Champions League: Es hätte keinen schlimmeren Stimmungsdämpfer für Galatasaray geben können

  • September 19, 2025

Galatasaray Istanbul geht bei der entfesselten Eintracht mit 1:5 in der Champions League unter. Der türkische Meister hat auf dem Rasen und auf den Rängen in Frankfurt wenig zu melden.

Die Fluchtbewegung im Gästeblock der Frankfurter Arena hatte schon weit vor Schlusspfiff eingesetzt. Und auf Unterstützung verzichtete der Anhang von Galatasaray Istanbul schon nach gut einer Stunde. Folglich hätte sich Kapitän Yunus Akgün den schweren Gang vor Getreuen der Gelb-Roten fast sparen können: Der ziemlich verhaltene Applaus der Protagonisten vom Rasen interessierte auf den Rängen kaum jemanden mehr. Vor Anpfiff hatte vor der Gala-Kurve noch ein Banner auf Englisch gehangen: „Fight for your dreams!“ Nach dem Champions-League-Auftakt bei Eintracht Frankfurt (1:5) musste Trainer Okan Buruk in der Pressekonferenz kleinlaut vortragen, in dieser Nacht eine Lehrstunde erhalten zu haben. „Wir sind in allen Statistiken vorn, daher tut das Ergebnis weh. Die Eintracht hatte viel Leidenschaft – darauf konnten wir keine Antwort liefern.“

Es hätte keinen schlimmeren Stimmungsdämpfer für Galatasaray geben können, der mit so viel Euphorie im Herzen von Europa angetreten war. Zudem erlitten die Gäste die wichtigste Niederlage vielleicht schon im Vorlauf: Denn Vermutungen bewahrheiteten sich nicht, im Frankfurter Waldstadion würde der 25-fache türkische Meister vielleicht ein ähnliches Heimspiel haben wie im Herbst 2023 die türkische Nationalmannschaft bei ihrem Prestigeerfolg im Länderspiel gegen Deutschland im Berliner Olympiastadion (3:2). Klar, die deutsch-türkische Community organisierte im Vorlauf einen stimmungsvollen Fanmarsch und ging auch mit kräftigem Getöse von der Stadionhaltestelle Richtung Gegengerade, doch die ausgerufene „Gala-Invasion“ entpuppte sich als Hirngespinst.

Champions League: Eintracht Frankfurt dominiert auf den Rängen

Bloß rund 4000 türkische Fans waren unter den 58.700 Zuschauern. Offiziell 3000 Tickets waren an den Gast vom Bosporus gegangen. Schon bei der Konfetti-Choreografie unter dem Motto „Schwarz-weiß mit allen Mann“ zeigte sich, dass die Gelb-Roten wenig zu melden hatten. Dass sich „maximal 1000 Gala-Fans“ mit Karten vom Schwarzmarkt eingedeckt hätten, sei der Beleg, wie „achtsam und wachsam“ der Anhang der Adlerträger geblieben sei, sagte Eintracht-Vorstand Philipp Reschke. „Wir hatten in jeder Hinsicht ein Heimspiel. Allen Zuschauern ein Kompliment, dass die Atmosphäre einigermaßen spektakulär, es aber ein friedlicher Tag war“, bilanzierte der für Rechtsfragen, Fanangelegenheiten, Sicherheit und Organisation zuständige Reschke kurz nach Mitternacht im Presseraum.

Der Jurist hatte öffentlich ausdrücklich davor gewarnt, dass derjenige mit Konsequenzen wie dem Verlust der Dauerkarte oder dem Entzug der Mitgliedschaft rechnen muss, der sein Ticket auf dem Schwarzmarkt zu überhöhten Preisen verkauft. Reschke hatte zudem wohlfeil der SGE-Gemeinde zugerufen: „Es darf schon unsere Erwartungshaltung sein, dass unsere Dauerkarteninhaber und Mitglieder grundsätzlich ihre Karten nicht an Gästefans geben.“

Toppmöller: „perfekter Abend“

Trainer Dino Toppmöller schwärmte daher von einem „perfekten Abend“. Der Coach hatte seiner auf dieser Bühne völlig unerfahrenen Truppe – lediglich Ansgar Knauff besaß Champions-League-Erfahrung – auf den Weg gegeben, die „besondere Energie“ aufzusaugen. Auf den Tribünen in der Mehrzahl zu sein, empfand auch der Sohn des früheren Frankfurter Trainers Klaus Toppmöller als elementar: „Mit dem Stadion im Rücken wissen wir, dass wir für besondere Momente da sind. Wir leben, leiden, schwitzen genau für diese Momente.“

Die düsteren Prognosen von einem gefühlten Auswärtsspiel hatte sich eben nicht bewahrheitet. Selbst beim Anmarsch hatten Besucher wie Deniz Yilmaz aus Frankfurt, der mit seinem Kumpel Timur Kaya aus Ulm früh zu den Eingangstoren schlenderte, „von 20.000 bis 25.000 Galatasaray-Fans“ schwadroniert. Stolz zeigten die beiden ihre über die offiziellen Kanäle erworbenen Tickets vor. Im Portal Viagogo hatten Karten 3500 Euro und mehr gekostet. Doch offenbar waren solche Angebote überschaubar geblieben.

