
„Heute steht an jeder Grasnarbe ein Ermittler“: Felix von Manteuffel langweilt die Krimischwemme im deutschen TV, wie er hier verrät.
„Es gäbe so viele andere Geschichten, die man erzählen könnte“: Schauspieler und Hörbuchsprecher Felix von Manteuffel (80) kritisiert im Interview mit spot on news die Krimischwemme im deutschen TV. Er erklärt auch, wie es um seine Karriere steht und spricht über sein neues Projekt: Im Hörbuch zu „Himmelerdenblau“ (der Hörverlag, ab 27.8.), dem neuen Thriller von Romy Hausmann, leiht er dem demenzkranken Theo seine Stimme. Außerdem verrät Felix von Manteuffel, warum seine Frau, Schauspielerin Leslie Malton (66), ihn momentan nicht mit in ihre amerikanische Heimat nehmen möchte.
Sie haben die Rolle des Theo in „Himmelerdenblau“ eingesprochen. Wie war die Arbeit an dem Hörbuch für Sie?
Felix von Manteuffel: Es war sehr schön und sehr intensiv. Es hat mich wirklich bewegt und aufgewühlt wie selten – vor allem Theo, die Figur, die ich sprechen durfte. Ein dementer Vater, der nach zwanzig Jahren noch einmal versucht, seine verschwundene Tochter zu finden. Er glaubt nicht, dass sie einfach weg ist oder ermordet wurde.
Was macht diese Figur so besonders?
Felix von Manteuffel: Sie ist vielschichtig, sehr fein gezeichnet von der Autorin. Ein konservativer Knochen zwar, aber man lernt, ihn zu mögen, trotz seiner seltsamen Seiten. Er liebt seine an Krebs verstorbene Frau und seine verschwundene Tochter. Mit der anderen Tochter ist es schwierig. Auch weil Theo Aussetzer hat, wie es bei Demenz vorkommt. Ich kenne das aus dem eigenen Umfeld.
Im Buch spielt ein True-Crime-Podcast eine große Rolle. Hören Sie solche Formate?
Felix von Manteuffel: Nein. Ich frage mich, wo die Leute, die Podcasts hören, die Zeit dafür hernehmen. Genauso wenig verstehe ich die Menschen, die Serien in einem Rutsch wegschauen können. Meine Frau und ich haben das vielleicht anderthalb Mal gemacht. Einmal bei „The West Wing“ – das hat sich gelohnt. Und bei einer anderen Serie haben wir irgendwann aufgehört, weil es sich alles wiederholt hat. Das ist wohl einfach nichts für mich.
Können Sie die Faszination für True Crime nachvollziehen?
Felix von Manteuffel: Eigentlich nicht. Wenn es – wie im Buch – darum geht, alte Fälle von vor 20 Jahren wieder aufzuwärmen, mag das im Einzelfall ehrenwert sein. In anderen Fällen ist es wie in „Himmelerdenblau“ – da geht es um Karriere statt Aufklärung und um das Aufheizen der Sache für die Reichweite. Und das ist doch zumindest fragwürdig.
Würden Sie „Himmelerdenblau“ auch privat lesen?
Felix von Manteuffel: Es firmiert unter Thriller – und Thriller, Krimis, das ist einfach nicht mein Genre. Es gibt so viel zu lesen. Ich kenne ja nicht mal die Weltliteratur ansatzweise. Warum also Krimis? Mich zieht es zu Hölderlin, zu Kleist. Als ich „Himmelerdenblau“ dann gelesen habe, war ich aber richtig begeistert. Weil die Autorin Figuren unglaublich präzise beschreibt. Die Krimihandlung läuft mit und hält die Spannung hoch. Aber das Wesentliche sind die Charaktere. Und die sind stark. Das ist das Schöne an meinem Beruf: Man begegnet Dingen, die man sonst nie entdeckt hätte – und wird manchmal wunderbar überrascht. So wie hier.
Krimis dominieren auch im deutschen Fernsehen. Kritiker sprechen von einer regelrechten Krimischwemme. Stimmen Sie zu?
Felix von Manteuffel: Voll und ganz. Es gäbe so viele andere Geschichten, die man erzählen könnte. Als ich anfing, und auch selbst im „Tatort“ mitspielte, gab es vielleicht fünf, sechs TV-Kommissare. Hansjörg Felmy, Gustl Bayrhammer und ein paar andere und das war es. Heute steht an jeder Grasnarbe ein Ermittler. Kommissare in den Alpen, am Meer, in Spanien – wohin man schaut. Mich langweilt das. Ich gucke das alles nicht.
Sie blicken auf eine lange Karriere vor der Kamera zurück. Was hat sich aus Ihrer Sicht im Laufe der Jahre am stärksten verändert?
Felix von Manteuffel: Die Zeit. Die ist viel weniger geworden. Technisch geht durch die Digitalisierung alles schneller. Aber trotzdem wird nicht präziser gearbeitet als früher, weil weniger Zeit angesetzt ist für Drehs. Bleiben wir beim „Tatort“: Als ich das erste Mal mitgespielt habe, hatten wir 32 Drehtage. Heute sind es manchmal nur 18, vielleicht 20, maximal 21 – das ist ein riesiger Unterschied. Der Druck ist enorm geworden, die Kosten sind gestiegen. Aber gespart wird eben nicht am Drumherum – sondern an der Produktion selbst. Und das merkt man.
