
Gletscher schmelzen, Wälder leiden – und immer häufiger fehlt Wasser. Fotografinnen und Fotografen der Deutschen Presse-Agentur dokumentieren, wie sichtbar die Klimakrise Deutschland verändert.
Gletscher schmelzen weg, Wälder stehen unter Stress und immer häufiger haben Seen und Flüsse zu wenig Wasser. Die Folgen des Klimawandels sind auch in Deutschland längst spürbar geworden.
Kein Wunder: Nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes hat sich Deutschland im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bereits um 2,6 Grad erwärmt – also überdurchschnittlich stark.
Das kann man nicht nur etwa an Hitzewellen spüren, sondern auch sehen. Die Deutsche Presse-Agentur hat begonnen, an verschiedenen Orten in Deutschland systematisch zu dokumentieren.
Immer im August bilden dpa-Fotografinnen und -Fotografen seit einigen Jahren an exakt den gleichen Standorten Wälder, Seen und Gletscher ab – beziehungsweise das, was von ihnen übrig ist.
Die Serien sind noch zu kurz, um die Folgen von Klimaveränderungen langfristig abzubilden. Trotzdem lassen sich in den Bildern Anzeichen für Veränderungen erkennen, die sich Experten zufolge zuspitzen dürften. Einige Beispiele.
Gletscher – ein hoffnungsloser Fall
„Es ist mehr oder weniger hoffnungslos für die Gletscher in Deutschland“, hält Hermann Lotze-Campen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung fest. „Der langfristige Trend mit steigenden Temperaturen und vor allen Dingen weniger Frosttagen, was sich ja auch in den höheren Lagen auswirken wird, führt einfach dazu, dass die Gletscher nach und nach abschmelzen werden.“
Dieser Prozess ist schon relativ weit fortgeschritten: Nach Angaben des Deutschen Alpenvereins (DAV) haben die Alpengletscher seit 1850 mehr als die Hälfte ihrer Fläche und ein Drittel des Eisvolumens verloren. Man rechne unter Bezug der Klimamodelle bis Mitte des Jahrhunderts mit einem weiteren Verlust des Eisvolumens von 50 Prozent im Vergleich zu heute. Gegen Ende des Jahrhunderts dürften die Alpen so gut wie eisfrei sein, so der DAV.
Als Erste werden den Forschern zufolge Watzmann- und Blaueisgletscher bei Berchtesgaden ihren Status als Gletscher verlieren. Das könnte schon sehr bald sein – und damit schneller erwartet. „Sie sind akut bedroht“, sagt der Geograf Wilfried Hagg von der Hochschule München.
Danach könnte es den Nördlichen Schneeferner an der 2962 Meter hohen Zugspitze treffen. Ende des Jahrzehnts dürfte er nicht mehr als Gletscher gelten. Gerade erst hat Hagg den Gletscher besucht und sagt: „Ich war schockiert wie noch nie.“ Denn das Abschmelzen geht in immer größeren Schritten voran. Nur der Höllentalferner, ebenfalls im Zugspitzgebiet, könnte länger überleben, vielleicht noch bis 2035.
Das Verschwinden der Gletscher hat Folgen – nicht nur auf den Skitourismus, sondern auch, weil viele Gletscher wichtig als Wasserspeicher sind.
„Je nach lokaler Lage ist es so, wenn die Gletscher jetzt mehr und mehr abschmelzen, dann führt das natürlich zu mehr Wasser, was unten rausfließt“, erklärt Experte Lotze-Campen, der mit seinem Team die Folgen der Erderwärmung erforscht – auch mit Blick auf Land- und Wassernutzung.
„Das kann dann im Zweifelsfall auch zu vermehrt Hochwasser unten im Tal führen und irgendwann sind die Gletscher weg und dann führt es aber zu möglicherweise vermehrtem Niedrigwasser, weil dann im Sommer von oben nichts mehr nachfließt.“ Außerdem werde es häufiger zu Gesteinsabbrüchen und Geröll-Lawinen kommen, wenn der Permafrost abschmelze.
Gestresste Wälder
Hitze, Trockenheit, Pilze und Käfer setzen den deutschen Wäldern besorgniserregend zu. Bei den häufigsten Baumarten sind vier von fünf Bäumen krank, wie das Bundesagrarministerium im Frühsommer nach einer Erhebung für 2024 mitteilte. Trotz relativ günstiger Wetterbedingungen im vergangenen Jahr liegen die Schäden weiter auf „sehr hohem Niveau“, wie es in dem Bericht heißt.
„Wälder sind wichtige Kohlenstoffspeicher“, sagt Klimaforscher Lotze-Campen. „Jetzt stellen wir aber fest, dass eine Kombination aus höheren Temperaturen, länger anhaltenden Trockenphasen, Stürmen und Stress durch Schädlinge den Wald belastet.“
Mit Blick auf die Notwendigkeit und das Ziel, als Land klimaneutral zu werden, betont der Experte: „Netto-Null bis 2045 beinhaltet eben auch, dass die Kohlenstoffspeicher in Form von Wäldern nicht nur erhalten bleiben, sondern möglichst auch noch ausgebaut werden sollten, damit eben die Emissionen, die in Sektoren entstehen, wo sie schwer zu vermeiden sind, kompensiert werden können. Die Wälder sind ein ganz wichtiger Bestandteil der Netto-Null-Strategie und deswegen ist es auch so wichtig, dass die eben gut erhalten bleiben.“
Genau das steht jedoch zunehmend auf der Kippe: In den letzten Jahren ergab die Bundeswaldinventur, dass der Wald durch die enormen Schäden mittlerweile mehr Kohlenstoff abgibt, als er aufnehmen kann – also nicht mehr zum Erreichen der Klimaziele beiträgt, sondern sie sogar erschwert.
Vergleichsbilder aus den vergangenen drei Jahren aus der Eifel machen auch sichtbar: Es dauert extrem lange, bis Bäume nachwachsen. Maßnahmen wie Wiederaufforstungen zeigen deshalb erst nach Jahrzehnten wirklich Wirkung. „Wir leben ja nicht in den Tropen, wo ein Baum in drei Jahren drei Meter wächst“, meint Lotze-Campen dazu.
Gefährdete Oasen – die Seen
„Wie der Wasserstand in einem See ist, hängt davon ab, wie die Niederschläge sind und es hängt davon ab, wie hoch die Temperatur ist, weil durch eine höhere Temperatur mehr Wasser verdunstet“, erklärt Lotze-Campen. „Das ist ein ganz wichtiger Faktor, auch für die Zukunft. Denn selbst wenn die Niederschläge gleich bleiben würden, steigen ja die Temperaturen – und damit die Verdunstung.“
„Wir beobachten bei manchen Seen, gerade im Osten Deutschlands, eine deutliche Absenkung des Wasserstandes“, so der Klimaforscher – sogar schneller als Hydrologen dies erwartet hätten. „Das wird natürlich irgendwann zum Problem für die Uferregionen – es gibt Probleme beim Baden, Probleme für den Schiffsverkehr. Da liegen dann irgendwann die Stege frei, sodass manche Boote gar nicht mehr anlegen können.“
Dem Umweltbundesamt zufolge bringen sinkende Wasserstände auch viele ökologische Probleme mit sich: So könnten sich am Ufer Brutgebiete für Vögel oder Laichgebiete für Fische verkleinern oder ganz verloren gehen. Außerdem könnten sich in einem schrumpfenden Volumen des Seewassers Schadstoffe stärker konzentrieren und der See erwärme sich schneller – mit Folgen für Wasserqualität und Ökosysteme.