
Frankreichs politische Krise verschärft sich, auch ein verunglücktes Interview kann lesenswert sein und die deutschen Fußballer schaffen keine Trendumkehr. Das ist heute wichtig.
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
es war über lange Jahre Italien, das als Hort der politischen Instabilität galt. Nun hat ihm ganz offensichtlich Frankreich und damit Deutschlands wichtigstes Partnerland den Rang abgelaufen. Seit dem vergangenen Jahr residierten bereits vier unterschiedliche Premierminister in Matignon. Heute wird nun auch die aktuelle französische Regierung stürzen, danach sieht zumindest alles aus.
Weil Premierminister François Bayrou im fragmentierten Parlament keinen Rückhalt für seine radikalen Sparpläne sieht, wirft er nach nur neun Monaten im Amt das Handtuch. Vorschnell und ohne Not hat er eine Vertrauensabstimmung im Parlament angekündigt – bei der schon im Vorfeld klar ist, dass der Sohn eines Bauern aus den Pyrenäen diese verlieren wird. Denn die von Präsident Macron eingesetzte Regierung hat keine eigene Mehrheit im Parlament.
Frankreichs Regierung stürzt heute – schon wieder
Es ist deshalb ein Manöver, von Macron ausdrücklich gebilligt, das von politischen Freunden und Feinden in Frankreich gleichermaßen nur als „politischer Selbstmord“ tituliert wird. Mit welchem Sinn? Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit werden führende Politiker ihrer Verantwortung nicht gerecht und verschärften die politische Krise des Landes fahrlässig bis fast mutwillig. Im Juni des vergangenen Jahres hatte Präsident Macron in einer Kurzschluss-Entscheidung Neuwahlen ausgerufen, sich erwartbar verkalkuliert – und damit die derzeitige Instabilität erst hervorgerufen.
Man kann Bayrou nun anrechnen, dass er das massive Problem mit Frankreichs Verschuldung nicht nur erkennt, sondern auch angehen wollte. Er hat ein Programm vorgelegt, das unter anderem Einsparungen von 44 Milliarden Euro im Staatshaushalt vorsieht und die Streichung zweier gesetzlicher Feiertage. Doch statt nach dem erwartbaren Aufschrei loszuziehen und einen politischen Kompromiss zu schmieden, der durchaus vorstellbar gewesen wäre, machte Bayrou derlei Anstalten nicht. Lieber zeigt er sich beleidigt – zum Schaden des Landes.
Ein verunglücktes Interview mit der Abgeordneten Paula Piechotta
Ich mute Ihnen heute etwas zu, was wir beim stern eigentlich tunlichst zu vermeiden suchen: ein nur schwer lesbares Interview. Doch können Sie dabei vielleicht einen Einblick bekommen, wie Interviews hierzulande gängigerweise geführt werden, und wann diese Praxis an ihre Grenzen stößt.
Ein Kollege bat die grüne Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta zum Gespräch, die zu den lautesten Kritikern führender Unionspolitiker gehört. Auf das Interview ließ sich die 38-jährige Haushaltsexpertin gern ein – reagierte im Anschluss aber teils mit Zensur.
Ist das der Fußball-Befreiungsschlag? Von wegen!
Nach drei Niederlagen bei der WM-Qualifikation hat sich die Stimmung rund um die deutsche Fußballnationalmannschaft und ihren Trainer Julian Nagelsmann verdunkelt. Nun haben die Deutschen zwar 3:1 gegen Nordirland gewonnen. Doch trotz des Siegs zeigte das Spiel nur, wie verunsichert die Mannschaft derzeit ist.
Immer wieder unterliefen den deutschen Verteidigern einfache Ballverluste, und im Angriff agierte die Mannschaft erschreckend ideenlos. Wie kann die Trendumkehr gelingen?
Und sonst? Weitere Schlagzeilen
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Das passiert am Montag, dem 8. September
Die Enquete-Kommission des Bundestags zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie trifft sich zum ersten MalDie Norweger wählen an diesem Montag ein neues Parlament. Erwartet wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen einem möglichen Mitte-Links-Bündnis und der rechten OppositionDer italienische Modemacher Giorgio Armani wird im kleinen Kreis in der Nähe seines Geburtsorts Piacenza beigesetzt. Am Wochenende waren Tausende am in Mailand aufgebahrten Sarg vorbeigezogen
Unsere stern+-Empfehlung des Tages
Vor fast zwei Jahren hat die Hamas Israel angegriffen, seither ging das Land in seiner Reaktion darauf zunehmend brutaler vor. Nun will die israelische Armee offenbar Gaza-Stadt einnehmen. Gleichzeitig sollen in der US-Regierung Pläne zur Umgestaltung des Gazastreifens kursieren, die eine zumindest vorübergehende Umsiedlung der Bewohner vorsehen.
Der renommierte Völkerrechtler Ben Saul ordnet in unserem Interview die Lage – und sagt darin viele bemerkenswerte Sätze, etwa diesen: „Das besonders Grausame an diesem Konflikt ist, dass Israel den Angriff der Hamas als eine Art existenzielle Bedrohung darstellt, obwohl er das nicht war.“ Und: „Dass Israels politische Führung bereit ist, jede Möglichkeit für ziviles Leben in einem fremden Land als Reaktion auf eine relativ geringe Bedrohung zu zerstören: Das zeigt die tiefe Verkommenheit der israelischen Angriffe auf Gaza.“ Das ganze Interview lesen Sie hier:
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Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Herzlich
Lisa Becke