Argentinien: Nazi-Raubkunst überm Sofa – Wirbel um verräterische Immobilienanzeige

  • August 26, 2025

In Argentinien erregt ein Immobilien-Inserat Aufsehen: Nicht wegen des Hauses, das verkauft werden soll. Über dem Sofa haben Beobachter offenbar Nazi-Raubkunst entdeckt.

Wer sein Haus möglichst gewinnbringend verkaufen will, setzt es mit schönen Fotos in Szene: vielleicht mit Aufnahmen der modernen Küche, des blühenden Gartens oder des gemütlichen Wohnzimmers. 

In Argentinien erregt jetzt ein solches Inserat internationale Aufmerksamkeit – und zwar wegen eines Gemäldes auf einem Foto in der Annonce. In dem Haus in der Küstenstadt Mar del Plata soll über einem Sofa ein uraltes, historisches Gemälde zu sehen sein, das Beobachter als Nazi-Raubkunst identifiziert haben wollen. 

Dabei handele es sich um das Bildnis einer italienischen Gräfin des Malers Giuseppe Ghislandi (1655-1743), berichtet die niederländische Zeitung „Algemeen Dagblad“, die seit Längerem umfangreich zu Werken aus dem Besitz des niederländisch-jüdischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker recherchiert. 

„Portrait of a Woman“ zählt zu den verschollenen Werken der Nazi-Raubkunst

Goudstikker kam 1940 auf der Flucht vor den Nazis ums Leben. Mehr als 780 Werke aus seinem Besitz sollen sich Größen des NS-Regimes angeeignet haben, darunter auch das „Portrait of a Woman“, das die Gräfin Cecilia Colleoni zeigen soll. Der Wert dieses Bildes ist unbekannt. Jedoch sind Werke des Künstlers in bedeutenden Museen ausgestellt, darunter im Metropolitan Museum of Art in New York. 

Der Verbleib von Nazi-Raubkunst ist auch heute noch ein aktuelles Thema. In der Zeit zwischen 1933 und 1945 wechselten zehntausende solcher Werke unrechtmäßig die Besitzer: Dabei wurden Verfolgte des Nazi-Regimes enteignet, vor allem Juden. Die Kunstwerke wurden dann zu teils absurd niedrigen Preisen an Akteure des Regimes verkauft. Der wohl prominenteste Kunstsammler aus der Zeit war Adolf Hitlers Luftfahrtminister Hermann Göring, dessen Sammlung heute im Deutschen Historischen Museum dokumentiert ist.

Im Falle des jetzt möglicherweise in Südamerika entdeckten Bildes soll es sich um Raubkunst handeln, die Friedrich Kadgien an sich gebracht haben soll, einer der Finanzfachleute im Umkreis von Hitler, der auch für die Verwaltung jüdischen Vermögens zuständig war.

Journalisten des „Algemeen Dagblad“ vermuteten schon länger, dass das jetzt entdeckte Gemälde bei Kadgiens Nachfahren in Argentinien zu finden sein könnte. Ihnen half jetzt – so die Schilderung – ein unglaublicher Zufall: Denn sie entdeckten ein „Zu-verkaufen-Schild“ an einer Villa der Nachfahren und suchten im Internet die entsprechende Immobilen-Annonce. Und dort sei das Gemälde zu sehen gewesen – über einem Sofa. Kontaktversuche zu den Bewohnern des Hauses seien gescheitert, berichten die Reporter und inzwischen sei das Foto mit dem Gemälde aus dem Netz genommen worden.

Doch die Journalisten seien sicher, dass es das gesuchte Bild sei und dass das Foto auch keine Reproduktion zeige. Ein Grund für diese Annahme seien die Maße, die denen des Originals entsprechen würden.

Echtheit des Gemäldes wird bisher nur vermutet

Ob das stimmt, kann erfahrungsgemäß jedoch nur eine genaue Analyse von Fachleuten bestätigen, die dazu verschiedene Kriterien klären müssen – etwa die genaue Herkunft des Gemäldes und aus welchen Materialien es besteht. Dies ist jedoch, wie aus den Pressemeldungen zu dem Fall hervorgeht, noch nicht geschehen. Bislang ist lediglich ein Foto des Gemäldes bekannt. Theoretisch ist es sehr wohl möglich, eine Reproduktion eines Gemäldes in den Maßen des Originals anzufertigen.

 Raubkunst auf X

Die Kadgien-Nachfahren sollen noch ein weiteres Raubkunst-Gemälde besitzen, heißt es in den Presseberichten: Dabei soll es sich um ein Stillleben des deutsch-niederländischen Malers Abraham Mignon (1640-1679) handeln, dessen Werke man beispielsweise im Städel-Museum in Frankfurt bewundern kann.

Wie es jetzt mit dem Bild weitergeht, das über dem Sofa in dem argentinischen Wohnzimmer zu sehen war, ist unklar. Es könnten langwierige juristische Auseinandersetzungen folgen, vermuten die Reporter des „Algemeen Dagblad“. In jedem Fall wolle die Familie des Kunsthändlers Jacques Goudstikker darum kämpfen, den Besitz ihrer Vorfahren zurück zu bekommen.

Quellen: „Algemeen Dagblad„, „The Times„, „NL Times„, „Buenos Aires Herald„, Deutsches Historisches Museum, Datenbank „Lost Art“

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