Glückliche Füße: Barfußschuhe für Kinder: Was ist dran an dem Trend?

  • August 22, 2025

Barfußschuhe geben Kinderfüßen jede Menge Freiheit: Die Zehen haben Platz, und die Sohle ist elastisch. Aber sind sie wirklich so gesund, wie manche behaupten?

Was macht Barfußschuhe so besonders?

Barfußschuhe versuchen, das Barfußlaufen zu imitieren: Sie sind anatomisch der natürlichen Fußform nachempfunden und deshalb an den Zehen deutlich breiter als herkömmliche Schuhe. Dazu sind sie in allen Richtungen elastisch, um den Fuß an keiner Stelle zu limitieren, und haben eine komplett gerade Sohle. Es gibt also keinen Absatz und damit keine sogenannte Sprengung (Höhenunterschied zwischen Ferse und Vorfuß). Laufen in Barfußschuhen kommt dem Barfußlaufen damit sehr nah. 

Sind Barfußschuhe im Gegensatz zu normalen Schuhen für Kinderfüße wirklich so viel besser?

„Absolut“, sagt Dr. Sandra Breyer, Kinderorthopädin aus Hamburg. Ein herkömmlicher Schuh bringt den Fuß in eine unnatürliche Position, zum Beispiel durch eine gewisse Enge, Steifheit und Erhöhung. In Barfußschuhen dagegen gibt es kein Fußbett, das Längsgewölbe wird nicht gestützt, die Ferse nicht eingefasst. „Das ermöglicht eine natürliche Bewegungsfreiheit und Belastung der Füße und Gelenke.“

Das ist vor allem für Kinderfüße wichtig: Sie bestehen anfangs zum Großteil aus Knorpelgewebe. Erst nach und nach verknöchert das Fußskelett, bis mit der Pubertät die endgültige Fußform entstanden ist. „Für eine gesunde Entwicklung sollten Füße deshalb so natürlich wie möglich belastet werden“, sagt Breyer. „Eine Studie zeigt zum Beispiel: Wer viel barfuß läuft, hat deutlich seltener eine Schiefstellung der Großzehe, auch als Hallux valgus bekannt.“

Was passiert, wenn Kinder den falschen Schuh tragen?

Konventionelle Schuhe schränken die Zehenbeweglichkeit und Fußmuskulatur im Vergleich zum Barfußlaufen ein. Dadurch können Verletzungen und Verformungen entstehen. „Je rigider ein Schuh ist, desto höher wird das Risiko, dass sich der typische Kinder-Knick-Senkfuß nicht zum stabilen Erwachsenenfuß entwickelt“, sagt Breyer. 

Gibt es Studien, die das belegen?

Ja. Eine zusammenfassende Studie zeigt zum Beispiel, dass bei viel barfuß laufenden Kindern das Risiko für einen bleibenden Knick-Senkfuß niedriger und der Fuß stabiler aufgerichtet ist – was mit einem geringeren Verletzungsrisiko einhergeht. Die Studienautoren schreiben: „Konventionelle westliche Schuhe schützen zwar vor Witterungseinflüssen und Infektionen, doch die meisten ihrer Designelemente haben keinen nachgewiesenen biomechanischen Nutzen und können sogar schädlich sein.“ Sie gehen davon aus, dass das Tragen minimalistischer Modelle wie Barfußschuhe das Potenzial hätten, die motorische Gesundheit der Allgemeinbevölkerung ein Leben lang zu verbessern. 

Eine Untersuchung der Universität Jena zeigt außerdem: Im Vergleich zu Kindern, die in Schuhen laufen lernen, können diejenigen, die überwiegend barfuß laufen, besser springen und balancieren.

Welche herkömmlichen Schuhe sind besonders problematisch und warum?

