
Ein Pilotprojekt in der nordhessischen Stadt soll helfen, die Population der invasiven Art durch Sterilisation der Tiere einzudämmen. Der Landesjagdverband geht dagegen nun vor.
Das Pilotprojekt des Bundesverbandes der Wildtierhilfen (BVW) zur Reduzierung der Waschbären-Population in Kassel steht auf dem Prüfstand. Der Landesjagdverband Hessen (LJV) hat nach eigenen Angaben eine juristische Prüfung bei der zuständigen Naturschutz- und Veterinärbehörde angestoßen. Das Regierungspräsidium Kassel bestätigte den Eingang des Schriftsatzes.
Bei dem europaweit einzigartiges Pilotprojekt fängt und sterilisiert ein Team aus rund 30 Ehrenamtlichen und zehn Tierärzten seit Anfang August Waschbären im Stadtgebiet. Anschließend werden die Tiere wieder in die Freiheit entlassen. Ziel ist es laut dem Verband, die Population zunächst stabil zu halten, indem keine neuen Tiere hinzukommen. In den folgenden Jahren werde ein Bestandsabbau von etwa 20 Prozent angestrebt.
Das von der Stadt Kassel unterstützte Projekt wird laut BVW wissenschaftlich begleitet durch die Universität Bonn. Alle behördlichen Genehmigungen lägen vor, das Vorgehen sei konform mit geltendem EU-Recht, hatte der Verband erklärt.
Jagdverband hält Annahmen für wissenschaftlich widerlegt
„Nach Auffassung des LJV stellt dieses Vorgehen einen erheblichen Eingriff an einem Wirbeltier dar, der sowohl einer tierschutzfachlichen als auch einer tierversuchsrechtlichen Genehmigung durch die Obere Veterinärbehörde bedarf“, teilte der Landesjagdverband mit. „Wie das Regierungspräsidium Kassel auf Anfrage bestätigte, liegen entsprechende Anträge nicht vor.“
Darüber hinaus basiert das Projekt nach Einschätzung des LJV auf Annahmen, die wissenschaftlich eindeutig widerlegt seien. So hätten Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt festgestellt, dass weder die These eines „Bestandsanstiegs durch Bejagung“ noch die Annahme eines territorialen Verhaltens der Tiere belastbar seien. Ebenso verweise die Universität darauf, dass die Freisetzung invasiver Arten nach dem Fang nach EU-Verordnung und Bundesnaturschutzgesetz ausdrücklich untersagt sei.
Verband: Aussetzen invasiver Arten verboten
„Es ist nicht erklärbar, warum ein einmal gefangener Waschbär nach einer Sterilisation wieder freigesetzt wird“, erklärte Verbandspräsident Jürgen Ellenberger. Auch ein sterilisierter Waschbär fresse weiter Singvögel, Bodenbrüter und Amphibien. „Nach EU-Recht ist der Waschbär eine invasive Art, die zurückgedrängt werden muss. Das Aussetzen invasiver Arten ist grundsätzlich verboten.“
Für den Verband sei es nicht akzeptabel, dass ohne Genehmigungen und ohne wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis chirurgische Eingriffe an Wildtieren vorgenommen und diese anschließend wieder ausgesetzt würden. „Es wurde daher eine juristische Prüfung bei der zuständigen Behörde angestoßen.“
Behörde will Projekt prüfen
Das RP Kassel kündigte an, dem nachzukommen. Der Schriftsatz des LJV liege vor, man werde auf den BVW und die Stadt Kassel zugehen, sagte ein Sprecher der Behörde. „Das sind auch schon laufende Vorgänge, die sowieso schon angestoßen wurden, nachdem das Projekt öffentlich wurde“, erläuterte er. Nach eingehender Prüfung werde man über das weitere Vorgehen beraten und entscheiden.
Derzeit gilt für erwachsene Waschbären in Hessen eine Schonzeit von März bis Ende Juni. Die schwarz-rote Landesregierung will das ändern. Die ganzjährige Jagdzeit für Waschbären ist nach Angaben des hessischen Landwirtschafts- und Jagdministeriums im Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Hessischen Jagdverordnung enthalten.