Hörspielstudio Europa wird 60: Gute-Nacht-Geschichten für Millionen Menschen

  • September 30, 2025

Wer heute 50 ist, hatte als Kind Europa-Platten. Wer 40 ist, hatte Europa-Kassetten. Wer 30 ist, hatte Europa-CDs. Und wer 10 bis 20 ist, hört Europa im Stream. Ein Stück Popkultur hat Geburtstag.

„Die drei ???“, „TKKG“, „Fünf Freunde“, „Hui Buh“, „Hanni und Nanni“ und vieles, vieles mehr: Deutschlands bekanntestes Hörspielstudio Europa wird in diesem Oktober 60 Jahre alt. „Wir haben allgemein den Oktober als Jubiläumsmonat definiert, weniger ein ganz konkretes Datum, das konnte man wohl nicht mehr rekonstruieren“, erläutert eine Sprecherin des Audiolabels, das inzwischen zum amerikanischen Musikriesen Sony gehört.

Eine 80-Jährige schuf das erfolgreichste Hörspiel der Welt

Größtes Aushängeschild von Europa ist die Hamburger Hörspielproduzentin Heikedine Körting. Die heute 80-jährige Grande Dame der Branche hat eine Reihe von Jugendreihen in die Welt gebracht, mit denen schon Generationen akustisch aufgewachsen sind. Allein von den „Drei ???“ – mit über 55 Millionen verkauften Tonträgern die erfolgreichste Hörspielreihe der Welt – sind bisher rund 250 Folgen erschienen. 32 Milliarden Streams wurden bis heute gezählt. Viele erwachsene Fans berichten, dass ihnen die Serie beim Einschlafen hilft. 

Apropos erwachsen: Der „Drei ???“-Hauptcast Oliver Rohrbeck (Justus Jonas), Jens Wawrczeck (Peter Shaw) und Andreas Fröhlich (Bob Andrews) ist seit 1979 identisch. Die drei sprechen noch mit 60 Jahren drei Teenager. „In dem Moment, wo sie in ihre Rolle schlüpfen, da sind sie halt wieder Justus, Bob und Peter. Egal, in welchem Alter sie sind“, so Körting im dpa-Interview. Mit „Hanni und Nanni“ (1972), „Fünf Freunde“ (1978), „TKKG“ (1981) landete sie weitere Hits. Neuere Formate aus dem Hause Europa sind „Teufelskicker“ (ab 2005), „Die drei ??? Kids“, „Die drei !!!“ (beide ab 2009) oder „Kati & Azuro“ (ab 2011).

Die Keimzelle von Europa liegt in der Musik

Was Wenige wissen: Die Keimzelle von Europa liegt in der Musik, genauer der Klassik. Einer der Gründer war Musikwissenschaftler Andreas E. Beurmann, der Ehemann von Heikedine Körting, dessen Stimme Millionen Menschen als „Onkel Titus“ kennen. Seine guten Verbindungen zur Kulturszene öffneten US-Investor Miller International in den 1960er Jahren die Türen zur Hamburger Musikhalle. 

Dort nahmen 101 Streicher als Nebenjob ab 23.00 Uhr in der nächtlich leeren Location Schallplatten für den US-Markt auf, wie in der „Europa-Chronik“ (2020) von Frank Boldewin und Wolfram Damerius zu lesen steht. „Besonders beliebt beim Publikum sind neben klassischen Titeln auch volkstümliche Musik, Märsche und Evergreens.“ Mit diesen „101 Strings“-Aufnahmen entstand das Label Somerset, dessen Beteiligte 1965 dann auch Europa aus der Taufe hoben.

Die MC – das Medium der „Kassettenkinder“

Hans Paetsch, vermutlich die berühmteste deutsche Erzählstimme im Bereich Märchen und Kinderhörspiele, gehörte zu den Sprechern der ersten Stunde. „Seine Stimme ist auch auf der allerersten Veröffentlichung zu hören: „Der Struwwelpeter und Max und Moritz“ erscheint im Oktober 1965″, heißt es in der Jubiläumsmitteilung des Labels. Der Verkaufspreis der Langspielplatten von nur 5 Mark (rund 2,50 Euro) machte diese LPs extrem populär.

Noch in den 1960ern starteten die ersten Erfolgsserien – die „Winnetou“-Hörspiele (1968) und „Hui Buh“ (1970) mit Hans Clarin. „Bereits ab 1969 wird die Musicassette, kurz MC, das Medium der „Kassettenkinder“. In diesem Jahr schrieb auch Heikedine Körting ihre ersten Skripte für Europa“, berichtet das Unternehmen.

Auch mit 80 macht sich die Grande Dame von Europa keine Gedanken ums Aufhören. „Hörspiele sind mein Hobby, waren immer mein Hobby. Und warum sollte ich damit aufhören?“, erzählt sie in der Biografie „Heikedine Körting. Die Königin der Hörspiele“ von C. R. Rodenwald. Es gehe fröhlich weiter. „Und zwar so lange, wie die Fans meine Hörspiele hören möchten und ich tolle Sprecher finde, die mit Lust und Freude zu mir ins Studio kommen.“ 

Wie wird die Zukunft von Europa aussehen? Das Label setzt offensichtlich auf mehrere Standbeine. „Neben den beliebten Hörspielen hat sich Europa auch als feste Größe in der Kindermusik etabliert“, heißt es in der Firmenmitteilung. Lebte der Erfolg des Labels für lange Zeit von Kindern, die oft als Erwachsene alte Abenteuer wiederentdeckt haben, als Flucht vor dem rauen Alltag, gibt es inzwischen offiziell Hörspielserien für Erwachsene – eingestuft ab 16 Jahren.

Was ist das nächste große Ding?

Auf die Frage nach „dem nächsten großen Ding“, sagt der zuständige Sony-Manager Arndt Seelig der Deutschen Presse-Agentur: „Das wird sich zeigen – wir arbeiten laufend an neuen Projekten und Ideen, um unsere Hörerinnen und Hörer immer wieder zu überraschen. Ein Beispiel ist Heavysaurus, die kürzlich auf dem Wacken Open Air über 35.000 Menschen begeistert haben. Solche Erlebnisse zeigen, wie viel Potenzial in innovativer Kindermusik und neuen Formaten steckt.“ Das klingt ein bisschen wie eine Rückkehr zu den Wurzeln.

Zugleich betont Sony-Mann Seelig, dass „Die drei ???“ und „TKKG“ feste Größen seien. „Wir arbeiten kontinuierlich daran, ihre Geschichten weiterzuentwickeln und neue Generationen zu begeistern.“ Er betont: „Ein Ende ist für uns aktuell nicht vorstellbar. Gleichzeitig investieren wir stetig in neue Hörspiel- und Musikformate, um auch in Zukunft Familien zu begeistern.“

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