Dabei hatte dieses Duell schlimme Erinnerungen aus der Vergangenheit der Mainmetropole geweckt: 1992 waren sich die Teams in der zweiten Runde des Uefa-Cups begegnet. 25.000 türkische Fans strömten damals ins alte Waldstadion, die sich ganz legal im Vorverkauf mit Karten eingedeckt hatten. Nach zwei brennenden Fahnen im türkischen Block folgten heftige Ausschreitungen auf den Tribünen. Das Sicherheitskonzept funktionierte hinten und vorne nicht. Der Fußball zeigte seine hässliche Fratze.

Das erste Tor war noch für Galatasaray Istanbul – doch ein schwerer Abwehrfehler änderte alles

Doch diesmal kam es nicht zu solchen Feindseligkeiten. Auf der Videotafel leuchtete demonstrativ eine dreisprachige Begrüßung auf: „Gude. Hos Geldiniz. Welcome“ stand in Versalien untereinander. Mit der Gastfreundschaft nahmen es anfangs beide Teams etwas zu genau. Ein leichter Ballverlust von Eintracht-Abräumer Hugo Larsson ermöglichte Gala-Kapitän Yunus Akgün nach Vorlage von Leroy Sané die frühe Gästeführung (8.). Das durch einen krassen Abwehrfehler eingeleitete Eigentor des in vielen Szenen unglücklichen Verteidigers Davinson Sanchez (37.) sollte bereits den Anfang vom Ende bedeuten: Der Deutsch-Türke Can Uzun traf aus der Drehung (45.+2), dann stellte Jonathan Burkardt per Kopf (45. +4) die Weichen auf Sieg. 

Durch den 5:1-Endstand ist die Eintracht sogar erster Tabellenführer der Liga-Phase. Klar, dass Gänsehautstimmung herrschte. „Europas beste Mannschaft – SGE“ tönte es in der nächsten magischen Nacht durch den Stadtwald. Sportvorstand Markus Krösche konnte sich bestätigt fühlen, welch spannender Kader einen ersten Fußabdruck auf der Bühne der Besten hinterlassen hat, nachdem sich Frankfurt zuvor über die Conference League und Europa League das Rüstzeug zugelegt hat. Vielleicht geht trotz des herausfordernden Programms mit den nächsten Spielen bei Atletico Madrid, gegen den FC Liverpool und beim SSC Neapel noch mehr.

„Anfangs waren wir nervös, aber die Jungs sind trotz des Rückstands ruhig und in der Systematik geblieben“, sagte Krösche mit ruhiger Stimme. „Spitzenreiter nach dem ersten Spieltag, das zähle ich jetzt nicht. Es war einfach eine gute Leistung, die Mannschaft ist stabil und überzeugt von der eigenen Stärke.“ Ganz nebenbei setzten die Hessen auch ein Statement für die Bundesliga, die zum Auftakt der Königsklasse mit zwei Siegen und zwei Unentschieden aufwartete. Die Konkurrenz aus England (Niederlagen FC Chelsea und Newcastle United), Spanien (Niederlage Atletico Madrid) oder Italien (Niederlage SSC Neapel) kam nicht schadlos über die Runden. Vielleicht sind deutsche Tugenden doch nicht völlig verschüttet.

„Es hat sich sehr gut angefühlt. Ich bin sehr dankbar und glücklich“, gab der Matchwinner Burkardt zu Protokoll. Der Königstransfer vom FSV Mainz hatte die ersten Wochen erkennbar mit der neuen Umgebung gefremdelt, nun nannte der 25-Jährige die „Widerstandsfähigkeit“ als Schlüssel für das Erfolgserlebnis, während Galatasaray-Coach Buruk mit der fehlenden Wehrhaftigkeit haderte: „Die Lehre ist: Wir haben uns zu früh aufgegeben.“ Als Uefa-Cup-Sieger 2000 und WM-Dritter 2002 hat der 42-Jährige noch selbst die besten Zeiten des türkischen Fußballs erlebt, doch in dieser Verfassung wird es das Aushängeschild vom Bosporus trotz der Shoppingtour unter dem spendablen Präsidenten Dursun Özbek in der Champions League schwer haben, auch wenn der für eine türkische Rekordablöse von 75 Millionen Euro fest aus Neapel verpflichtete Torjäger Victor Osimhen verletzt fehlte.

Die Zerfallserscheinungen bestraften erneut Burkardt (66.) und Knauff (75.), als der als Hoffnungsträger verpflichtete Ilkay Gündogan genau wie der zunehmend untergetauchte Sané längst ausgewechselt worden waren. „Wir haben sehr einfache Fehler gemacht. Bis zum 1:1 waren wir die klar bessere Mannschaft, deshalb hat sich der Pausenrückstand unverdient angefühlt. Danach hat der Mut gefehlt“, räumte der ehemalige Kapitän der deutschen Nationalelf hinterher ein. „Gefühlt haben wir bei jedem Gegentor die Frankfurter eingeladen. Dann kommt so ein Ergebnis zustande.“ Der 34-Jährige stand übrigens erst den Reportern auf Deutsch, dann auch den in der Mixed Zone lange wartenden Journalisten auf Türkisch Rede und Antwort. Irgendeiner musste ja diesen Albtraum irgendwie erklären. Und vor der Wahrheit zu flüchten, hilft auch im Fußball selten weiter.

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