„Zum einen sind das Kindersneaker, bei denen sich die Sohle vorne nach oben biegt, sagt die Orthopädin. Was zum Joggen sinnvoll ist, da einen diese Form des Schuhs in eine Vorwärtsbewegung bringt, sei für ein kleines Kind nicht gut: Schuhe mit Abrollhilfe treiben sie die ganze Zeit unwillkürlich nach vorne. Durch die kleine Schuhgröße mache sich auch die Sprengung deutlich bemerkbar: „Auf einen Schuh in Größe 39 umgerechnet, entspricht das schnell einem Fünf-Zentimeter-Absatz. Diese Vorfußbelastung ist für ein Kind sehr unnatürlich und führt dazu, dass es instabil und unruhig steht.“ Auch Schuhe, die vorne sehr schmal sind, eignen sich nicht für Kinder.

Ab welchem Alter sind Barfußschuhe geeignet? 

Generell braucht ein Kind erst dann richtige Schuhe, wenn es draußen mehrere hundert Meter selbstständig gehen kann und möchte. „Schuhe, auch Barfußschuhe, sind dann vor allem dazu da, dass sich das Kind nicht verletzt oder auf zu kalten oder zu heißem Boden laufen muss“, sagt Breyer. Alternativ seien anfangs auch Lederschläppchen ausreichend, in den kälteren Monaten ergänzt mit wasserdichten Überziehern. 

„Sogenannten Lauflernschuhe aus Leder, die durch eine passive Fixierung angeblich die Fußstellung verbessern oder die motorische Entwicklung fördern, sind in meinen Augen nur eine clevere PR-Strategie und nicht nötig.“ Auch wenn der Fuß durch einen stabilen Schuh zwar optisch besser stehe, sei er durch die Fixierung in seiner natürlichen Entwicklung eingeschränkt. „Ein kindlicher, flexibler, gesunder Knick-Senkfuß braucht bis zum Alter von sechs Jahren keine passive Unterstützung, sondern weiche Schuhe.“

Muss man sich an Barfußschuhe gewöhnen?

Für Erwachsene kann sich vor allem der harte Fersenauftritt erst mal ungewohnt anfühlen. „Ich habe mir anfangs kleine Silikoneinlagen in die Schuhe gelegt, um den Bereich etwas abzufedern“, erzählt die Expertin. „Speckige Kinderfüßchen brauchen das aber vielleicht nicht: Sie sind ohnehin viel besser gepolstert.“

Kann man Barfußschuhe auch im Winter tragen?

Ja, denn es gibt auch Modelle, die wasserdicht und gefüttert sind. „Dass sich das vielleicht ein bisschen kälter anfühlt als in herkömmlichen dicken Stiefeln, ist kein Problem. Denn das aktivere Laufen verbessert die Blutzirkulation, sodass sich niedrigere Temperaturen besser aushalten lassen“, sagt Breyer. Für etwas mehr Wärme eignen sich gestrickte Stulpen über den Knöcheln.

Sind kalte Füße problematisch?

„Nein, überhaupt nicht, solange der Körper nicht auskühlt und das Kind sich damit wohlfühlt“, sagt die Orthopädin. „Dass sich Kinder wegen kalter Füße immer gleich erkälten oder eine Blasenentzündung bekommen, ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält.

In welchem Fall sind Barfußschuhe für Kinder nicht geeignet?

„Vor allem, wenn es eine motorische oder neurologische Grunderkrankung oder eine starke Fehlstellung des Fußes gibt. Auch bei Schmerzen sollte darauf verzichtet werden: Das ist immer ein Zeichen, dass es dem Fuß zu viel ist, und sollte orthopädisch abgeklärt werden“, sagt die Fachfrau.

Ab wann wird Barfußlaufen gesund?

„Zu Hause ein paar Schritte auf festen und ebenen Böden barfuß zu laufen, das reicht nicht. Wichtig ist es, verschiedene Untergründe und Neigungen zu spüren.“ Kinder sollten deshalb im häuslichen Umfeld grundsätzlich barfuß laufen. In der Kita und vielleicht sogar in der Schule seien Stoppersocken, Lederschläppchen oder andere weiche Schuhe okay, die den Fuß so wenig wie möglich einschränken. 

Was ist beim Kauf zu beachten?