Ist das ein spezifisch deutsches Problem?
Felix von Manteuffel: Meine Frau ist Amerikanerin und wir haben Kontakt zu Schauspielern dort. Auf der einen Seite sind wir in Deutschland fast schon gesegnet, weil man hier als Schauspieler tatsächlich leben kann von seinem Beruf. In den USA ist das viel, viel härter. Ich habe mal in Kalifornien gedreht, für eine deutsche Produktion. Es gibt unzählige Schauspieler dort, die kaum überleben können. Wenn sie es dann schaffen, werden sie dafür oft gleich Millionäre.
Und was fehlt hierzulande?
Felix von Manteuffel: Es wird hier oft alles glattgebügelt, Mainstream ohne Ecken und Kanten geliefert, mit denselben bekannten Gesichtern in den Hauptrollen und teilweise sehr schwach besetzten Nebenrollen. Das ist natürlich nicht durchgängig so. Aber es ist auffallend, dass in den USA vom Taxifahrer bis zum Pförtner alle noch so kleinen Rollen von tollen Schauspielern besetzt sind. Sie sind alle umfassend ausgebildet, können singen, tanzen und sind körperlich sehr fit. Auch wir sind damals auf der Schauspielschule früh aufgestanden, um Sport zu machen. Aber jetzt herrscht ein viel größerer Jugendwahn und die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler müssen sehr, sehr fit sein.
Gibt es noch einen Rat, den Sie jungen Kollegen mit auf den Weg geben würden?
Felix von Manteuffel: Ja, und das wiederhole ich immer wieder: Sprache. Es ist erstaunlich, wie oft man im Fernsehen heute Mühe hat, junge Kollegen überhaupt zu verstehen. Da gibt es diese Vorstellung von Natürlichkeit, die dazu führt, dass genuschelt wird. Und das wird dann für authentisch oder normal gehalten. Dabei gilt doch: Wer etwas erzählt, muss auch verstanden werden. Das hat nichts mit Unnatürlichkeit zu tun, sondern mit Handwerk. Deutlich sprechen – das ist kein Mangel an Natürlichkeit, das ist Professionalität. Das ist bei vielen jungen Schauspielern heute ein Problem. Nicht bei allen – aber es ist ein Trend.
Wie würden Sie das aktuelle Kapitel Ihrer Karriere beurteilen – gerade mit Blick auf Angebote?
Felix von Manteuffel: Es ist eine fürchterliche Zeit. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich Rentner bin und finanziell abgesichert. Ich habe viel gedreht für das Fernsehen, aber es ist anders als bei meiner Frau: Sie hatte diesen riesigen Erfolg mit „Der große Bellheim“ – sowas bleibt bei den Leuten im Gedächtnis. Sie achtet sehr darauf, welche Rollen sie annimmt, und hatte zum Glück oft die Möglichkeit, auch abzusagen. Bei mir war das manchmal anders, weil ich drehen will und das Geld gerne nehme, auch wenn ich die Rolle nicht so toll finde. Denn Drehen ist eben auch etwas Schönes – man trifft Kollegen, man arbeitet gemeinsam. Nur ist es heute enorm schwer, wenn man keinen großen Namen hat. In diesem Jahr läuft bei mir bisher gar nichts. Aber noch bedrückender finde ich die Lage am Theater. Ich möchte nicht mehr reisen, ich will in Berlin bleiben. Und gerade hier gab es viele Einsparungen. Es sind harte Zeiten.
Reisen Sie mit Ihrer Frau noch regelmäßig in die USA?
Felix von Manteuffel: Ja, meine Schwiegermutter und meine Schwägerin leben in Kalifornien. Im Januar waren wir dort. Was uns da noch mehr beschäftigt hat als Trumps Amtseinführung, waren die Brände rund um Los Angeles. Wir haben Freunde, die wortwörtlich auf gepackten Koffern saßen. Zwei Bekannte von dort sind inzwischen sogar nach Kanada gezogen. Die Brände, die Erdbebengefahr und dann noch Trump als Präsident – das ist ihnen zu viel. Meine Frau hat mir jetzt auch gesagt, dass sie im Augenblick nicht möchte, dass ich beim nächsten Mal mitkomme in die USA – aus Angst, dass mir was passiert. Und sie hat vermutlich recht, bei den linken Umtrieben in meiner Jugend. Aber es macht mich schon wütend, wenn ich daran denke, dass ein Vollidiot wie Trump einem sogar den Besuch bei der Familie verleiden kann. Ich bin sehr gerne drüben – ich mag die Menschen dort. Die Freundlichkeit, die viele Europäer als oberflächlich bezeichnen, tut mir gut. Mir ist ein freundliches Lächeln, mag es auch oberflächlich sein, allemal lieber als tiefgründige Unfreundlichkeit. Und davon gibt’s hier in Europa – besonders in Berlin – ja leider mehr als genug.