzwischen sind es nur noch 0,1 Prozent. Seit vielen Jahren stagniert die Gasförderung auf sehr niedrigem Niveau. Nur von der Lagerstätte Inzenham-West bei Rosenheim wurde bislang Gas gefördert.

Nächste Demonstration soll am Samstag stattfinden

Vor mehr als einem Jahr, am 26. Juni 2024, hatte das Bergamt Südbayern die Probebohrung genehmigt. Seither war es vor Ort nicht nur zu vielen Arbeiten auf dem Bohrplatz gekommen, seitens der Bevölkerung und von Umweltschützern hatte sich auch ein massiver Protest entwickelt. Dieser soll auch weitergehen, am Samstag soll es die nächste Demonstration geben. 

Die Anwohner fürchten etwa um ihre Trinkwasserversorgung, da die Quelle des Ortes nicht weit entfernt liegt. Die Region sorgt sich zudem vor negativen Auswirkungen auf Immobilienpreise und den Wirtschaftsfaktor Tourismus. Das Unternehmen hatte seinerseits immer betont, es bestehe keine Gefahr für die Umwelt und die Förderung als klimafreundliche „Brückenenergie“ dargestellt.

Ruf nach Bohrstopp 

Dennoch hatte es immer wieder Proteste gegeben, fast 50.000 Unterschriften wurden gesammelt und Aktivisten drangen mehrfach auf das Gelände ein. Ohne Erfolg, wie nun klar ist. „Was hier in Reichling geschieht, ist Unrecht. Jedes weitere Erdgasvorkommen, das ausgebeutet wird, heizt die Klimakrise an“, sagte Saskia Reinbeck von Greenpeace. Sie rief Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) erneut auf, die Bohrung zu stoppen.

Aiwanger hatte dagegen immer erklärt, Bayern habe keinen Spielraum bei den Genehmigungen. Zwar verstehe er die Skepsis von Anwohnern, aber wenn alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten seien, bestehe ein Rechtsanspruch, „den ich nicht verweigern kann“, teilte er im Herbst 2024 mit und verwies auf das Bundesrecht. Dagegen kam ein von Greenpeace und dem Bund Naturschutz vorgelegten Rechtsgutachten zu einem gegenteiligen Ergebnis. 

Gas für 10.000 bis 15.000 Haushalte vermutet 

Die „Energieprojekt Lech Kinsau 1 GmbH“ ist zu 80 Prozent im Besitz der MRH Mineralöl-Rohstoff-Handel GmbH mit Sitz in Düsseldorf und wird zu 20 Prozent von der Genexco GmbH gehalten. Das Unternehmen plant eine Förderung von Erdgas über zehn bis 15 Jahre. In mehr als 3000 Metern Tiefe wird eine Gasmenge von 400 bis 500 Millionen Kubikmetern vermutet, diese könnte den heimischen Gasbedarf von 10.000 bis 15.000 Haushalten decken. 

Mit 96 Prozent wird der Gas-Bedarf in Deutschland fast vollständig aus Importen gedeckt, wie die Gas- und Wasserstoffwirtschaft e.V. auf Anfrage der dpa mitteilte. Zahlen des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie zufolge wurden im Jahr 2024 in Deutschland 4,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert, mehr als 98 Prozent davon in Niedersachsen.

  • Ähnliche Beiträge

    • August 11, 2025
    Verletzung: Nach Bruch am Auge: Pavlovic nimmt Lauftraining auf

    Die Fraktur an der Augenhöhle ist kaum operiert, schon kehrt Aleksandar Pavlovic auf den Trainingsplatz zurück. Der Fußball-Nationalspieler muss beim FC Bayern aber vorerst allein trainieren.

    • August 11, 2025
    Von Citroen bis VW: Sie waren Luxusautos – heute kosten sie unter 20.000 Euro

    Bentley, Rolls-Royce, Maybach – diese Luxus-Limousinen kennt die Welt. Doch auch abseits der Platzhirsche gibt es Komfort und Ausstattung ohne Ende. Eine Übersicht.

    Du hast verpasst

    Verletzung: Nach Bruch am Auge: Pavlovic nimmt Lauftraining auf

    • August 11, 2025
    Verletzung: Nach Bruch am Auge: Pavlovic nimmt Lauftraining auf

    Umweltschutz: Umweltminister lobt erste Anlage für Schiffsrecycling

    • August 11, 2025
    Umweltschutz: Umweltminister lobt erste Anlage für Schiffsrecycling

    Von Citroen bis VW: Sie waren Luxusautos – heute kosten sie unter 20.000 Euro

    • August 11, 2025
    Von Citroen bis VW: Sie waren Luxusautos – heute kosten sie unter 20.000 Euro

    Trump-Deal: US-Regierung kriegt 15 Prozent bei Chip-Verkäufen nach China

    • August 11, 2025
    Trump-Deal: US-Regierung kriegt 15 Prozent bei Chip-Verkäufen nach China

    Studie: Hitzewellen sorgen für Rückgang der Bestände tropischer Vögel

    • August 11, 2025
    Studie: Hitzewellen sorgen für Rückgang der Bestände tropischer Vögel

    Gesundheit: Rund 80 Hausärztestellen unbesetzt – AfD kritisiert Pläne

    • August 11, 2025
    Gesundheit: Rund 80 Hausärztestellen unbesetzt – AfD kritisiert Pläne