„Nicht jeder Barfußschuh passt zu jedem Fuß“, sagt die Expertin. „Das passende Modell sollte nicht herumschlackern, sondern in allen Ebenen maximal gut passen – in der Länge und in der Breite.“ Die angegebene Schuhgröße ist dabei nicht so entscheidend, sondern eher als Richtwert zu verstehen. Denn Schuhfirmen müssen sich nicht an eine bestimmte Größenskala halten. Deshalb hat fast jede Marke trotz identisch angegebener Schuhgröße ein anderes Innenmaß. 

Um den wirklich passenden Kinderschuh zu finden, empfiehlt es sich, aus Pappe eine Schablone anzufertigen. Dafür stellen Eltern ihr Kind entspannt auf den Karton und übertragen mit einem Stift den Umriss des Fußes. Idealerweise am Nachmittag, weil sich Füße im Laufe des Tages oft etwas ausdehnen. In der Länge sollten rund 15 Millimeter, in der Breite bis zu fünf Millimeter zugegeben werden. So hat der Fuß auch in der Bewegung genug Platz und wirkt einer immer wieder festgestellten Realität entgegen: Sehr viele Kinder stecken in zu kurzen Schuhen.

Falsch ist übrigens die Annahme, man könne durch Druck auf den großen Zeh herausfinden, ob der Schuh passt. „Das reicht nicht aus, denn Kinder ziehen den Zeh bei Druck reflexartig an“, sagt die Expertin. Zudem könnten Kinder noch gar nicht beurteilen, wo der Schuh drückt: Die entsprechende Sensorik in den Füßen sei noch nicht entwickelt. Nur das Ausmessen des Schuhinneren oder die Schablonen-Methode gibt Gewissheit. An der Live-Anprobe führt trotzdem kein Weg vorbei: Das Kind muss sich in den Schuhen auch wohlfühlen.

Kann man Barfußschuhe für Kinder bedenkenlos gebraucht kaufen?

„Ja, wenn man weiß, welches Modell passt und die Sohle nicht asymmetrisch abgelaufen ist“, sagt Breyer. „Ich empfehle aber, die innenliegende Sohle aus hygienischen Gründen durch eine neue Sohle zu ersetzen, damit sich zum Beispiel keine Fußpilzerreger übertragen können.“

  • Ähnliche Beiträge

    • August 25, 2025
    Polizei und Feuerwehr: Größerer Einsatz wegen angeblich radioaktiven Stoffs

    Rund 200 Einsatzkräfte wurden nach Taunusstein gerufen, Häuser wurden geräumt und Straßen gesperrt. Am Ende konnte nichts Gefährliches gefunden werden.

    • August 25, 2025
    Blockade vor Büro: Aktivisten besetzen CDU-Büro von Wadephul in Rendsburg

    Sie wollen, dass die Haftbedingungen für Maja T. verbessert werden und der Außenminister soll sich dafür einsetzen. Deshalb haben Aktivisten nun das Büro des Politikers in Rendsburg blockiert.

    Du hast verpasst

    Polizei und Feuerwehr: Größerer Einsatz wegen angeblich radioaktiven Stoffs

    • August 25, 2025
    Polizei und Feuerwehr: Größerer Einsatz wegen angeblich radioaktiven Stoffs

    Blockade vor Büro: Aktivisten besetzen CDU-Büro von Wadephul in Rendsburg

    • August 25, 2025
    Blockade vor Büro: Aktivisten besetzen CDU-Büro von Wadephul in Rendsburg

    Brutaler Angriff: Haftbefehl nach Messerattacke im Imbiss

    • August 25, 2025
    Brutaler Angriff: Haftbefehl nach Messerattacke im Imbiss

    Auftragseingang im Baugewerbe im ersten Halbjahr stark gestiegen

    • August 25, 2025
    Auftragseingang im Baugewerbe im ersten Halbjahr stark gestiegen

    Hype um Küchengerät: Kalt erwischt: Wie die Ninja Slushi im stern-Test abschneidet

    • August 25, 2025
    Hype um Küchengerät: Kalt erwischt: Wie die Ninja Slushi im stern-Test abschneidet

    Intensiver Geruch: Natürliche Abwehr: Diese Pflanzen werden von Wühlmäusen gemieden

    • August 25, 2025
    Intensiver Geruch: Natürliche Abwehr: Diese Pflanzen werden von Wühlmäusen gemieden